20.10.2022

Stellare Staubringe

Doppelsternsystem mit Wolf-Rayet-Stern erzeugt Vielzahl konzentrischer Staubringe.

Ein neues Bild des James-Webb-Weltraum­teleskops (JWST) offenbart einen bemerkenswerten kosmischen Anblick: mindestens 17 konzentrische Staubringe, die von einem Sternenpaar ausgehen. Dieses Sternsystem befindet sich in etwas mehr als 5000 Lichtjahren Entfernung in Richtung des Sternbilds Cygnus (Schwan) und ist unter dem Namen Wolf-Rayet 140 (WR 140) bekannt. Die Ringe entstanden jeweils beim geringsten Abstand beider Sterne auf ihrer Umlaufbahn durch Kollision der Sternwinde (Gasströme, die sie ins All blasen). Dadurch wurde das Gas komprimiert und es bildete sich Staub. Die Umlauf­bahnen der Sterne bringen sie etwa alle acht Jahre zusammen; wie die Ringe eines Baumstamms markieren die Staubschleifen den Lauf der Zeit.

 

Abb.: Die beiden Sterne bei Wolf-Rayet 140 erzeugen alle acht Jahre bei ihrer...
Abb.: Die beiden Sterne bei Wolf-Rayet 140 erzeugen alle acht Jahre bei ihrer größten Annäherung ring­förmige Staub­schalen. Dabei kollidieren die Stern­winde, wodurch das Gas komprimiert wird und zur Entstehung von Staub führt. (Bild: NASA / ESA / CSA / STScI / JPL-Caltech)

„Wir sehen die Staubproduktion über mehr als ein Jahrhundert in diesem System“, sagt Ryan Lau, Astronom am NOIRLab der National Science Foundation, der Erstautor einer neuen Studie über das System. „Das Bild zeigt auch, wie empfindlich das JWST ist. Früher konnten wir mit bodengebundenen Teleskopen nur zwei Staubringe sehen. Jetzt sehen wir mindestens 17 davon.“

Zusätzlich zur allgemeinen Empfindlichkeit des James-Webb-Teleskops ist sein „Mid-Infrared Instrument“ (MIRI) in einzigartiger Weise geeignet, die Staubringe zu untersuchen, die Lau und seine Kollegen als Schalen bezeichnen, da sie in Wirklichkeit dicker und breiter sind als sie auf dem Bild erscheinen. Die wissenschaftlichen Instrumente des Teleskops erfassen infrarotes Licht, einen Bereich von Wellenlängen, der für das menschliche Auge unsichtbar ist.

MIRI, das zuvor vom „Jet Propulsion Laboratory“ für die NASA verwaltet wurde, erkennt die längsten Infrarot-Wellenlängen, was bedeutet, dass es im Vergleich zu den anderen Instrumenten des JWST oft kühlere Objekte sehen kann, darunter auch die Staubringe. Das MIRI-Spektrometer enthüllte auch die Zusammensetzung des Staubs, der größtenteils aus Material besteht, das von einem Sterntyp ausgestoßen wird, der als Wolf-Rayet-Stern bekannt ist.

Ein Wolf-Rayet-Stern wird mit mindestens 25-mal mehr Masse als unsere Sonne geboren und nähert sich dem Ende seines Lebens. Ein solcher Stern erzeugt starke Winde, die riesige Mengen an Gas ins All stoßen. Der Wolf-Rayet-Stern in diesem speziellen Paar hat durch diesen Prozess möglicherweise bereits mehr als die Hälfte seiner ursprünglichen Masse verloren.

Die Umwandlung von Gas in Staub ist in etwa so, als würde man Mehl in Brot verwandeln: Es sind bestimmte Bedingungen und Zutaten erforderlich. Das in Sternen am häufigsten vorkommende Element, Wasserstoff, kann von sich aus keinen Staub bilden. Da Wolf-Rayet-Sterne jedoch so viel Masse abwerfen, stoßen sie auch komplexere Elemente aus, die normalerweise tief im Inneren eines Sterns zu finden sind, darunter Kohlenstoff. Die schweren Elemente im Wind kühlen auf ihrer Reise in den Weltraum ab und werden dort komprimiert, wo die Winde beider Sterne zusammentreffen.

Einige andere Wolf-Rayet-Systeme bilden ebenfalls Staub, aber von keinem ist bekannt, dass es Ringe wie bei WR 140 bildet. Das einzigartige Ringmuster entsteht, weil die Umlaufbahn des Wolf-Rayet-Sterns im Doppel­stern­system länglich und nicht kreisförmig ist. Nur wenn sich die Sterne einander genügend annähern – etwa auf die gleiche Entfernung wie zwischen Erde und Sonne – und ihre Sternwinde miteinander kollidieren, steht das Gas unter ausreichendem Druck, um Staub zu bilden.

Lau und seine Mitautoren gehen davon aus, dass die Winde von WR 140 auch die Umgebung von Materialresten befreit haben, mit denen sie sonst kollidiert wären. Das könnte der Grund dafür sein, dass die Ringe so unberührt und nicht verschmiert oder zerstreut erscheinen. Wahrscheinlich gibt es sogar noch mehr Ringe, die so schwach und zerstreut sind, dass man sie nicht einmal in den Daten vom JWST erkennen kann.

„WR 140 stellt ein faszinierendes astrophysikalisches Labor dar, um Windkollisionen, Staub­bildung und das Überleben von Staub in der feindlichen Strahlungs­umgebung um diese massereichen und heißen Sterne zu untersuchen“, sagt Gerd Weigelt vom Max-Planck-Institut für Radio­astronomie in Bonn. „Beobachtungen in verschiedenen Orbital­phasen ermöglichen es uns zu untersuchen, wie die Staubproduktion von der Entfernung zwischen den beiden heißen Sternen abhängt, da die Umlaufbahn gut bekannt ist. Die Entdeckung von entfernten Schalen aus der Staub­produktion vor mehr als 100 Jahren zeigt, dass der von WR 140 gebildete Staub lange Zeit überleben kann.“

Die neue Studie mit den Daten des MIRI-Spektrometers mit mittlerer Auflösung liefert den bisher besten Beweis dafür, dass Wolf-Rayet-Sterne kohlenstoff­reiche Staub­moleküle produzieren. Und die Erhaltung der Staubhüllen deutet darauf hin, dass dieser Staub in der lebens­feindlichen Umgebung zwischen den Sternen überleben und Material für zukünftige Sterne und Planeten liefern kann.

„Obwohl Wolf-Rayet-Sterne in unserer Galaxie selten sind, weil sie im Vergleich zu anderen Sternen sehr kurzlebig sind, ist es möglich, dass sie im Laufe der Geschichte der Galaxie viel Staub produziert haben, bevor sie explodierten und schwarze Löcher bildeten“, sagt Patrick Morris, Astro­physiker am Caltech in Pasadena, Kalifornien, und Mitautor der neuen Studie. „Ich denke, mit JWST werden wir viel mehr darüber lernen, wie diese Sterne das Material zwischen den Sternen formen und neue Stern­entstehung in Galaxien auslösen.“

MPIfR / DE

 

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