11.06.2020 • MaterialwissenschaftenPhotonik

Topologisches Metamaterial bestätigt physikalische Theorie

Nichthermitescher Skin-Effekt erstmals experimentell nachgewiesen.

Topologische Metamaterialien werden als eine neuartige Plattform eingesetzt, um außer­gewöhnliche Effekte zu erforschen. Anstatt auf natur­eigene Materialien zurück­zu­greifen, arrangieren Forscher die Bestand­teile eines topo­logischen Meta­materials künstlich zu einer regel­mäßigen Struktur. Diese Anordnung steht in Analogie zu einem Festkörper, bei dem die Atome ein Kristall­gitter formen. Ziel der Meta­materialien ist es oft, besondere Eigen­schaften von Festkörpern zu simulieren und experi­mentell fokussiert zugänglich zu machen.

Abb.: Die Einheitszelle des Schaltkreises enthält zwei Knotenpunkte, an denen...
Abb.: Die Einheitszelle des Schaltkreises enthält zwei Knotenpunkte, an denen die Spannung abgegriffen wird. Ihre Konfiguration wurde periodisch wiederholt, um die Gitterstruktur des Festkörpers nachzubilden. (Bild: JMU)

Während topologische Isolatoren üblicher­weise als abgeschlossene, also hermitesche Systeme betrachtet werden, ist es den Wissen­schaftlern der Uni Würzburg in topolo­gischen Meta­materialien gelungen, den Energie­austausch mit der Umgebung einzu­beziehen. Durch diese Wechsel­wirkungen wird das Verhalten des Systems von außen beeinflusst, so wie es auch bei Reibungs­effekten der Fall wäre. Auf diese Weise konnten sie den in der Theorie vorher­gesagten nicht­hermiteschen Skin-Effekt erstmals experi­mentell bestätigen. Der Effekt besteht darin, dass im Gegensatz zu einem gewöhnlichen topolo­gischen Isolator nicht nur ein Anteil, sondern alle Zustände im Material an dessen Rand auftreten, also dort lokali­siert werden.

„Unsere Forschungsarbeit zeigt unter anderem, dass die physika­lischen Prinzipien, die aus abge­schlossenen Fest­körper­systemen bekannt sind, mithilfe neuer Theorien für den nicht­hermiteschen Fall grund­legend ergänzt werden müssen“, erläutern Tobias Helbig und Tobias Hofmann von der Uni Würzburg. Einen direkten Anwendungs­bezug hätten die neuen Erkenntnisse noch nicht. Sie bergen aber das Potenzial, um zum Beispiel hoch­sensible optische Detektoren zu verbessern.

Um den nichthermiteschen Skin-Effekt experi­mentell nach­zu­weisen, hat das Team elektrische Schalt­kreise mit periodisch angeordneten Schalt­elementen verwendet. Aufgrund der Ähnlich­keit zur regel­mäßigen Kristall­struktur eines Festkörpers werden diese zur Klasse der Meta­materialien gezählt. Als nächstes wollen die Forscher das Zusammenspiel zwischen topolo­gischen Zuständen und nicht­hermitescher Physik weiter unter­suchen. Ein Schwerpunkt wird auf der Frage liegen, inwieweit der Schutz der Zustände durch die Topologie bei Wechsel­wirkungen mit der Umgebung intakt bleibt.

Mittel- bis langfristig will das Team in Richtung Quanten-Hybrid-Schaltkreise gehen, in die es supra­leitende oder andere quanten­mechanische Schaltkreis-Elemente einbetten wird. Solche Schaltkreise bieten eine vielseitige Plattform, um neuartige Phänomene zu entdecken. „Wir wollen außerdem die Erkenntnisse, die wir mit der Plattform der periodischen Schaltkreis­gitter erhalten haben, auf andere Plattformen übertragen“, resümiert Ronny Thomale von der Uni Würzburg. Dazu gehören auch optische Systeme wie photonische Wellen­leiter. Dort könnten topologisch geschützte Zustände in nicht­hermiteschen Systemen perspek­tivisch für verbesserte Signalverarbeitung und Detektoren sowie für die Konstruktion photonischer Quanten­computer relevant werden. Schlussendlich ist die Rückführung neuartiger Effekte auf tatsächliche Festkörper ein wesentlicher Bestandteil der Forschung an topolo­gischen Meta­materialien.

JMU / RK

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