30.09.2022

Terahertzstrahlung aus dem Supraleiter

Anomale Emission von Terahertz-Strahlung aus speziell geordneten Kupferoxiden beobachtet.

Warum leiten einige Materialien elektrische Ströme nur dann widerstandslos, wenn sie auf nahezu den absoluten Nullpunkt abgekühlt sind, während andere dies bei vergleichsweise hohen Temperaturen tun? Diese Schlüssel­frage beschäftigt die Supra­leiter­forschung schon seit Jahren. Nun haben Forscher aus der Gruppe von Andrea Cavalleri am Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie (MPSD) in Hamburg nachgewiesen, dass eine elektronische Ordnung in Form von Streifen in bestimmten Cuprat­verbindungen zu einer Brechung der Kristall­symmetrie des Materials führen kann, die auch im supraleitenden Zustand bestehen bleibt.

 

Abb.: Hochtemperatur­supra­leitende Cuprate emittieren Terahertz-Strahlung,...
Abb.: Hochtemperatur­supra­leitende Cuprate emittieren Terahertz-Strahlung, sobald ihre Oberfläche mit ultra­kurzen optischen Impulsen beleuchtet wird – aber nur in Verbindungen, in denen Supra­leitung und Ladungs­streifen­ordnung nebeneinander bestehen. (Bild: J. Harms, MPSD)

Das Team konzentrierte sich auf eine Reihe von Cupraten und untersuchte die Koexistenz und Konkurrenz des supraleitenden Zustands mit anderen Quanten­phasen. Solche Wechsel­wirkungen gelten als entscheidend für das Verständnis der Hoch­temperatur­supraleitung – ein Prozess, der bis heute eines der wichtigsten ungelösten Probleme der Physik der kondensierten Materie darstellt.

Die Forscher setzten eine Reihe von Cuprat­kristallen, die in den Brookhaven National Labs gezüchtet und charakterisiert wurden, ultrakurzen Laserlichtimpulsen aus. Sie beobachteten, dass diese Materialien eine bestimmte Art von Tera­hertz­licht auszusenden begannen – eine Technik, die als Terahertz-Emissions­spektroskopie bekannt ist. Normalerweise treten diese Art von Emissionen nur bei dem Vorhandensein einer externen Stimulanz wie etwa der eines Magnetfelds oder eines polarisierenden Stroms auf. Das MPSD-Team untersuchte die Cuprate jedoch ohne externe Stimulanz und entdeckte bei einigen von ihnen eine anomale Terahertz-Emission. Eine Gemeinsamkeit der untersuchten Verbindungen ist dabei eine Ordnung die als „charge-stripe order“ klassifiziert wird, bei der sich die Elektronen in Kettenmustern anordnen, anstatt sich frei zu bewegen. Diese intrinsische Ordnung scheint dabei die Kristallsymmetrie des Materials zu brechen, in der gleichen Art und Weise, wie es ein Magnetfeld oder ein angelegter Strom tun würde. Überraschend dabei ist, dass diese Symmetrie­brechung im supra­leitenden Zustand bestehen bleibt.

„Bei Experimenten mit verschiedenen Verbindungen waren wir sehr überrascht, dass wir in einigen Supraleitern eine klare kohärente und fast einfarbige Terahertz-Emission fanden, während sie in anderen völlig fehlte“, sagt Daniele Nicoletti, der Hauptautor der Studie. „Wir konnten die Terahertz-Emissions­charakteristik mit ziemlicher Sicherheit mit dem Vorhandensein einer Ordnung der Ladungsträger als ‚charge-stripe order‘ in Verbindung bringen – einer besonderen geordneten Phase, die in verschiedenen Cupratfamilien auftritt und von der man annimmt, dass sie eine Rolle bei dem der Hoch­temperatur­supraleitung zugrunde liegenden Mechanismus spielt. Diese Ordnung verursacht wahrscheinlich einen Symmetriebruch im Supraleiter, dessen Vorhandensein mit anderen experimentellen Techniken in der Vergangenheit nicht nachgewiesen werden konnte.“

In Zusammenarbeit mit Physikern der Harvard University, der ETH Zürich und der Theorie­abteilung des MPSD hat das Team eine detaillierte Erklärung für diese Phänomenologie gefunden. Ausgehend von der Beobachtung, dass die kohärente Terahertz-Emission sehr nahe an der Josephson-Plasma-Frequenz auftritt, also der Resonanz-Tunnelfrequenz von supra­leitenden Elektronen­paaren durch die Kupfer-Sauerstoff-Ebenen, identifizierten die Forscher Oberflächen-Josephson-Plasmonen als Quelle der Emission. Dabei handelt es sich um Analoga von Schallwellen, die an der Grenzfläche zwischen dem Supraleiter und der äußeren Umgebung entstehen. Normalerweise sind Oberflächen-Josephson-Plasmonen stille Moden, sie wechselwirken nicht direkt mit Licht und können daher auch kein Licht emittieren. Die Ordnung der Elektronen in Streifen induziert aber eine Kopplung und ermöglicht das Wechselwirken dieser Moden mit Licht, einschließlich der Emission.

Die Arbeit des Teams liefert wichtige neue Erkenntnisse über die Prozesse, die zur Hoch­temperatur­supraleitung führen. Sie zeigt auch, dass die kohärente anomale Terahertz-Emission sich als sensibles Instrument eignet, um die Symmetrie von Supraleitern in Gegenwart anderer Phasen zu untersuchen. Die Forscher sind der Ansicht, dass diese Methode in Zukunft auf eine breitere Klasse von Verbindungen angewandt werden sollte, um das Verständnis der komplexen Wechselwirkungen in diesen Materialien zu vertiefen.

MPSD / DE

 

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