01.08.2014

Wenn die Phase die Symmetrie ändert

Neutronenstreu-Experiment klärt wich­tige Streit­frage zur Hoch­tempe­ratur-Supra­lei­tung.

Weltweit versuchen Wissenschaftler, das Phänomen des verlustlosen Strom­transports durch Hoch­tempe­ratur-Supra­leiter zu verstehen. Materi­alien, die diesen Effekt auch bei Raum­tempe­ratur zeigen, hätten ein riesiges technisches Potenzial. Änderungen in der Symmetrie der elektromagnetischen Phasen von Hoch­temperatur-Supra­leitern nahe der Sprung­temperatur wurden kürzlich kleinsten Verunrei­nigungen zugeschrieben. Ein internationales Wissenschaftlerteam fand nun heraus, dass diese Änderungen allein der Dynamik der Elektronen­spins zuzu­schreiben sind und nicht auf einem Dotierungs­effekt beruhen.

Abb.: Jitae Park am Dreiachsen-Spektrometer PUMA (Bild: V Lannert, DAAD)

Wo sich in einem Kristall Atomkerne und Bindungs­elektronen aufhalten, legt die Kristall­struktur fest. Die Elektronen besitzen aber darüber hinaus noch einen elektromagnetischen Drehimpuls. Durch die Kopplung vieler solcher Spins können sich in einem Kristall elektro­magnetische Bereiche mit einer Vorzugsrichtung ausbilden, nematische Phasen. In diesen sehen viele Wissenschaftler einen Schlüssel zum Verständnis des Phänomens der Hochtemperatur-Supraleitung. Eine Gruppe von Wissenschaftlern hatte bei Untersuchungen mit einem Raster­tunnel­mikroskop kleinste Verunreinigungen entdeckt. Sie vermuteten daher, diese seien für die Ausbildung der nematischen Phasen verantwortlich – ähnlich wie bei Silizium, das erst durch Dotierung mit kleinsten Verunrei­nigungen leitfähig wird.

Dass dem nicht so ist, sondern ein ganz anderer Effekt zugrunde liegt, zeigten nun Jitae Park von der Technischen Universität München und seine Kollegen vom Beijing National Laboratory for Condensed Matter Physics und aus dem Department of Physics and Astronomy der Rice University in Houston, Texas. Mit dem Dreiachsen­spektrometer PUMA im Heinz Maier-Leibnitz Zentrum in Garching untersuchten sie Proben eines eisenhaltigen Hoch­temperatur-Supra­leiters bei verschiedenen Temperaturen und unter Zugabe einer winzigen Menge Nickel. Dabei stellten sie fest, dass das Auftreten der nematischen Phase in keiner direkten Beziehung zur „Verunreinigung“ durch Nickel steht.

Sehr stark abhängig ist das Entstehen der nematischen Phasen dagegen von kollektiven Veränderungen der Spins der Elektronen. Sie entstehen deutlich oberhalb der Sprungtemperatur, bei der die Supraleitung einsetzt. In dem Augenblick, in dem die Supraleitung ihr Maximum erreicht, verschwinden die nematischen Phasen vollständig. „Mit unserem Experiment haben wir gezeigt, dass die Hoch­temperatur-Supra­leitung nicht auf einem Dotierungs­effekt beruht, sondern Ausdruck einer sich sprunghaft ändernden Vorzugs­richtung der Elektronen­bewegung ist“, sagt Park, der das Experiment an der Forschungs-Neutronen­quelle FRM-II durchführte. „Damit kann sich die Forschung in Zukunft auf die Beziehung zwischen der Spin-Dynamik in nematischen Phasen und der Hoch­temperatur-Supra­leitung konzentrieren.“

Streuuntersuchungen zum Magnetismus sind extrem aufwändig, denn sie erfordern meist zahlreiche Experimente an verschiedenen Neutronen­quellen weltweit, um vollständige Daten zu erhalten. In diesem Fall entstanden die Messdaten durch eine Serie, geschickt entworfener Experimente in der Rekordzeit von nur vier Wochen am Instrument PUMA. Eine besondere Heraus­forderung war das Experiment darüber hinaus, weil die Forscher nur sehr kleine Kristalle einsetzen konnten. Als Unter­suchungs­material wählten die Wissenschaftler ein Eisen­pniktid, einer Verbindung aus Eisen, Barium und Arsen, dem sie geringe Mengen an Nickel zusetzten. Dieses Material bildet aber unter Normal­bedingungen Zwillingskristalle, an denen nematische Phasen nicht zu messen gewesen wären.

„Zwar lässt sich die Zwillings­bildung durch Druck verhindern“, sagt Park, „doch dadurch konnten wir nur sehr kleine Kristalle verwenden.“ Weil die Garchinger Forschungs-Neutronen­quelle über einen sehr hohen Neutronenfluss verfügt, entschlossen sich die Wissenschaftler daher das Experiment am FRM-II durchzuführen.

TUM / OD

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