29.03.2022

Visionäre Retrospektive

Eine Ausstellung in Linz würdigt den Physiker Herbert W. Franke, einen originellen Grenzgänger zwischen Naturwissenschaft und Kunst.

„Unsere Gegenwart ist aber keine Zeit der Ruhe. Im Gegenteil, in ihr geschieht so viel, daß der Wandel im Zeitgeschehen noch keiner Generation so deutlich wurde wie der heutigen – Traum wird Wirklichkeit, Ungeahntes selbstverständlich.“ Dies schrieb der gebürtige Österreicher Herbert W. Franke, der nach seiner Promotion in Physik ab 1957 als freier Schriftsteller arbeitete, in seinem Buch „… nichts bleibt uns als das staunen“. Darin wagte er 1959 einen weitgefächerten Blick in die Zukunft von Technik, Wissenschaft, Gesellschaft, Individuum und Kultur.

Frankes Spekulationen sind aus heutiger Sicht immer noch spannend zu lesen, er selbst wandte sich folgerichtig der Science-Fiction-Literatur zu und wurde darüber hinaus zu einem vielseitigen Grenzgänger zwischen Kunst und Wissenschaft, der sich gleichermaßen mit Computerkunst wie Höhlenforschung beschäftigte.

Aus Anlass seines bevorstehenden 95. Geburtstags am 14. Mai würdigt die OÖ Landes-Kultur GmbH in Linz Herbert W. Frankes Leben und außergewöhnliches Werk mit einer Ausstellung, insbesondere zu seinem Wirken als Computerkünstler. Hier gehört er zu den Pionieren der ersten Stunde: Er experimentierte bereits 1952 mit experimenteller, sogenannter generativer Fotografie und nutzte 1954 zuerst einen analogen Computer und dann ab den 1960er-Jahren die ersten Großrechner für seine abstrakte „algorithmische“ Kunst nach mathematischen Prinzipien.

1979 war Franke Mitbegründer der Ars Electronica. Das jährliche Festival in Linz präsentiert und fördert Kunst, die eng mit (digitaler) Technik und gesellschaftlichen Fragestellungen verbunden ist. Von 2012 bis 2015 bestand mit dem CERN im Rahmen des künstlerischen Programms Collide@CERN eine Kooperation.

In den 2000er-Jahren wurde Franke ein Vordenker des Metaverse, mit seiner mit Susanne Päch aufgebauten und betriebenen 3D-Welt „Z-Galaxy“, einem Areal wechselnder Ausstellungen auf der Internet-Plattform „Active Worlds“.

Frankes schriftstellerische Laufbahn begann ebenso wie sein bildkünstlerisches Werk Ende der 1940er-Jahre tief unter der Erde, in den Höhlen Europas. Er hat zahlreiche Großhöhlen im Dachsteinmassiv als Erster erforscht und ist bis ins hohe Alter international aktiv geblieben.

Als theoretischer Physiker befasste er sich nicht nur mit der Entstehung von Tropfsteinhöhlen, sondern auch mit Fragestellungen der Kybernetik und mit Wahrnehmungsprozessen, die zu seiner rationalen Kunsttheorie führten. Seine These, dass es auf dem Mars Höhlen infolge vulkanischer Aktivitäten gibt, bestätigte sich.

Neben zahlreichen Fach- und Sachbüchern entstanden vor allem seine vielfach preisgekrönten Science-Fiction-Stories und -Romane, angefangen 1960 mit „Der Grüne Komet“, einer Sammlung von 65 Kurzgeschichten, in denen er meist auf nur wenigen Seiten futuristische Ideen auslotete, bis zu seinem letzten Roman „Flucht zum Mars“, der 2007 erschienen ist. Eine nüchterne, fast karge Sprache charakterisiert diese Werke, die aber seinem Naturell zwischen wissenschaftlicher Rationalität und abstrakter Imagination sehr entspricht.

Mit der Ausstellung „Herbert W. Franke – Visionär“ lässt sich vom 30. März bis zum 12. Juni ein außergewöhnlicher Brückenschlag zwischen Kunst und Wissenschaft entdecken. Vier Themenräume präsentieren Frankes Arbeiten von den 1940er-Jahren bis heute:

  • Tropfsteine und Bandformen – das mathematische Prinzip der Stetigkeit in Natur und Kunst
  • Kakteen, Fibonacci-Zahlenreihen und Drachenkurven, Rotationen/Projektionen – fraktale Prinzipien und Informationsästhetik
  • Math Art: Bild statt Formel – die visuelle Ästhetik der Mathematik
  • Vom Weltmodell zum Metaverse – zellulare Automaten, fantastische Welten und die Z-Galaxy

Ein Medienraum zeigt digitale Impressionen seiner Arbeiten, während der Archivraum eine Auswahl der Publikationen und Artikel Frankes dokumentiert.  Zum Lebenswerk Herbert W. Frankes plant die OÖ Landes-Kultur GmbH eine mehrteilige Publikation.

Sein Archiv hat Herbert W. Franke im Herbst 2017 dem ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe im Rahmen einer Schenkung übergeben. Es umfasst 22 laufende Meter an Dokumenten und rund 200 Bücher.

Alexander Pawlak
 

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