12.05.2021

Tausend Quantenbits als Ziel

Verbundprojekt Miqro nimmt die Entwicklung eines leistungsstarken Quantencomputers in Angriff.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat den Antrag für das Verbundprojekt Miqro bewilligt und damit den Startschuss für ein bahnbrechendes Forschungsprojekt mit einer Förderung von 15,8 Millionen Euro gegeben. Der Siegener Anteil beträgt 7,1 Millionen Euro. Das Projekt hat große Ziele: Die Entwicklung eines zukunfts­weisenden Quanten­computers basierend auf Hochfrequenz-gesteuerten Ionen. Das kooperative Forschungs­projekt zwischen der Universität Siegen, der Leibniz Universität Hannover, der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, der Quartig GmbH sowie der eleQtron GmbH als assoziiertem Partner ist auf vier Jahre angelegt und wird vom Siegener Christof Wunderlich koordiniert. Der in diesem Projekt entwickelte und betriebene Quanten­computer wird im Anschluss an das Projekt auf tausend Quantenbits skalierbar sein und damit vielfältigen industriellen und akademischen Anwendungen den Weg bereiten, die jenseits der Möglichkeiten von klassischen Supercomputern liegen.

 

Abb.: Künstlerische Darstellung eines Chips (Bild: U. Siegen)
Abb.: Künstlerische Darstellung eines Chips (Bild: U. Siegen)

„Das Rektorat freut sich gemeinsam mit Professor Wunderlich über diese Bewilligung. Damit wird ein wichtiges und aktuelles Forschungsfeld der an der Universität Siegen fest verankert. Die Quantenoptik und die Quanteninformationstheorie sind auf der einen Seite heiße Themen in der naturwissenschaftlichen Grundlagenforschung, auf der anderen Seite können sich hieraus sehr schnell auch Anwendungen wie beispielsweise Quantencomputer entwickeln, die revolutionäre Veränderungen unseres Alltages – vergleichbar mit der Entwicklung des Internets – nach sich ziehen“, erklärt Thomas Mannel, Prorektor für Forschung.

Quantencomputer sollen Probleme lösen, für die selbst die modernsten Supercomputer von heute nicht leistungsfähig genug sind. In einem Quanten­computer werden Informationen in Quantenbits gespeichert und verarbeitet, welche gleichzeitig die Werte 0 und 1 annehmen können. Herkömmliche Computer arbeiten mit klassischen Bits, die nur die Werte 0 oder 1 annehmen können. Diese Gleichzeitigkeit, die sogenannte Quanten­parallelität, ist ein wesentliches Merkmal von Quanten­computern und ermöglicht ihnen die effiziente Lösung von komplexen Problemen, welche auch für die besten Bit-basierten Supercomputer praktisch unlösbar bleiben werden. Mögliche Anwendungen für eine derartige Rechenleistung sind vielfältig: in Materialwissenschaften, Chemie oder Pharmakologie ist die Berechnung von höchst komplexen Fragestellungen ein anhaltendes Problem, in der Logistik oder im Finanzwesen gibt es vielschichtige Optimierungs­probleme. Quantencomputer versprechen hier weitreichende Lösungen.

Zwar lassen sich einige spezifische Aufgaben mit bereits existierenden Quantencomputern bereits berechnen, wirklich ausnutzen lässt sich die potentielle Leistungs­fähigkeit von Quantenrechnern bisher jedoch noch nicht. Kernproblem heutiger Ansätze ist die Skalierung der existierenden Anlagen auf Größen, mit denen sich Rechenprobleme lösen lassen, für die auch die modernsten Supercomputer und Rechencluster zu langsam sind.

Herzstück des hier angestrebten, universellen Quantencomputers ist ein innovatives Quantenkernmodul auf Basis von gespeicherten Ionen mit bis zu 32 Qubits, der den Grundbaustein für ein künftiges Quanten­computer­system bildet. Mithilfe des Moduls lässt sich ein leistungsfähiger Quantencomputer ohne Technologie­brüche auf bis zu tausend Qubits skalieren. Der neuartige Ansatz zur Kontrolle der quanten­logischen Operationen durch Hochfrequenz(HF)-Wellen hat nicht nur zahlreiche Vorteile gegenüber supraleitenden Systemen, die unter anderem von Größen wie Google oder IBM angestrebt werden, sondern auch gegenüber konventionellen Ionenfallen-basierten Quanten­computer­entwürfen, die aufgrund ihrer komplexen Laseranlagen schwerer skalierbar sind. „Das MAGIC-Konzept verwendet mit gespeicherten Ionen perfekt reproduzierbare Qubits mit stark reduzierten Kühlanforderungen“ erläutert Wunderlich. „Es ermöglicht sehr gut integrierbare Hoch­frequenz­elektronik für die Steuerung der Qubits. Zudem wird die Kopplung vieler Qubits in einem Quantenkern die auszuführenden Quanten­algorithmen enorm beschleunigen – bei unerreicht kleinem Übersprechen zwischen den Qubits.“

Die in Miqro (skalierbarer Quantencomputer mit Hochfrequenz-gesteuerten gespeicherten Ionen) entwickelten Konzepte, Methoden und Technologien führen zur Verwirklichung eines eingehend charakterisierten, frei programmierbaren Quanten­computers mit bis zu 32 Qubits hoher Güte. Dieser Quanten­computer soll nach Projektende in Siegen betrieben und für Nutzer aus der Wissenschaft und der Industrie online verfügbar gemacht werden. Zudem bildet er den Grund­baustein für ein künftiges Quanten­computersystem, welches sich auf bis zu tausend Qubits skalieren lassen wird und so neue industrielle und akademische Anwendungen ermöglicht.

Schon während des Forschungsprojekts soll mit der industriellen Auswertung der entworfenen Plattform durch den assoziierten Partner eleQtron GmbH begonnen werden. So ist geplant, die entwickelte Technologie in Kooperation mit den Partnern des Konsortiums zu einem Prozessor mit mehreren Kernen auszubauen. Ziel ist es, einen Quantencomputer mit echter Quanten­überlegenheit zur Marktreife zu bringen, der Industriekunden und öffentlichen Bedarfsträgern zugänglich gemacht werden kann, und so nicht nur den Weg für neuartige und innovative Produkte der Zukunft ebnet, sondern auch Deutschland und Europa als Wirtschaftsstandort stärkt.

Innerhalb des Verbundprojekts sollen die Expertisen der beteiligten Verbundpartner optimal zum Einsatz kommen. So wurde an der Universität Siegen die konzeptuelle Grundlage der hier angestrebten Durchführung von quantenlogischen Operationen, dem Magnetic Gradient Induced Coupling (MAGIC), entwickelt und demonstriert. Gemeinsam mit dem Institut für Quantenoptik der Leibniz Universität Hannover unter Leitung von Christian Ospelkaus sollen nun die Chips spezifiziert und entwickelt werden, die die bewährte MAGIC-Methode um neue leistungsfähige, mikro­strukturierte Ionenspeicher erweitert. Damit werden die innovativen Mikro­fabrikations­verfahren und Erfahrungen mit der Herstellung von Ionenfallen der LUH für das Verbundprojekt eingebracht.

Mit Experten auf dem Gebiet der Vermessung und Rekonstruktion von Quantenzuständen ist die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf mit Martin Kliesch als Theoriepartner optimal aufgestellt, die notwendigen Charakterisierungs- und Verifizierungs­methoden zu entwickeln und zu implementieren. Für die elektronischen Kontrollsysteme der Anlagen baut Miqro auf den führenden Entwicklungen der Quartig GmbH unter Leitung von Robert Jördens auf, deren Steuer­software­plattformen Artiq und Sinara bereits heute weltweit von Forschungsgruppen zur Steuerung von Quanten­technologien eingesetzt werden und ein breites Anforderungs­profil mit Komponenten industrieller Qualität abdecken.

U. Siegen / DE

 

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