10.03.2023

Raumfahrt: Treibstrahl-Kontamination erschwert Suche nach Leben

Untersuchungen in DLR-Simulationsanlage helfen, Verunreinigungen durch Antriebe von Raumsonden besser einzuschätzen.

Gibt es Leben in unserem Sonnensystem? Eine positive Antwort auf diese Frage könnte der Jupiter-Mond Europa geben, denn er soll unter seiner Eis­ober­fläche einen Wasserozean beherbergen. Doch wie könnte bei einer Raum­fahrt­mission dorthin verhindert werden, dass das Raumschiff die Landestelle konta­miniert? Dafür hat das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Göttingen in einer einzig­artigen Anlage Unter­suchungen durch­ge­führt. Die Experimente fanden im Auftrag des Jet Propulsion Laboratory der NASA statt.

Abb.: Künstlerische Dar­stel­lung eines Landers auf der Ober­fläche des...
Abb.: Künstlerische Dar­stel­lung eines Landers auf der Ober­fläche des Jupiter­monds Europa. Der Trieb­werks­strahl könnte bei der Landung die Um­ge­bung kon­ta­mi­nieren und so die Suche nach Lebens­spuren er­schweren. (Bild: JPL, NASA)

Ein Problem bei allen Missionen, die nach Spuren von Leben suchen, ist die mögliche Verunreinigung durch die Abgase der Lande­trieb­werke, die Treib­strahl-Konta­mi­nation. „Treib­strahl-Konta­mi­nation kann bei allen Raum­fahr­zeugen auftreten“, erklärt Martin Grabe vom DLR-Institut für Aero­dynamik und Strömungs­technik. Sobald ein Triebwerk feuert, produziert es einen Abgasstrahl, der negative Einflüsse auf Sensoren wie Kameras oder Instrumente haben kann. Bei der Landung einer Raumsonde treffen diese Abgase auf die Oberfläche. „Wenn dann nach organischen Bestand­teilen als Zeichen für Leben gesucht werden soll, könnten diese schlimmsten­falls von den eigenen Treib­strahlen stammen“, so Grabe. Treib­strahlen aus Raum­fahrt­antrieben auf Hydrazin­basis enthalten Bestand­teile wie Ammoniak oder Kohlen­stoff­ver­bindungen – Stoffe, die als Anzeichen für Leben gelten.

Die Forscher des DLR sind Spezialisten auf dem Gebiet der Treibstrahl-Konta­mi­nation. Dafür verfügen sie über mehrere einzig­artige Versuchs­anlagen, darunter die Simulations­anlage für Treib­strahlen Göttingen. „Das ist die einzige Anlage der Welt, die eine so große Pump­leistung hat, dass sich die Treib­strahlen von unter­suchten Trieb­werken ausbreiten wie im All“, sagt Grabe. Herkömm­liche Versuchs­anlagen haben mit dem Problem zu kämpfen, dass die Abgase des Triebwerks an der Wand abprallen und dann den unter­suchten Strahl verfälschen.

Der Clou bei der Göttinger Anlage: Die Wände werden mit siedendem Helium auf minus 269 Grad Celsius gekühlt. Sobald ein Treibstrahl auf die Wand trifft, gefriert er. Die Folge: Der Strahl verhält sich wie im All, wo er nicht von Wänden umgeben ist. Um diese idealen Bedingungen herzu­stellen, muss die Versuchs­anlage drei Tage lang herunter­gekühlt werden. Das anschließende Wieder­aufwärmen dauert sogar fünf Tage.

Die Forscher untersuchten zwei verschiedene Triebwerke und deren Auswirkungen auf mehr als 120 unter­schied­liche Material-Proben. Die meisten Proben stammten vom JPL, das auch die chemische Analyse der Proben durchführte. Die Triebwerke stellte das Goddard Space Flight Center der NASA. Mit zwei Mess­techniken untersuchte das DLR-Team die Treib­strahlen im Vakuum: mit einem Massen­spektro­meter, das die chemische Zusammen­setzung der Verunreini­gungen misst, und mit Quarz­kristall-Sensoren, die Schichten in Stärke weniger Atome erfassen können.

Die Auswertung zeigt, dass unter­schied­liche Triebwerke ähnlichen Typs sehr unter­schied­liche Konta­mi­nationen verursachen. Wichtig war dabei die Erkenntnis, dass es eine Rolle spielt, ob ein Triebwerk bereits vor der Landung – zum Beispiel bei einem Flugmanöver – gezündet worden ist. In den Abgas­strahlen wurden Reste von Hydrazin gefunden, das sich offen­sichtlich entgegen den Erwartungen nicht vollständig zersetzt. Außerdem stellten die Wissen­schaftler fest, dass hydrazin­haltige Strahl­bestand­teile auf Kupfer­ober­flächen, die in aktuellen Raumfahrt­missionen wie Europa Clipper eine wichtige Rolle spielen, eine starke Auswirkung zeigen.

Die Erkenntnisse dieser Unter­suchungen sollen dabei helfen, Verunreini­gungen durch Antriebe künftiger Raum­fahr­zeuge besser einzu­schätzen. „Je mehr wir wissen, desto besser können Raum­fahr­zeuge und Missionen die unver­meid­bare Treib­strahl­konta­mi­nation schon in der Planungs­phase berück­sichtigen“, betont Grabe. Bereits jetzt haben sich Szenarien für neue Unter­suchungen aufgetan. Die europäische Weltraum­organi­sation ESA hat aufgrund dieser Forschungen zwei entsprechende Aufträge an die DLR vergeben.

DLR / RK

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