01.09.2021

Wie Stammzellen auf physikalische Reize reagieren

Neue Gruppe für Mechanobiologie erforscht die Biophysik von Stammzellen.

Eine neue Forschungsgruppe der TU Dresden untersucht, wie Stammzellen während der Entwicklung und Aufrecht­erhaltung des Nerven- und Herz-Kreislauf-Systems mechanische Kräfte und elektrische Signale berücksichtigen. Adele Doyle, Assistenzprofessorin an der University of California, Santa Barbara, USA, ist seit Juli 2021 Mitglied des Exzellenz­clusters Physics of Life (PoL) und leitet die Forschungsgruppe Mechanobiologie von Stammzellen an der TU Dresden.

 

Abb.: Embryonale Stammzellen der Maus, die eine elektro­chemische...
Abb.: Embryonale Stammzellen der Maus, die eine elektro­chemische Spezialisierung durchlaufen, mit Markierungen für Zellkerne (blau) und Neuronen­projektionen (rot). (Bild: M. Foster, A. Doyle)

Mit Ansätzen aus den Ingenieurwissenschaften, der Biologie und der Informatik untersucht ihre Gruppe, wie molekulare Schaltkreise spezialisierte Mechano-Signal­transduktion ermöglichen. Das interdisziplinäre Team erforscht, wie Stammzellen während der Entwicklung des Nerven- und Herz-Kreislauf-Systems lernen, auf mechanische Kräfte und elektrische Signale zu reagieren, und wie biophysikalische Signale Gesundheit oder Krankheit beeinflussen. Die Doyle-Gruppe sucht nach quantitativen Erkenntnissen, um die Entwicklung von Zelltherapien und Therapien der regenerativen Medizin für neurale und vaskuläre Anwendungen zu unterstützen. Das Doyle-Labor ist am Zentrum für Regenerative Therapien Dresden (CRTD) der TU Dresden und am Zentrum für System­biologie Dresden (CSBD) angesiedelt.

Zellen in lebenden Organismen werden von physikalischen Reizen wie mechanischen Kräften, Materialeigenschaften, elektrischen Reizen und chemischen Signalen beeinflusst. Je nach Funktion und Umgebung der Zellen erfahren sie verschiedene Material­eigenschaften und mechanische Krafteinwirkungen in unterschiedlicher Stärke und Dynamik. „Die Fähigkeit der Zellen, auf der Grundlage lokaler physikalischer Signale zuverlässige Entscheidungen zu treffen, ist für die Entwicklung eines Organismus und die Aufrecht­erhaltung der Gesundheit von wesentlicher Bedeutung.

Im Krankheitsfall können sich die normalen physikalischen Reize verändern, oder die Zellen können die Fähigkeit verlieren, angemessen auf lokale physikalische Reize zu reagieren. Bei Krebs beispielsweise führen Veränderungen in der Steifigkeit des Gewebes zu unerwünschter Zellwucherung und -bewegung. Die Art und Weise, wie Zellen die physikalischen Eigenschaften ihrer Umgebung wahrnehmen, wird als Mechano-Signal­transduktion bezeichnet, ein Prozess, der noch nicht sehr gut verstanden ist“, erklärt Gruppenleiterin Adele Doyle.

Das Doyle-Labor möchte dazu beitragen, dass Zelltherapien und Therapien der regenerativen Medizin für Patienten, die an schwerwiegenden, chronischen Krankheiten leiden, mehr und mehr zur Standardversorgung werden. Die Expertise des Teams liegt vor allem im Bereich der neuronalen und kardio­vaskulären Systeme: Ein weiterer Schwerpunkt sind die Bedürfnisse der Patienten. „Letztlich ist es unser Ziel, unsere Forschung in den klinischen Kontext zu überführen und die aus der Grundlagen­forschung gewonnenen Erkenntnisse in klinische Therapiekonzepte einfließen zu lassen. Es macht Spaß, in den verschiedenen Phasen dieses Prozesses mit vielen verschiedenen Gruppen zusammen­zuarbeiten, unter anderem aus dem akademischen Bereich, der Industrie und der Medizin“, sagt Doyle.

Um zu untersuchen, wie sich die Mechano-Signal­transduktion auf die erfolgreiche Embryonalentwicklung und die Homöostase, also den Gleichgewichts­zustand des Organismus auswirkt, entwerfen Adele Doyle und ihre Forschungsgruppe experimentelle Methoden, mit denen sie präzisere und empfindlichere molekulare Messungen in lebenden Zellen vornehmen können. Zudem entwickeln sie neuartige computer­gestützte Werkzeuge zur Analyse experimenteller Daten, um zu modellieren, wie Zellen Entscheidungen treffen. Sie arbeiten auch mit Ingenieur- und Mikro­fabrikations­gruppen zusammen, um zu untersuchen, wie kontrollierte physikalische Einwirkungen das Zellverhalten beeinflussen, etwa im Falle von traumatischen Hirnverletzungen.

„Unsere Forschung befindet sich an der Schnittstelle zwischen physikalischen Wissenschaften, wie Ingenieur­wesen und Physik, Natur­wissenschaften, wie Chemie und Biologie sowie Medizin und Computerwissenschaften. Wir kombinieren drei Hauptaspekte: die Technologie­entwicklung, die Mechano­biologie von Stammzellen und deren Tochterzellen und die elektrogene Signalübertragung im Nerven- und Herz-Kreislauf-System“, beschreibt Doyle. „Wir wollen herausfinden, wie physikalische Signale Veränderungen in zellinternen molekularen Schaltkreisen und folglich im Zellverhalten auslösen und damit eine Brücke zwischen den Disziplinen schlagen“, fügt sie hinzu.

Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, ist ein reibungs­loser Transfer von Wissen und Know-how innerhalb und zwischen Forschungs­gruppen und Instituten unerlässlich. Das Exzellenzcluster Physics of Life (PoL) bildet ein Netzwerk zwischen den Disziplinen und widmet sich dieser Art der gruppen- und disziplinübergreifenden Forschung. Am PoL engagieren sich Wissenschaftler für ein Umfeld, das die Forschung von den Grundlagen bis zur Anwendung unterstützt. Der Forschungs­schwerpunkt von Doyle passt ideal zu diesem interdisziplinären Exzellenzcluster.

TU Dresden / DE

 

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