21.10.2021

Topologische Isolatoren unter Terahertz-Strahlung

Elektronen im Material reagieren je nach Position sehr unterschiedlich.

Topo­logische Isolatoren leiten Strom auf eine besondere Weise und versprechen neuartige Schaltkreise und einen schnelleren Mobilfunk. Ein Forschungs­team aus Deutschland, Spanien und Russland hat nun unter Federführung des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf HZDR eine grundlegende Eigenschaft der neuen Werkstoff­klasse enträtselt: Wie im Detail reagieren die Elektronen im Material, wenn sie mit kurzen Pulsen Terahertz-Strahlung aufgeschreckt werden? Die Resultate sind nicht nur für das fundamentale Verständnis dieser neuartigen Quanten­materialien wichtig, sondern könnten künftig für eine schnellere mobile Daten­kommunikation sorgen oder in hochempfindlichen Detektor­systemen für die Erkundung ferner Welten eingesetzt werden.

Abb.: Terahertz-Pulse treffen auf einen topo­logischen Isolator. Sie regen die...
Abb.: Terahertz-Pulse treffen auf einen topo­logischen Isolator. Sie regen die Elektronen an, deren mögliche Zustände durch Energie­bänder vorgegeben sind. Die Bänder im Innern des Materials sind ausgedehnt und weisen eine große Energie­lücke auf. (Bild: Juniks, HZDR)

Topo­logische Isolatoren leiten an ihrer Oberfläche Strom nahezu verlustfrei, wogegen ihr Inneres als Isolator fungiert. Für die Zukunft verspricht das interes­sante Per­spektiven: Topologische Isolatoren könnten als Grundlage für hoch­effiziente elektronische Bauteile dienen. Noch aber sind einige grundlegende Fragen offen: Was zum Beispiel geschieht, wenn man die Elektronen im Material mit Terahertz-Strahlung ener­getisch anregt? Die Elektronen wollen den zwangsweise verpassten Energie­schub möglichst rasch wieder loswerden, etwa indem sie das Kristallgitter um sich herum erwärmen. Doch bei den topo­logischen Isolatoren war bislang fraglich, ob dieser Prozess in der leitenden Oberfläche schneller passiert als im isolierenden Kern. „Um das festzustellen, mangelte es bisher an geeigneten Experimenten“, erklärt Sergey Kovalev vom Institut für Strahlen­physik am HZDR. „Bislang war es extrem schwierig, bei Raum­temperatur zwischen der Reaktion der Oberfläche und der des Material­inneren zu unterscheiden.“

Um diese Hürde zu überwinden, entwickelte er gemeinsam mit einem inter­nationalen Team einen raffi­nierten Versuchsaufbau: Intensive Terahertz-Pulse treffen auf die Probe und regen die Elektronen an. Unmittelbar darauf beleuchten Laser­blitze das Material und erfassen, wie die Probe auf den Terahertz-Reiz reagiert. In einer zweiten Versuchsreihe messen spezielle Detektoren, inwieweit die Probe einen ungewöhnlichen nicht­linearen Effekt zeigt und die eintreffenden Terahertz-Pulse in ihrer Frequenz vervielfacht. Diese Experimente führte Kovalev an der Terahertz-Licht­quelle TELBE im ELBE-Zentrum für Hochleistungs-Strahlen­quellen des HZDR durch. Daran beteiligt waren Forschende des Kata­lanischen Instituts für Nano­wissenschaften und Nanotechnologie in Barcelona, der Universität Bielefeld, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), der TU Berlin sowie der Lomonos­sov-Universität und dem Kotelnikov-Institut für Funktechnik und Elektronik in Moskau.

Entscheidend war dabei, dass das Team nicht nur ein einziges Material unter die Lupe nahm. Stattdessen stellten die russischen Projektpartner drei verschiedene topo­logische Isolatoren mit unterschiedlichen, genau abgestimmten Eigen­schaften her: In einem konnten nur die Elektronen an der Oberfläche die Energie der Terahertz-Pulse direkt aufnehmen, in den anderen wurden hauptsächlich Elektronen im Proben­inneren angeregt. „Der Abgleich dieser drei Experimente erlaubte es, präzise zwischen dem Verhalten der Oberfläche und der des Materialinneren zu unter­scheiden“, erklärt Kovalev. „Und zwar haben sich die Elektronen in der Oberfläche deutlich schneller abgeregt als die im Inneren des Materials.“ Offenbar waren sie in der Lage, ihre Energie unverzüglich auf das Kristall­gitter des Materials zu übertragen. 

Waren die Oberflächen-Elektronen nach wenigen hundert Femto­sekunden in ihren ursprünglichen energetischen Zustand zurückgekehrt, dauerte dies bei den inneren Elektronen rund zehnmal so lange, also einige Piko­sekunden. „Topo­logische Isolatoren sind hochkomplexe Systeme, sie sind theoretisch alles andere als einfach zu verstehen“, betont Michael Gensch, ehemals Leiter der TELBE-Anlage am HZDR und nun Abteilungs­leiter am Institut für Optische Sensorsysteme des DLR. „Unsere Resultate können bei der Entscheidung helfen, welche der theoretischen Ideen zutreffend sind.“ Doch das Experiment verspricht auch interes­sante Perspek­tiven für die digitale Kommuni­kation, etwa für WLAN und Mobilfunk. Technologien wie 5G arbeiten heute im Gigahertz-Bereich. Ließen sich höhere Frequenzen im Terahertz-Bereich nutzen, könnte man deutlich mehr Daten über einen Funkkanal übertragen. Eine wichtige Rolle könnten dabei Frequenz­vervielfacher spielen: Sie sind in der Lage, relativ niedrige Funkfrequenzen in deutlich höhere zu übersetzen. 

Vor einiger Zeit hatte das Forschungsteam erkannt, dass Graphen unter bestimmten Bedingungen als effizienter Frequenz­vervielfacher dienen kann. Es vermag eine 300-Gigahertz-Strahlung in Frequenzen von einigen Terahertz zu konver­tieren. Das Problem: Ist die eintreffende Strahlung extrem intensiv, verliert Graphen stark an Effizienz. Topologische Isolatoren dagegen funk­tionieren selbst noch bei intensivster Anregung. „Damit könnte es möglich sein, Frequenzen von einigen Terahertz auf mehrere Dutzend Terahertz zu multiplizieren“, sagt Physiker Jan-Christoph Deinert, der das TELBE-Team gemeinsam mit Kovalev leitet. „Bisher sehen wir da bei den topo­logischen Isolatoren noch kein Ende.“ Damit könnten die neuen Quanten­materialien in einem deutlich breiteren Frequenzbereich eingesetzt werden als etwa Graphen. „Am DLR haben wir ein großes Interesse daran, solche Quanten­materialien in leistungs­fähigen Heterodyn-Empfängern für die Astronomie, ins­besondere in Weltraum­teleskopen, einzusetzen“, erläutert Gensch.

HZDR / JOL

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