26.03.2020

Topologische Supraleitung im Nanodraht

Hybride Nanodrähte können topologische Phasen mit Majorana-Moden aufweisen.

Topologische Medien können eine Vielzahl exotischer Quantenzustände besitzen, die für eine ganze Reihe von Anwendungs­gebieten von Interesse sind. Dazu gehören insbesondere Majorana-Moden, die einzig­artige Eigenschaften mit sich bringen. Nach den Gleichungen von Ettore Majorana handelt es sich hierbei um fermionische Teilchen oder Quasi­teilchen, die zugleich ihre eigenen Antiteilchen sind. In der Festkörper­physik sind nicht zuletzt Majorana-Nullmoden interessant, die an den Enden eindimensionaler topologischer Supraleiter auftreten. Diese Zustände sollen eine nicht­triviale Verzweigungs­statistik aufweisen. Das macht solche Majorana-Nullmoden interessant für die Quanten­informations­verarbeitung, da auf diese Weise topologisch geschützte Daten­prozessierung möglich werden könnte. Damit ließe sich eines der Grundprobleme beim Bau eines hinreichend großen und leistungs­fähigen Quanten­computers angehen, nämlich die Dekohärenz bei einer wachsenden Anzahl von Qubits.

Abb.: Elektronen­mikroskopische Aufnahme des Nano­drahts aus Indium­arsenid...
Abb.: Elektronen­mikroskopische Aufnahme des Nano­drahts aus Indium­arsenid mit einer dünnen Hülle aus Aluminium. (Bild: S. Vaitiekėnas et al. / AAAS)

Ein Forscherteam mit Beteiligung der Universität Kopenhagen, des Microsoft Quantum Lab und der Yale University hat nun eine interessante neue Möglichkeit aufgezeigt, wie man solche Nanodrähten mit Majorana-Nullmoden herstellen kann. Dabei zeichnet sich ihr System dadurch aus, dass es einerseits mit vergleichs­weise geringen magne­tischen Feldstärken ansprechbar ist. Außerdem sind die Drähte vollständig umhüllt, was die Langlebigkeit erhöht und entsprechend vorteilhaft für die Einsatz­möglichkeiten in künftigen Quanten­computern ist.

Die Forscher konstruierten ihre Nanodrähte aus einem hexagonalen Halbleiter­kern aus Indiumarsenid, der einen maximalen Durchmesser von 130 Nanometern besaß. Dieser Kern war vollständig umschlossen von einer 30 Nanometer dicken Aluminiumhülle. Den Halbleiter­kern erzeugten die Wissenschaftler mittels Molekular­strahl­epitaxie auf einem Indium­arsenid-Substrat, das auf 420 Grad Celsius aufgeheizt war. Damit ließen sich Längen bis hin zu etwa zehn Mikrometern erzielen. Anschließend beschichteten die Forscher die Drahtkerne mit Aluminium, indem sie das Substrat mit den Drähten langsam vor einer Aluminium­dampfquelle rotieren ließen, so dass alle sechs Seiten gleichmäßig mit Aluminium überzogen wurden.

Die Eigenschaften dieser Nanodrähte untersuchten die Forscher mit Hilfe verschiedener Methoden wie Tunnel­spektroskopie und Coulomb-Blockaden-Spektroskopie. Dabei vermaßen sie unterschiedliche lange Draht­segmente von 210 bis 970 Nanometern Länge. Schon bei einer Feldstärke von 0,1 Tesla konnten sie eine topologische Phase finden, die sich aus der Verwindung des Feldes um die supra­leitende Hülle ergab. Die gemessenen Spektren der Coulomb-Blockade wiesen auf eine Längen­abhängigkeit hin, die in Einklang mit der Existenz von Majorana-Moden an den Drahtenden steht. Wie darüber hinaus eine umfangreiche mathematische Analyse zeigte, sollte sich die topologische Supraleit­fähigkeit über einen weiten Bereich des Parameter­raums erstrecken, was entsprechende Freiheiten bei der Gestaltung der Geometrie solcher Nanodrähte ermöglicht. 

Vollständig ummantelte Nanodrähte haben durchaus auch Nachteile. So lässt sich die Elektronen­dichte nicht durch einen elektrischen Kontakt im Halbleiter-Kern einstellen. Stattdessen lässt sich aber durch eine sorgfältige Wahl der Drahtparameter – vor allem des Radius – sicher­stellen, dass Majorana-Nullmoden bei einer bestimmten Magnet­feldstärke auftreten. Solche voll ummantelten Nanodrähte könnten künftig mit mehreren Vorteilen punkten. Einerseits ist der Übergang zu topo­logischem Verhalten durch die feld­induzierte Verwindung des Supraleitung-Ordnungs­parameters gegeben und nicht durch Material­effekte wie etwa den Zeeman-Effekt. Deshalb müssen die eingesetzten magne­tischen Feldstärken nicht allzu stark sein, so dass rund 0,1 Tesla schon ausreichen. Das vereinfacht nicht nur die Integration solcher Drähte in ein Quanten­computing-System, sondern erhöht auch die Auswahl an möglichen Materialien deutlich, mit denen man arbeiten kann. Darüber hinaus wird der Nanodraht durch die feste Ummantelung von unerwünschtem Kontakt mit der Umgebung geschützt, was sich bei solch winzigen Drähten besonders schnell bemerkbar machen kann. So lassen sich wachsende Unreinheiten oder Oberflächen­dotierungen vermeiden. 

Diese Kombination von Eigenschaften – mäßige Anforderungen an die Magnet­felder und Schutz des Halbleiter­kerns vor Verun­reinigungen – macht die Forscher zuver­sichtlich, hier ein zukunfts­trächtiges Modellsystem ausgewiesen zu haben, mit dem sich das Zusammenspiel von meso­skopischen und topo­logischen Quanten­eigenschaften testen lässt.

Dirk Eidemüller

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