04.03.2020

Starke Felder in Außenbezirken der Milchstraße

Messungen an Pulsaren in Kugelsternhaufen zeigen überraschend hohe Magnetfelder im galaktischen Halo.

Das Magnetfeld der Milchstraße spielt eine wichtige Rolle bei der Entwicklung unserer Galaxie, wobei man allerdings noch sehr wenig über seine Struktur auf kleinen Größen­skalen weiß und, ob es sich in den Halo der Milchstraße fortsetzt. Über die Beobachtung von Pulsaren im Kugelsternhaufen 47 Tuc gelang es einem Forscherteam unter der Leitung von Federico Abbate vom Bonner MPIfR zum ersten Mal, das galaktische Magnetfeld auf der Skala von wenigen Lichtjahren zu untersuchen. Die Wissenschaftler finden ein unerwartet starkes Magnetfeld in Richtung des Kugel­sternhaufens, senkrecht zur Ebene der Milchstraße. Es könnte durch eine Wechselwirkung mit einem galaktischen Wind erklärt werden. 
 

Abb.: Kugelsternhaufen 47 Tuc (oben rechts) mit der Kleinen Magellanschen...
Abb.: Kugelsternhaufen 47 Tuc (oben rechts) mit der Kleinen Magellanschen Wolke. Inset: 47 Tuc mit dem nach­gewiesenen Magnetfeld. Feldlinien zeigen die Wirkung des galaktischen Windes. (Hintergrundbild: ESO / VISTA VMC; Inset: F. Abbate et al., Springer Nature)

47 Tucanae, oder kurz 47 Tuc, ist ein bereits mit bloßen Auge sichtbarer eindrucksvoller Kugelsternhaufen im Sternbild „Tukan”, recht nahe in Richtung der Kleinen Magellanschen Wolke am Südhimmel. Der erste Pulsar darin wurde bereits im Jahr 1990 mit dem Parkes-64-Meter-Radioteleskop in Australien entdeckt, und bald danach wurden weitere Pulsare mit dem gleichen Teleskop nachgewiesen. Insgesamt kennt man zur Zeit 25 Pulsare in 47 Tuc. Aus diesem Grund ist dieser gut erforschte Kugel­sternhaufen ein sehr wichtiges Forschungs­objekt für Pulsar­astronomen. 

Pulsare sind Quellen, mit dem die Astronomen das Dispersionsmaß bestimmen können, also die Verzögerung in der Ankunftszeit der Einzelpulse bei unterschiedlichen Frequenzen. Diese Verzögerung ist proportional zur Dichte der freien Elektronen auf der Sichtlinie zwischen Pulsar und Erde. „Bereits im Jahr 2001 ist uns aufgefallen, dass die Pulsare auf der rückwärtigen Seite des Kugelsternhaufens ein höheres Dispersionsmaß zeigten als diejenigen auf der Vorderseite. Das ist ein direkter Hinweis auf die Existenz von Gas in 47 Tuc”, sagt Paulo Freire vom Max-Planck-Institut für Radio­astronomie, der Projektleiter für eine Reihe von Pulsarmessungen in 47 Tuc.

Was 47 Tuc sogar noch interessanter macht, ist seine Entfernung von rund 15.000 Lichtjahren, die ihn in einem relativ ungestörten Bereich des Halos unserer Milchstraße positioniert. Der Halo umgibt die galaktische Scheibe und enthält nur wenige Sterne und auch sehr wenig Gas. „Die Pulsare in diesem Kugelsternhaufen ermöglichen uns einen einzigartigen und bisher nicht gekannten Einblick in die großskalige Struktur des Magnetfelds im galaktischen Halo”, sagt Federico Abbate, Mitarbeiter am Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR), der die Datenanalyse als Teil seiner Doktorarbeit an der Universität von Mailand Bicocca und am INAF-Observatorium Cagliari durchgeführt hat.

Die Kenntnis von Struktur und Stärke des galaktischen Magnetfelds ist ausschlaggebend für ein vollständiges Bild unserer Milchstraße. Kosmische Magnetfelder beeinflussen die Stern­entstehung, regulieren die Ausbreitung von hochenergetischer Teilchen­strahlung und helfen dabei, die Existenz von Gasausflüssen von der Scheibe der Milchstraße in den umgebenden Halo zu bestätigen. Trotz ihrer Bedeutung ist der großskalige Verlauf von Magnetfeldern im Halo bis jetzt nicht vollständig bekannt.

Magnetfelder können normalerweise nicht direkt beobachtet werden. Statt dessen nutzen Wissenschaftler ihre Wirkung auf Plasma von geringer Dichte in der galaktischen Scheibe. Die Elektronen werden vom Magnetfeld angezogen und in Umlaufbahnen um die magnetischen Feldlinien gezwungen. Dabei wird langwellige Synchrotron­strahlung emittiert. Neben der direkt ausgesandten Strahlung beeinflussen freie Elektronen im Plasma auch die Ausrichtung der durchgehenden polarisierten Strahlung. Das elektro­magnetische Feld von polarisierten Radiowellen schwingt jeweils in der gleichen Ebene. Die Richtung wird von Elektronen in einem magnetischen Medium frequenz­abhängig verändert. Dieser als Faraday-Rotation bekannte Effekt ist in Radiowellen messbar.

Messungen der polarisierten Radiostrahlung sind für das Magnetfeld in der galaktischen Scheibe gut anwendbar, weil die Dichte des Plasmas groß genug ist. Im galaktischen Halo hingegen ist die Plasmadichte für einen direkten Nachweis zu gering. Aus diesem Grund war es bisher nicht möglich, Ausrichtung und Stärke des Magnetfelds im Halo zu bestimmen und Modell­vorhersagen ließen keine Unterscheidung zwischen paralleler oder senkrechter Ausrichtung zur galaktischen Scheibe zu. Auf das Vorhandensein eines magnetischen Ausflusses von der Scheibe aus in den Halo ließ sich nur indirekt aus dem Vergleich mit anderen Galaxien schließen. Dadurch könnte dann auch die diffuse Röntgen­strahlung in der Milchstraße erklärt werden. 

Neuere Beobachtungen der Pulsare in 47 Tuc, ebenfalls mit dem Parkes-Radioteleskop, ermöglichten die Bestimmung der polarisierten Radiostrahlung der Pulsare und ihrer Faraday-Rotation. Daraus lässt sich ein überraschend starkes Magnetfeld in dem Kugelsternhaufen ableiten. Es ist tatsächlich so stark, dass es nicht in 47 Tuc selbst erzeugt sein kann, sondern eine externe Quelle im galaktischen Halo erfordert. Die Ausrichtung des Magnetfelds ist vereinbar mit einem galaktischen Wind senkrecht zur galaktischen Scheibe. Die Wechselwirkung dieses galaktischen Winds mit dem Kugel­sternhaufen würde eine Stoßwelle erzeugen, die das Magnetfeld auf die beobachteten Werte verstärkt. 

Hieraus ergibt sich eine neue Beobachtungs­technik, um Magnetfelder im Halo der Milchstraße zu untersuchen. Der Kugel­sternhaufen 47 Tuc ist ein hervor­ragendes Zielobjekt für Beobachtungen mit dem neuartigen MeerKAT-Radioteleskop in Südafrika. „Bereits in naher Zukunft wird das MeerKAT-Teleskop die Polarisations­beobachtungen deutlich verbessern und nicht nur die Existenz des galaktischen Winds bestätigen, sondern auch Messzahlen für seine Eigenschaften liefern”, sagt Andrea Possenti vom INAF-Observatorium Cagliari, der am Pulsar-Beobachtungs­projekt mit MeerKAT zusammen mit dem MPIfR beteiligt ist. Darüber hinaus ist dieses Radioteleskop, insbesondere mit der zukünftigen Weiter­entwicklung zum Square Kilometre Array (SKA), empfindlich genug, um auch weitere Kugel­sternhaufen im galaktischen Halo zu untersuchen und die Ergebnisse zu bestätigen. 

MPIfR / DE
 

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