18.03.2021 • Energie

Was Lithium-Akkus explosiv macht

Neues Modell erklärt die gefährliche Bildung von Dendriten.

Lithium­basierte Batterien sind extrem leistungsfähig – und womöglich hochexplosiv. Beim wiederholten Aufladen eines solchen Akkus bilden sich eventuell Dendriten, die einen Kurzschluss auslösen können. Die Folge: die Batterie geht in Flammen auf. Jetzt haben Chemiker der Universität Ulm ein Modell entwickelt, das erklärt, wie und warum bestimmte Metalle bei der Abscheidung Dendriten bilden. 

Abb.: Illustration der Dendriten­bildung in einer Batterie: Die negative...
Abb.: Illustration der Dendriten­bildung in einer Batterie: Die negative Ladung konzen­triert sich auf den Spitzen von Vorsprüngen und zieht positiv geladene Lithium-Ionen an. Dadurch wachsen Dendriten heran. (Bild: Schmickler, Santos, U.Ulm)

Gerade für die Anfor­derungen der Elektro­mobilität ist die Leistungs­fähigkeit dieser Batterien begrenzt. Das Problem: Um Kurzschlüsse zu vermeiden, sind Lithium-Ionen in Graphit eingelagert, was das Volumen und Gewicht der Akkus erhöht – und die Reichweite entsprechend sinken lässt. Batterien mit einer reinen Lithium-Elektrode hätten zwar eine deutlich höhere Energiedichte, neigen jedoch zur Dendriten­bildung. Diese astartigen Auswüchse entstehen allmählich beim Aufladen der Batterie an der negativen Elektrode. Wenn sie die Gegen­elektrode erreichen, können diese Dendriten im Zusammenspiel mit entflamm­baren Elektro­lyten einen Kurzschluss verursachen – die Batterie brennt ab. Mit diesem Phänomen beschäftigen sich Forscher weltweit. Bisher ist allerdings noch nicht verstanden, warum Metalle wie Lithium Dendriten bilden, Kupfer oder beispiels­weise Silber jedoch nicht. Weitere Materialien formieren die gefährlichen Kristall­strukturen erst bei sehr großer Spannung. Doch jetzt haben Wolfgang Schmickler und Elizabeth Santos vom Institut für Theo­retische Chemie der Universität Ulm ein Modell entwickelt, das die Entstehung der astartigen Dendriten erklärt.

Auf dem Ulmer Supercomputer Justus 2 haben die Forscher quanten­chemische Berechnungen mithilfe einer Weiter­entwicklung der Dichte­funktions­theorie durchgeführt. Ihre Ergebnisse legen folgendes Szenario für die Dendriten­bildung nahe: Jedes Metall verfügt über einen Ladungs­nullpunkt. Wird das Metall bei Potentialen unterhalb dieses Ladungs­nullpunkts – also bei einer negativ geladenen Elektrode – abgeschieden, entstehen die kristall­artigen Dendriten. „Bei der Abscheidung bilden sich immer wieder kleine Unebenheiten wie Vorsprünge auf der Oberfläche. Den Gesetzen der Elektro­statik folgend, konzentriert sich die negative Ladung auf den Spitzen solcher Cluster und zieht die positiv geladenen Lithium-Ionen an. Somit wachsen diese Spitzen weiter und bilden schließlich Dendriten“, erklärt Schmickler.

Darüber hinaus konnten die Forscher ein weiteres Phänomen nachweisen, das zur Dendriten­bildung beiträgt: Die negative Ladung verkleinert die Oberflächen­spannung und fördert damit die Entstehung von Vorsprüngen auf der Oberfläche. Santos und Schmickler vergleichen diesen Vorgang mit Spülmittel, das die Bildung von Blasen im Wasser erleichtert. Diese Erkennt­nisse sind kompatibel mit bisherigen Forschungs­ergebnissen. Allerdings haben Schmickler und Santos mit ihren Berechnungen erstmals ein Modell auf atomarer Ebene entwickelt. Dieses lässt sich auf andere Metalle übertragen und erklärt gleichzeitig, warum beispiels­weise Kupfer keineswegs anfällig für Dendriten ist. „Bei Metallen wie Kupfer oder Silber ist die Oberfläche bei der Abscheidung positiv geladen. Bildet sich dort ein kleiner Vorsprung auf der Oberfläche, sammelt sich eine positive Ladung an. Diese stößt die positiv geladenen Metall-Ionen ab, das Cluster kann nicht weiter wachsen und Dendriten bilden“, erläutert Elizabeth Santos.

Mit ihrem neuen Modell können die Chemiker zeigen, warum einige relevante Materialien Dendriten bilden und andere nicht. Darüber hinaus liefern sie eine Erklärung für die Entstehung der Kristall­strukturen auf atomarer Ebene. „Im Prinzip sagt unser Modell voraus, wie sich die Bildung von Dendriten in auflad­baren Batterien vermeiden lässt. Hierfür wäre allerdings ein Lösungs­mittel erforderlich, das wider­sprüchliche Anforderungen erfüllt. Daher haben unsere Ergebnisse zunächst vor allem theo­retische Relevanz“, betonen die Forscher. 

U. Ulm / JOL

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