22.10.2009

Röntgenastronomie im Labor

Forscher in Japan bilden die Plasma- und Strahlungsumgebung eines Schwarzen Loches nach.

Forscher in Japan bilden die Plasma- und Strahlungsumgebung eines Schwarzen Loches nach.

Gehört ein Schwarzes Loch zu einem Doppelsternsystem, so kann es von seinem Begleiter Materie wegziehen, die dann als Akkretionsscheibe das Loch umkreist. Das zum Schwarzen Loch stürzende Plasma erhitzt sich sehr stark und gibt einen Teil seiner Energie als Röntgenstrahlung ab. Diese Strahlung kann wiederum weiter entferntes, kühleres Plasma so stark ionisieren, dass es seinerseits Röntgenstrahlung aussendet, die deutliche Spektrallinien aufweist. Jetzt haben Forscher um Shinsuke Fujioka von der Universität Osaka die Röntgenanregung von kalten Plasmen im Labor untersucht und damit neuartige Einblicke in die Plasma- und Strahlungsumgebung von Schwarzen Löchern und Neutronensternen gewonnen.

Die Forscher haben sich auf zwei Doppelsternsysteme konzentriert, deren Röntgenstrahlung der Satellit Chandra aufgenommen hatte: Cygnus X-3, das vermutlich ein Schwarzes Loch enthält, und Vela X-1, wo ein Neutronenstern einem Überriesen Materie entzieht. Die Röntgenspektren beider Doppelsternsysteme weisen für Energien zwischen 1,84 keV und 1,87 keV mehrere deutliche Peaks auf. Wie lassen sich diese Röntgenlinien erklären? Dahinter stehen ungewöhnliche Anregungs- und Strahlungsprozesse in den Plasmen, die das Schwarze Loch oder den Neutronenstern umgeben.

Abb.: Schematische Darstellung eines Doppelsternsystems, in dem ein Schwarzes Loch, ein Neutronenstern oder ein Weißer Zwerg seinem Begleiter Materie entzieht, die dann eine Akkretionsscheibe bildet. (Bild: ESA/NASA)


Normalerweise werden Plasmen durch Zusammenstöße der Atome mit Elektronen ionisiert. Das gilt für irdische Plasmen ebenso wie für Plasmen in Sternen oder im interstellaren Raum. Damit die Atome auf diese Weise alle ihre Elektronen verlieren können, muss das Plasma extrem heiß sein. So wird Silizium erst bei etwa 20 Millionen Grad vollständig ionisiert. In der Nähe von kompakten Objekten wie Schwarzen Löchern oder Neutronensternen werden die Plasmen hingegen durch Röntgenstrahlung photoionisiert. Dadurch erreichen sie einen wesentlich höheren Ionisierungsgrad als ihrer Temperatur entspricht.

Abb.: Die implodierende Plastikkugel gibt intensive Röntgenstrahlung ab, die durch einen Schlitz in einem Tantalplättchen auf ein kaltes Siliziumplasma fällt. (Bild: Shinsuke Fujioka et al., Nature Physics)

Die Anregung eines Plasmas durch intensive Röntgenstrahlung ist längst nicht so gut erforscht wie die Anregung durch Kollisionen. Mit künstlichen Röntgenstrahlungsquellen von extrem hoher Intensität lassen sich die Verhältnisse in der Umgebung eines kompakten Objekts jedoch im Labor nachbilden und genauer untersuchen. Das haben Fujioka und seine Kollegen jetzt gemacht. Ihre Röntgenquelle war ein 0,5 mm großes hohles Plastikkügelchen, das aus allen Richtungen mit intensivem Laserlicht bestrahlt und dadurch zur Implosion gebracht wurde. Die Forscher benutzten dazu 12 gepulste grüne Laserstrahlen der GEKKO-Laseranlage in Osaka. Im Innern der kollabierten Kugel stieg die Temperatur kurzzeitig auf etwa 1 keV, wodurch ein 160 ps langer Röntgenpuls mit einer Strahlungstemperatur von etwa 500 keV entstand.

Der Röntgenpuls wurde auf ein kaltes Siliziumplasma gerichtet, das die Forscher in etwa 1 mm Entfernung von der implodierenden Kugel herstellt hatten. Dazu hatten sie eine dünne Siliziumschicht mit einem schwachen infraroten Laserpuls bestrahlt. Die Röntgenstrahlung entriss den Siliziumionen im Plasma fast alle der ihnen noch verbliebenen Elektronen. Wenn die hoch geladenen Ionen wieder Elektronen einfingen, gaben sie charakteristische Röntgenstrahlung ab, die die Forscher analysierten. Im Spektrum zeigten sich drei deutliche Maxima bei 184 keV, 185,5 keV und 186,5 keV. Diese drei Peaks stimmten mit denen überein, die man im Röntgenspektrum von Vela X-1 gefunden hatte. Das Spektrum von Cygnus X-3 wies immerhin zwei der drei Peaks auf.

Mit Computersimulationen konnten die Forscher zwei der drei beobachteten Maxima reproduzieren. Sie führen die beiden Peaks auf Prozesse zurück, an denen heliumartige Si12+-Ionen und lithiumartige Si11+-Ionen beteiligt sind. Den mittleren Peak bei 185,5 keV konnten die Simulationen nicht zufriedenstellend wiedergeben. Die Forscher weisen zudem darauf hin, dass bei ihrem Experiment die anregende Röntgenstrahlung gepulst und nicht kontinuierlich war wie die Strahlung in der Nähe eines Schwarzen Lochs oder eines Neutronensterns. Die Resultate zeigen jedoch klar, dass die Photoionisation kalter Plasmen ein entscheidender Prozess in der Nähe von schweren kompakten Objekten ist. Mit weiteren röntgenastronomischen Experimenten hoffen die Forscher, noch mehr Licht in die dunklen Geheimnisse der Schwarzen Löcher und Neutronensterne zu bringen.

RAINER SCHARF


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