03.01.2020 • Laser

Unverwechselbarer molekularer Fingerabdruck

Völlig neuartiges Lasermesssystem kann kleinste Veränderungen in der molekularen Zusammensetzung von Organismen erkennen.

Der Mix an Molekülen, der durch unseren Körper strömt, ist einzigartig und individuell. Diese Mischung kann u.a. Aufschluss über den Zustand von Organismen geben. Die große Kunst ist es nur, ihn in seiner ganzen Komplexität auszulesen. Das ist bisher unmöglich, da Messgeräte nicht empfindlich genug sind, um auch nur ansatzweise die Gesamtheit aller Moleküle richtig zu erfassen. Diesem Ziel ist man nun einen Schritt nähergekommen. Wissenschaftler des Labors für Atttosekundenphysik (LAP) am Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ) und der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) haben nun ein weltweit einzigartiges Laser-Messsystem entwickelt, das – quer durch verschiedenste Molekültypen – kleinste Veränderungen in der molekularen Zusammensetzung von biologischen Proben detektieren kann.

Ioachim Pupeza (l.) und Marinus Huber arbeiten an dem neuen Lasersystem. (Bild:...
Ioachim Pupeza (l.) und Marinus Huber arbeiten an dem neuen Lasersystem. (Bild: T. Naeser / MPQ)

In Organismen zirkulieren die verschie­densten Arten von Molekülen. Der Stoffwechsel lässt in den Zellen ständig verschie­denste neue Moleküle entstehen, die auch in die Umgebung, etwa in das Blut, abgegeben werden. Eines der großen Ziele der Biomedizin ist es, diesen Molekülmix detail­liert zu erfassen und so Auskunft über den Zustand des Organismus zu gewinnen. Denn auch entartete Zellen wie etwa Krebs­zellen im menschlichen Körper produzieren ganz charakte­ristische Moleküle. Sie sind oft ein erster Hinweis auf eine Erkrankung. Das Problem dabei ist: Es gibt bisher nur äußerst wenige bekannte solcher Indikatormoleküle, die meist ohnehin in nur äußerst geringer Konzentration im Blut zirkulieren. Dementsprechend schwer ist es, sie nachzuweisen. Biomediziner gehen aber davon aus, dass es sehr viele solcher molekularen Krankheits­signaturen in verschiedensten Molekül­klassen wie Protein-, Zucker oder Fettderivate gibt. Die große Heraus­forderung ist es, sie umfassend und genau genug mit einer einzigen Methode zu detektieren.

Um diesem Ziel näher zu kommen, hat ein interdis­ziplinäres Team aus Physikern, Biologen und Datenwissen­schaftlern des Labors für Atto­sekunden­physik (LAP) der LMU und des Max-Planck-Instituts für Quanten­optik unter der Leitung von Ferenc Krausz ein neues Laser-Mess­system entwickelt. Mit seiner Hilfe ist es möglich, Finger­abdrücke der molekularen Zusammen­setzung biologischer Proben jeglicher Art in Form von Infrarot­licht zu erhalten. Die Technologie arbeitet mit einer bisher noch nie erreichten Empfind­lichkeit und kann für jede Biomolekül­klasse eingesetzt werden.

Das System basiert auf Technologien, die im Labor für Attosekunden­physik für die Ultra­kurzzeit­metrologie entwickelt wurden. Das neue Laser­spektro­meter, gebaut vom Team um den Physiker Ioachim Pupeza, beruht auf der Emission extrem starker Infrarot-Laserpulse über ein breites Spektrum im infraroten Wellenlängen­bereich, die nur Femto­sekunden dauern. Eine Femto­sekunde ist ein Millionstel einer Milliardstel Sekunde. Das Prinzip dahinter: Moleküle werden durch die ultrakurzen Infrarot-Laserpulse zum Schwingen angeregt. Die neue Technologie detektiert dabei die gesamte schwingende Lichtwelle. Jede molekulare Verbindung schwingt bei bestimmten Eigenfrequenzen und trägt damit einen wohldefinierten Anteil zur detektierten Lichtwelle bei. Hier kann sich kein Molekül mehr verstecken.

„Wir haben mit unserem Laser nun einen breiten Wellenlängen-Bereich im Infrarot, von sechs bis zwölf Mikrometer, für die Anregung von Molekülen abgedeckt“, erklärt Marinus Huber, Mitarbeiter im Team von Biologin Mihaela Zigman, das im Labor für Attosekunden­physik ebenfalls an den Experimenten beteiligt war. „Anders als etwa die Massen­spektro­skopie gewährt uns diese Methode Zugang zu allen Molekültypen, aus denen biologische Proben zusammen­gesetzt sind“, erklärt Zigman.

Die kurzen Laserpulse zur Molekülanregung bestehen aus nur wenigen Schwingungen des Lichts. Das System erreicht dabei eine zweimal höhere Strahlungs-Brillanz, also Dichte an Photonen, als konven­tionelle Synchrotrons, in denen bisher Strahlung für ähnliche Molekular­spektroskopie erzeugt wurde. Zudem ist die Infrarot-Strahlung räumlich und zeitlich kohärent. Alle physikalischen Parameter zusammen sind verantwortlich für die extrem hohe Sensitivität des neuen Lasersystems. Somit können auch sehr kleine spezifische Molekül­konzen­trationen detektiert und damit der „molekulare Finger­abdruck“ sehr genau erstellt werden. Die neuen physikalischen Parameter ermöglichen es nun erstmals, wasserhaltige lebende Proben, die bis zu 0,1 Millimeter dick sind, mit Infrarotlicht zu durch­leuchten und dadurch mit bisher nicht dagewesener Empfind­lichkeit zu analysieren. In ersten Experimenten mit der neuen Technologie hat das LAP-Team bereits eine ganze Reihe unter­schied­lichster Proben untersucht.  

„Diese präzise Messung von Veränderungen in der molekularen Zusammen­setzung von Körperflüs­sigkeiten eröffnet neue Möglich­keiten für Biologie und Medizin und könnte künftig insbe­sondere in der Früh­detektion von Krankheiten Anwendung finden,“ sagt Zigman.

MPG & LMU / OD

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