14.10.2021 • VakuumPlasmaOberflächen

Supraschmierung verbannt Reibung aus Motoren

Neue Maschinen sollen kaum noch Energie als Abwärme vergeuden.

Damit Elektrofahrräder künftig mit einer Akku­ladung weiter­kommen als bisher und Industrie­maschinen Strom fast voll­ständig in Bewegung umsetzen können, arbeitet das Fraun­hofer-Institut für Werk­stoff- und Strahl­technik IWS Dresden gemeinsam mit Industrie- und Forschungs­partnern an nahezu reibungs­freien Motoren und Getrieben. Im Rahmen der Verbund­projekte „Prometheus“ und „Chephren“ wollen die Forschenden durch verbesserte super­harte Kohlenstoff­beschichtungen die Energie- und Öko­bilanz von Autos und anderen Maschinen deutlich verbessern.

Abb.: Für Supra­schmie­rung spielen extrem harte „Diamor“-­Schichten...
Abb.: Für Supra­schmie­rung spielen extrem harte „Diamor“-­Schichten auf Kohlen­stoff-Basis eine Schlüssel­rolle. Zusätzlich ver­setzt mit Fremd­atomen wie etwa Bor, kön­nen sie be­stimmte Schmier­stoff­mole­külen binden, im lau­fen­den Betrieb ultra­schmie­rende Grenz­flächen er­zeu­gen und die Rei­bung im Motor im Ver­gleich zu heute etwa hal­bie­ren. (Bild: Jürgen Jeib­mann/Fraun­hofer IWS Dresden)

Beim konsequenten Einsatz von Supra­­schmierung in Motoren und Getrieben von Autos, Bussen und Last­kraft­wagen sowie im allgemeinen Maschinen­­bau könnte der globale CO2-Ausstoß um mehrere hundert Millionen Tonnen pro Jahr sinken. Verschleiß­schäden sowie Wartungs- und Schmier­­mittel­­kosten würden sich deutlich verringern. „Techno­logische For­tschritte, insbesondere mit extrem gleit­fähigen Kohlenstoff­­schichten, sollen es nun endlich ermöglichen, Reibung fast voll­ständig aus technischen Systemen zu verbannen“, betont Dr. Volker Weihnacht, der am Fraunhofer IWS die Abteilung für Kohlenstoff­­schichten leitet. „Wir wollen dabei besonders umwelt­freundliche Schmier­stoffe einsetzen. Miteinander kombiniert können diese Techno­logien einen wichtigen Beitrag leisten, damit Fahrzeuge und andere Maschinen effizienter arbeiten und weniger Ressourcen verschwenden.“

Das vom Bundes­wirtschafts­ministerium geförderte Projekt „Reibungs-Optimierung von Motoren durch Einsatz von tribo­aktiven Hoch­leistungs­kohlenstoff- sowie Eisen­basis­schichten und Schmier­stoffen“ (Prometheus) baut auf der Kohlen­stoff-Schicht­technologie des Fraunhofer IWS auf und zielt auf besonders effiziente ultra­schmierende Motoren für Autos, Busse und Lastkraftwagen sowie sehr reibungs­arme Gasmotoren. Die Partner im Konsortium repräsen­tieren daher auch einen breit gefächerten Ausschnitt der deutschen Industrie und industrie­nahen Forschung. Dazu gehören neben dem Konsortial­führer Federal Mogul und dem Fraunhofer IWS beispiels­weise BMW, MAN, MTU, Fuchs Schmier­stoffe, VTD Vakuum­technik Dresden und die TU Dresden.

Das Konzept: Die Ingenieure versetzen die bereits reibungs­armen Diamor-Schichten im Motor zusätzlich mit Fremd­atomen zum Beispiel aus Molybdän oder Bor. Dafür ersetzen sie beim Vakuum­bogen-Verdampfen die bisherigen reinen Graphit- mit neuen Komposit-Elektroden. Im Motor verbinden sich die Dotier­materialien dann chemisch mit bestimmten Schmierstoff­molekülen und erzeugen im laufenden Betrieb ultraschmierende Grenzflächen. Im Vergleich zu heutigen Lösungen sollen sie die Reibung im Motor halbieren. Die Forschungs­gruppe schätzt, dass reibungs­ärmere Motoren allein in Deutschland jährlich bis zu zwei Terra­watt­stunden Energie und damit rund 520 Kilotonnen CO2 einsparen könnten. Das entspricht in etwa der Energie, die 800 000 Zwei­personen­haus­halte in einem Jahr verbrauchen. Die ersten ultra­schmierenden Prometheus-Motoren treiben voraus­sichtlich ab etwa 2025 Serien­fahrzeuge an.

„Mit heutigen Schmier­stoffen ist aller­dings noch keine Supra­schmierung in Verbrennungs­motoren möglich“, räumt Volker Weihnacht ein. „Aber wir sind zu­ver­sichtlich, dass sich das in Zukunft mit besonders umwelt­freundlichen neuen Schmier­stoffen auf Basis von Fett­säuren oder Wasser ändert.“

Abb.: In Laser-ArcTM-Anlagen entsteht zum Beispiel auf Kolben­ringen eine...
Abb.: In Laser-ArcTM-Anlagen entsteht zum Beispiel auf Kolben­ringen eine wenige Mikro­meter dünne Schicht aus „tetra­edisch amorphem“ Kohlenstoff, ab­ge­kürzt ta-C. Diese Schichten sind sehr hart und nach einer mecha­nischen Politur auch sehr glatt. (Bild: Fraunhofer IWS Dresden)

Das noch junge Verbund­projekt für die „CHEmisch-PHysikalische Redu­zierung der Reibungs­ENergie“ (Chephren) geht noch einen Schritt weiter als Prometheus und zielt auf eine echte Supra­schmierung ab. Der Fokus liegt hier weniger auf Ver­brennungs­motoren, sondern auf jeglichen technischen Systemen. Dazu gehören beispiels­weise die Getriebe und Lager batterie­elektrischer Autos und Fahrräder ebenso wie Antriebs­ketten von Mäh­dreschern oder die Viel­zahl der beweg­lichen Kompo­nenten in Werkzeug­maschinen. Um bis zur Supra­schmierung vorzustoßen, wollen die Partner bessere Schmier­stoffe einsetzen, vor allem aber die Qualität der Kohlen­stoff­schichten noch einmal deutlich verbessern. In Zukunft sollen diese Schichten selbst ohne Nach­polier­schritte frei von Defekten und Un­eben­heiten sein. Bisher entstehen solche Rauheiten noch durch un­erwünschte Neben­effekte bei der Licht­bogen­ver­dampfung: Neben dem feinen Plasma, das nur einzelne Ionen und Elektronen enthält, löst die Bogen­entladung auch mikro­meter­große Kohlen­stoff­stücke aus den Elek­troden. Die erzeugen dann eine zwar mikro­skopisch kleine, aber eben nicht super­glatte Hügel­land­schaft auf dem Bauteil. Dagegen entwickelt das Fraunhofer IWS nun im Zuge des Chephren-Projekts neue Plasma-Super­filter: Statt das Plasma von der Elektrode direkt auf die Bauteile zu schießen, bewegt sich das entzündete Gemisch aus Plasma und Partikeln zunächst in eine andere Richtung der Vakuum­kammer. Elektrische Felder lenken dann nur die geladenen Teilchen – eben die fein­verteilten Ionen im Plasma – zum Ziel, während die größeren, un­gela­denen Partikel in eine andere Richtung fliegen.

Etwa gegen Ende des Jahrzehnts sollen die supra­schmierenden »Chephren«-Bauteile serien­reif sein. Bereits jetzt ist das Interesse aus der Wirt­schaft groß. Das lässt sich auch an der breiten Betei­ligung am Verbund­projekt ablesen. Mit an Bord sind unter anderen BMW, Wittensteine SE, VTD Vakuum­technik Dresden, IWIS München und Fuchs Schmier­stoffe aus Mann­heim sowie als Förder­mittelgeber das Bundes­wirt­schafts­ministerium.

Abb.: Reibungs­ärmere Moto­ren könn­ten nach Schät­zun­gen der...
Abb.: Reibungs­ärmere Moto­ren könn­ten nach Schät­zun­gen der For­schungs­gruppe allein in Deutsch­land jährlich bis zu zwei Terra­watt­stun­den Ener­gie und damit rund 520 Kilo­ton­nen CO2 ein­sparen. Im Blick stehen aber nicht Mo­toren­kompo­nenten, wie etwa Kolben­bolzen, sondern poten­ziell alles, was sich in techn­ischen An­lagen bewegt und somit Rei­bung erzeugt. (Bild: Fraun­hofer IWS Dresden)

Auch in der wissen­schaft­lichen Fach­welt stoßen die Dresdner Fort­schritte in der angewandten Reibungs­lehre (Tribologie) auf große Resonanz. Ein Beispiel: Den renommierten „GfT Förderpreis 2021“ der Gesell­schaft für Tribo­logie in der Kategorie Disser­tation erhält in diesem Jahr Dr. Stefan Makowski, Gruppen­leiter für Schicht­charakte­risie­rung im Fraun­hofer IWS. In seiner Promotion hatte Makowski die Wechsel­wirkung von tetra­edrisch amorphen Kohlen­stoff­schichten mit fett­säure­basierten Schmier­stoffen untersucht. Damit trug er zu einem tieferen Ver­ständnis von Supra­schmierung und tribo­chemischem Ver­schleiß bei, die in den Projekten Prometheus und Chephren eine Schlüssel­rolle spielen.

IWS / LK

 

 

 

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