08.06.2021

Rasante Stoßwellen in Wasser gefilmt

Rückschlüsse auf die Zustandsgleichung von Wasser bei sehr hohem Druck möglich.

Das Aufsteigen kleiner Bläschen im Sprudelwasser kennt jeder aus dem Alltag. Eine ganz andere Art von mikroskopisch kleinen Blasen kann man erzeugen, indem man einen intensiven Laserpuls im Wasser fokussiert. Diese Kavitations­blase breitet sich mit Überschall­geschwindigkeit explosionsartig aus. Sie wird getrieben durch einen Überdruck, der den Normaldruck etwa um das hundert­tausendfache übersteigt. Dabei wird eine starke sphärische Stoßfront erzeugt. Dies hat ein Team unter Leitung der Universität Göttingen gemeinsam mit dem Deutschen Elektronen-Synchrotron und dem Europäischem Röntgenlaser European XFEL mit einer neuartigen Röntgenbild­gebungsmethode gefilmt und analysiert. Die Beobachtung lässt erstaunliche Rück­schlüsse auf den Zustand von Wasser unter diesen extremen Bedingungen zu. 

Abb.: Ein Infrarot-Laser­puls wird in reines Wasser fokussiert, wo sich ein...
Abb.: Ein Infrarot-Laser­puls wird in reines Wasser fokussiert, wo sich ein Plasma bildet. Anschließend entstehen eine Schock­welle und eine Blase. (Bild: M. Osterhoff)

In ihrem Experiment hat das Team durch einen intensiven Laserimpuls von wenigen milliardstel Sekunden zunächst ein Plasma im Wasser erzeugt. Aus diesem bildet sich die Kavitations­blase und expandiert dann rasch, wobei sie eine stark komprimierte Wasser­schicht, die Stoßfront, vor sich herschiebt. „Im Gegensatz zu sichtbarem Licht, mit dem wir aufgrund starker Wechselwirkung durch Brechung und Streuung nicht ins Innere der Blase hinein­schauen können, lässt sich mit Röntgen­strahlung nicht nur die Form, sondern das gesamte Dichteprofil von Blase und Stoßfront auflösen“, erklärt Malte Vassholz, Doktorand an der Universität Göttingen. „Dazu haben wir mittels eines speziellen Algorithmus das Dichteprofil aus den gemessenen Röntgen­hologrammen rekonstruiert.“ Durch kontrollierte Verzögerung zwischen dem Infrarot-Laserstrahl, mit dem die Blase erzeugt wurde, und dem Röntgen­laserstrahl, mit dem sie abgebildet wurde, erhielt das Team dann eine Art Film des gesamten Prozesses. 

Die Ergebnisse des Experiments lassen neue Rückschlüsse auf die Zustands­gleichung von Wasser bei sehr hohem Druck zu. Tim Salditt vom Institut für Röntgenphysik der Universität Göttingen erklärt: „Obwohl Wasser ohne Zweifel als wichtigste Flüssigkeit der Erde gilt, sind viele Eigenschaften und Zustände – gerade weit weg von den Normal­bedingungen – noch wenig verstanden. Durch die einzigartigen Eigenschaften der am European XFEL erzeugten Röntgenlaser­strahlung, die wir für das Experiment nutzen konnten, und unserer neuen Single-Shot-Holographie-Methode können wir nun beobachten, was sich im Inneren der Blase und in der kompri­mierten Stofffront wirklich abspielt.” 

Die Forschung eröffnet auch interessante Perspektiven auf Anwendungen. „Kavi­tation ist zwar in vielen technischen Anwendungen der Fluid­dynamik, wie etwa in Pumpen oder bei Schiffsschrauben, höchst unerwünscht, wird aber umgekehrt technisch auch ausgenutzt, zum Beispiel bei der Material­bearbeitung mit Lasern oder um bestimmte chemische Reaktionen zu ermöglichen,“ erklärt Robert Mettin, der am Dritten Physi­kalischen Institut der Universität Göttingen schon seit langem an Kavitations­phänomenen forscht. „In der Laserchirurgie kommt die Erzeugung von Kavitations­blasen durch fokussierte Kurzpuls­laser ebenfalls zum Einsatz,” ergänzt Salditt, „in Zukunft kann man solche Prozesse dann durch die von uns entwickelte Bildgebungs­methode direkt filmen“.

U. Göttingen / JOL

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