20.03.2018

Vom Graphit zum Graphen

Neue Methode ermöglicht Ablösung einzelner Graphenlagen aus Graphitkristall.

Wissenschaftler der Freien Universität Berlin, der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und der Universität Ulm haben gemeinsam die nass­chemische Synthese von Graphen aus Graphit entscheidend voran­getrieben und dabei den zugrunde­liegenden Mechanismus aufgeklärt. Dabei lösten sie das grundsätzliche Problem, eine einzelne Schicht von Graphen aus einem Graphit­kristall herauszulösen.

Abb.: Bei der Funktionalisierung von Graphen sind Schwefelsäure und ein Oxidationsmittel beteiligt. (Bild: S. Seiler et al.)

Dem Team um Siegfried Eigler von der Freien Universität Berlin gelang es, mithilfe chemischer Funktionalisierung einzelne Kohlenstoff­lagen von Graphit zu stabilisieren. Den Mechanismus hat die Gruppe um Bernd Meyer von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg mithilfe von Computer­simulationen belegen können. Dem Team von Ute Kaiser an der Universität Ulm gelang es, die Struktur des nass­chemisch hergestellten Graphens mit atomarer Auflösung mittels Elektronen­strahl­mikroskopie sichtbar zu machen.

Das Verständnis zur chemischen Funktionalisierung von Graphen und dessen Synthese ist entscheidend, um Graphen in Zukunft in hoher Qualität verfügbar zu machen. Derzeit werden große Anstrengungen unternommen, um basierend auf Graphen eine neuartige Elektronik jenseits von Silizium zu entwickeln.

Bei Graphit handelt es sich um eine Schicht­folge einzelner Graphen­lagen, die aus Kohlenstoff bestehen. Die Kohlenstoff­atome sind in Graphen in einem Honig­waben­muster angeordnet; sie stellen ein zwei­dimensionales Material dar, das außer­gewöhnliche elektronische Eigenschaften zeigt. Physikalische Experimente an Graphen haben im Jahr 2010 zum Nobelpreis für Physik geführt.

Der Entwicklung von Elektronik auf der Grundlage von Graphen steht das Problem entgegen, die hierfür notwendigen großen Mengen an Graphen zu gewinnen, da es beinahe unmöglich ist, Graphen aus Graphit unbeschadet zu isolieren. Es ist zwar bekannt, dass der Abstand der einzelnen Graphen­lagen im Graphit erhöht werden kann, jedoch bereitet es nach wie vor Schwierigkeiten, die Graphen­lagen unzerstört und in großen Mengen abzulösen und als einzelne Lagen in Lösung zu stabilisieren. Ohne Stabilisierung würden sich einzelne Graphen­lagen wieder zu Graphit oder undefinierten Kohlenstoff­partikeln zusammenschließen. Dadurch gingen die heraus­ragenden Eigenschaften von Graphen verloren.

Es gelang den Wissenschaftlern nachzuweisen, dass hoch­kristalliner Graphit mit wohl­definierter Schicht­abfolge besonders geeignet ist, um in eine Interkalations­verbindung überführt zu werden, bei der Moleküle und Ionen zwischen den Kohlenstoff­schichten eingelagert werden. Dies gelingt besonders leicht, wenn die Graphen­lagen zusätzlich partiell elektronisch oxidiert, das heißt positiv aufgeladen werden. Molekül­dynamik-Simulationen zeigen, dass die Schicht­folge der Graphen­lagen im Graphit zusammen mit deren elektronischer Oxidation die Reibung der Moleküle zwischen den Lagen drastisch vermindert. Umgekehrt bedeutet dies, dass eine hohe Reibung von Molekülen im Schicht­material deren Beweglichkeit einschränkt und deshalb Graphit nicht aktiviert werden kann.

Die Aktivierung ermöglicht es, Wasser­molekülen im folgenden Schritt mit dem aktivierten Graphit zu reagieren. Dadurch werden Alkoholgruppen auf die Oberfläche von Graphen angebunden, wodurch es möglich wird, einzelne Lagen von Graphen abzulösen und in Wasser zu stabilisieren. Dieses abgelöste polare Graphen lässt sich schließlich auf Oberflächen übertragen und zu ungeladenem Graphen reduzieren. In der Folge konnte das Team um Ute Kaiser von der Universität Ulm am Fach­bereich Material­wissenschaftliche Elektronen­mikroskopie die Struktur des gewonnenen hoch­qualitativen Graphens mit atomarer Auflösung sichtbar machen.

FU Berlin / DE

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