24.03.2020

Winziger Schwimmroboter wird autark

Das System lässt sich in wässriger Lösung manövrieren und fernsteuern.

Ein internationales Forschungsteam unter Leitung von Oliver G. Schmidt, Inhaber der Professur Material­systeme der Nano­elektronik an der Technischen Universität Chemnitz, entwickelte den kleinsten mikro­elektronischen Roboter der Welt, der durch einen Zwillings-Düsenjet angetrieben und gesteuert wird. Der mikro­lektronische Roboter ist 0,8 Millimeter lang wie breit und 0,14 Millimeter hoch. Der Mikro-Roboter ist mechanisch extrem flexibel, beweglich und mit diversen Funktionen ausgerüstet. An dem Projekt waren neben der TU Chemnitz und dem IFW Dresden die Chinesische Akademie der Wissenschaften Changchun und die Technische Universität Dresden beteiligt.

Abb.: Illustration des kleinsten mikro­elektro­nischen Roboters der Welt, der...
Abb.: Illustration des kleinsten mikro­elektro­nischen Roboters der Welt, der durch einen Zwillings-Düsenjet ange­trieben und gesteuert wird. (Bild: TU Chemnitz)

Ein besonderer Aspekt der Entwicklung ist die Bereit­stellung von elek­trischer Energie an Bord, die es dem hoch­flexiblen Mikro-Roboter erlaubt, verschiedene Aufgaben zu erfüllen. Das System ist zudem in hohem Maße manövrier­fähig in wässriger Lösung und lässt sich fernsteuern. Darüber hinaus verfügt der Roboter über eine Lichtquelle und einen kleinen Greifarm, die kabellos mit Energie versorgt werden können. Denkbar ist so der Einsatz von biome­dizinischen Sensoren und Aktoren, die Anwendungen in den Bereichen der Mikro-Robotik und Medizintechnik ermöglichen. Beispiele hierfür sind das gezielte Verabreichen von Medikamenten oder die Diagnose von Krankheiten direkt im Organismus.

Das Forschungsfeld der Mikro-Roboter und Mikromotoren erzeugt seit mehr als zehn Jahren ein stark steigendes weltweites Interesse in verschiedenen Fach­richtungen. Insbesondere die fiktive Anwendung eines medi­zinischen Mini-U-Boots mit eigenem steuerbaren Antrieb beflügelt immer wieder sowohl die Grundlagen- als auch die angewandte Forschung. Dabei war das Ziel, die Entwicklung eines vollständig kontrollier- und steuerbaren mikro­elektronischen Roboters, lange Zeit Science Fiction – bis jetzt. Zwar gibt es mittlerweile chemisch angetriebene Mikro­motoren, die in ersten medizinischen Studien in den USA auf ihre Taug­lichkeit zur Heilung bestimmter Krankheiten getestet werden, allerdings handelt es sich dabei um sehr einfache Systeme, die weder über elektrische Energie noch über mikro­elektronische Einheiten an Bord verfügen. Eine gezielte Kontrolle und Steuerung der Mikroroboter ist somit nicht möglich. Das ist bei dem nun entwickelten System anders.

Die Antriebs­einheit des nun vorge­stellten Systems besteht aus aufge­rollten Mikro­röhrchen, die Schub durch den druckhaften Ausstoß von Sauerstoff­bläschen erzeugen. Diesen Vorgang konnten die Forscher in einem der beiden Mikro­röhrchen thermisch kontrollieren und so den Mikro-Roboter in verschiedene Richtungen steuern. „Vor fast zehn Jahren habe ich mit meinem damaligen Team die Idee formuliert, winzige chemische Düsen­antriebe mit mikro­elektronischen Komponenten zu verbinden, um damit zwei Fachrichtungen zusammenzuführen, die bis dahin nur wenig gemeinsam hatten. Es ist wunderbar zu sehen, dass diese Idee durch die techno­logische Innovations­kraft meines Doktoranden Vineeth Kumar Bandari und das außer­gewöhnliche wissen­schaftliche Engagement von Feng Zhu nun in einer ersten vereinfachten Form experimentell realisiert werden konnte“, sagt Schmidt. 

Das komplette mikro­elektronische System fertigten die Forscher aus einer Kombination aus Nano-Membranen auf Polymer-Basis an, die mit ihren Material­eigenschaften ihres­gleichen sucht und in dieser Kombination eine wesentliche Rolle spielt. Die Konstruktion ist mechanisch hochflexibel und ermöglicht die Aufnahme elektronischer Komponenten und steuer­barer Aktuatoren. Für letzteres fertigte das Team eine dünne Schicht aus einem temperatur­empfindlichen Polymer und integrierte diese als Aktuator an einem Ende des mikro­robotischen Systems. Durch die justierbare lokale Erhöhung oder Verringerung der Temperatur ist es möglich, den Aktuator zu schließen und zu öffnen, um kleinste Objekte zu greifen und wieder loszulassen.

Da der Mikroroboter Energie braucht, kommt ein System für die drahtlose Energie­übertragung zum Einsatz, das aus einem externen Transmitter und einer in dem Mikrosystem integrierten Empfangs­antenne besteht. Die Energie wird per Induktion übertragen. Es ist das erste Mal, dass die kabellose Übertragung elek­trischer Energie in einem derart kleinen Mikro-Roboter genutzt werden kann. Mit ihrer Arbeit zur Fertigung des kleinsten mikro­elektronischen Roboters, der kabellos mit Energie versorgt werden kann, fernsteuerbar und voll manövrier­fähig ist sowie über eine Aktorik verfügt, legen die Forscher um Schmidt eine wesentliche Grundlage für den zukünftigen Einsatz von autonom arbeitenden Mikro­robotern im biomedizinischen Sektor. Da aktuell für den Antrieb unter anderem auch Wasserstoff­peroxid notwendig ist, kann das System in dieser Labor-Konfiguration noch nicht direkt im menschlichen Körper eingesetzt werden. Eine Weiter­entwicklung ist dafür nötig, der sich das Forschungs­team in einem nächsten Schritt widmen wird.

TU Chemnitz / JOL

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