02.12.2022

Raumzeit ohne Vorzugsrichtung

Test der Lorentz-Symmetrie mit Rekordpräzision gibt keinen Hinweis auf Symmetriebrechung.

Die theoretische Beschreibung physikalischer Phänomene beruht auf einer grundlegenden Annahme: dass nämlich das Ergebnis eines Experiments nicht von seiner Ausrichtung in der Raumzeit abhängt. Einsteins Relativitäts­theorie stützt sich in hohem Maße auf diese Annahme, und experimentelle Tests haben ihre Gültigkeit bisher bestätigt. Einige Theorien der Quantengravitation deuten jedoch darauf hin, dass diese Raumzeit-Symmetrie möglicherweise nicht vollständig gilt und eine kleine Verletzung experimentell beobachtet werden könnte. Ein Team der Forschungs­gruppe QUEST 2 Quanten­uhren und komplexe Systeme an der Physikalisch-Technischen Bundes­anstalt (PTB) hat nun mit einem einzelnen gefangenen Ytterbium-Ion nach einer solchen Verletzung der Lorentz-Symmetrie gesucht. Das Ergebnis: Trotz doppelt so hoher Genauigkeit wie beim bislang besten Test fand sich kein signifikanter symmetrie­brechender Effekt.

 

Abb.: Die länglichen Atomorbitale in einem einzelnen gefangenen Ytterbium-Ion...
Abb.: Die länglichen Atomorbitale in einem einzelnen gefangenen Ytterbium-Ion sind in Bezug auf ein statisches Magnetfeld im Labor ausgerichtet (rosa Pfeil). (Bild: PTB)

Bereits vor mehr als einem Jahrhundert haben Michelson und Morley gezeigt, dass sich Licht mit einer festen Geschwindigkeit ausbreitet, unabhängig von der Ausbreitungs­richtung. Diese Lorentz-Symmetrie wurde später zu einem grundlegenden Prinzip in Einsteins Relativitäts­theorie. Diese Theorie beschreibt die Schwerkraft erfolgreich auf makroskopischer Ebene, doch es fehlt eine Erklärung für ihr Verhalten auf quanten­mechanischer Ebene. Bei dem Versuch, eine quanten­konsistente Beschreibung der Schwerkraft zu geben, wurde vorgeschlagen, dass die Lorentz-Symmetrie nicht für alle Teilchen gilt, dass sich also Teilchen je nach ihrer Ausbreitungs­richtung mit unterschiedlicher Geschwindigkeit fortbewegen könnten, obwohl sie die gleiche Energie haben. Obwohl dieser Effekt am stärksten bei hohen Energien vorhergesagt wurde, kann er bei Präzisions­experimenten mit niedriger Energie beobachtet werden – wenn er denn existiert.

Um die Lorentz-Symmetrie mit noch nie dagewesener Präzision zu untersuchen, verwendete das PTB-Team ein einzelnes kaltes gefangenes Ytterbium-Ion. Die Elektronen des Ions bewegen sich in Orbitalen, die sich in Bezug auf ein statisches Magnetfeld ausrichten, das im Labor in einer festen Richtung angelegt wird. Ihre absolute Orientierung im Universum ändert sich aber mit der Drehung der Erde. „Wenn die Lorentz-Symmetrie gebrochen würde und die Geschwindigkeit des Elektrons von der absoluten Richtung seines Orbitals abhängt, würde der Energie­unterschied zwischen zwei orthogonalen, also rechtwinklig zueinander angeordneten Orbitalen periodisch mit der Rotations­frequenz der Erde von 23,9345 Stunden variieren“, erläutert Laura Dreissen.

Um solche kleinen, durch die Lorentz-Symmetrie verursachten Energie­verschiebungen zu beobachten, müssen die viel größeren, durch Umgebungs­rauschen verursachten Energieverschiebungen unterdrückt werden. In diesem Experiment wurde eine neuartige Methode angewandt, die den Quanten­zustand des Ions dynamisch so manipuliert, dass es unempfindlich gegenüber Rauschen wird, während es empfindlich gegenüber Effekten bleibt, die von einer hypothetischen Lorentz-Verletzung herrühren. Das Ion konnte mehrere Sekunden lang abgefragt werden, bevor es durch Rauschen beeinflusst wurde. Damit wurde eine Weltrekord-Empfindlichkeit für einen Lorentz-Symmetriebruch-Effekt erreicht. Um nach periodischen Signalen mit der Frequenz der Erdrotation zu suchen, wurden Daten über einen Zeitraum von mehr als fünf Wochen aufgenommen. In dem Datensatz wurde keine eindeutige Signatur gefunden, aber eine Verletzung der Lorentz-Symmetrie konnte mit einer doppelt so hohen Genauigkeit wie beim vorherigen besten Test ausgeschlossen werden.

Für weitere Untersuchungen zur Gültigkeit der Lorentz-Symmetrie für Elektronen kann in Zukunft eine empfindlichere Messung durch­geführt werden, indem die Methode auf etwa zehn gefangene Ionen gleichzeitig angewendet wird.

PTB / DE
 

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