31.07.2020

Und jetzt: Das Weltraumwetter

Physikalische Methode macht Vorhersage von Sonneneruptionen möglich.

Sonneneruptionen können enorme Energien in Form von Röntgen­strahlen und koronalen Masse­auswürfen freisetzen. Insbesondere wenn die hochenergetischen Teilchenströme der Massen­auswürfe auf die Magnetosphäre der Erde treffen, kann dies zu einem geomagne­tischen Sturm führen. Zu dessen Auswirkungen zählen dann nicht nur eindrucks­volle Polarlichter, sondern auch Funkstörungen und Schäden an Stromnetzen und Satelliten. Für die Vorhersage geo­magnetischer Stürme ist eine genaue Kenntnis des Entstehungs­prozesses von Sonnen­eruptionen notwendig – doch daran hapert es bislang. Das könnte sich nun jedoch ändern: Ein Forscherteam aus Japan um Kanya Kusano von der Universität Nagoya präsentiert erstmals eine Vorhersage­methode für Sonnenstürme, die nicht rein empirisch arbeitet, sondern auf einem dezidierten physika­lischen Modell beruht.

Abb.: Sonnen­eruption vom 24. Februar 2014, aufge­nommen vom Solar Dynamics...
Abb.: Sonnen­eruption vom 24. Februar 2014, aufge­nommen vom Solar Dynamics Obser­vatory. (Bild: NASA / SDO)

Sonneneruptionen treten meist im Bereich großer Sonnen­flecken-Gruppen auf – also dort, wo es lokal stark gebündelte Magnetfeld­schläuche gibt, die aus der Photosphäre aufsteigen. In den stark kom­primierten Magnetfeld ist eine große Menge an Energie gespeichert, die durch spontane Umgrup­pierungen der Magnetfeld­struktur – die Rekonnektion – plötzlich in kinetische Energie umgewandelt werden kann und so eine Eruption und einen Massen­auswurf auslöst. Doch was diesen ganzen Prozess letztlich auslöst – und damit auch, was als Frühwarnzeichen für eine Eruption dienen könnte –, ist bislang unbekannt. Entsprechend unsicher ist bislang die Vorhersage für Sonnen­eruptionen. Dabei gehen Sonnenforscher von den bei beobachteten Eruptionen gemessenen Daten über das lokale Magnetfeld aus und vergleichen es mit der jeweils aktuellen Situation in Sonnen­flecken-Gruppen – mit eher mäßigem Erfolg. 

Kusano und seinen Kollegen verfolgten deshalb einen anderen Ansatz und machten sich auf die Suche nach einem physi­kalischen Mechanismus für die Auslösung des Eruptions-Prozesses. Offenbar beginnt alles unmittelbar an der Oberfläche der Photosphäre mit klein­räumigen „Trigger-Rekonnektionen“, bei denen sich jeweils zwei magnetische Schläuche, die sich lokal überschneiden, miteinander verbinden und einen charak­teristischen Doppelbogen bilden. In diesem Doppelbogen ist magnetische Energie gespeichert – und wenn diese einen Grenzwert überschreitet, führt dies zu einer sich selbst verstärkenden magneto­hydrodynamische Instabilität mit sich immer weiter ausbreitenden Umstruk­turierungen des Magnetfelds und damit schließlich zur Freisetzung einer großen Menge an magne­tischer Energie und zur Sonneneruption. 

Das Team testete sein Modell anhand von aktiven Regionen auf der Sonne, die vom SDO zwischen 2008 und 2019 beobachtet wurden. Es gelang ihnen, die meisten der aufgetretenen Sonnen­eruptionen mit einer Vorlaufzeit zwischen einer und 24 Stunden korrekt vorher­zusagen – und zwar nicht nur Ort und Zeitpunkt des Ausbruchs, sondern auch die Richtung des Massen­auswurfs und die Menge an dabei frei­gesetzter Energie. Nur zwei große Eruptionen gingen den Forscher durch die Lappen – bei beiden handelte es sich allerdings lediglich um starke Ausbrüche von Röntgenstrahlung, die nicht mit Massen­auswürfen verbunden waren. Kusano und seine Kollegen zeigen sich daher zufrieden: „Unser Verfahren sagt auf physikalischer Grundlage Sonnen­eruptionen auf der Basis von Magnet­felddaten voraus – unabhängig von der vorherigen Aktivität einer Region.“ Damit rücke eine zuverlässige Vorhersage des Weltraum­wetters in greifbare Nähe. 

Rainer Kayser

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