12.07.2018

Quantensimulation im großen Stil

Kommerzieller Quantenprozessor findet magnetischen Quanten­phasen­übergang.

Forscher haben die magnetischen Eigenschaften eines dreidimensionalen Spinsystems jetzt mit Hilfe eines D-Wave-Prozessors untersucht, der 2048 supraleitende Qubits enthält. Vor sieben Jahren hatten Richard Harris und seine Kollegen von D-Wave Systems in Burnaby, Kanada, mit einem Quanten­prozessor eine Kette aus acht gekoppelten Spins simuliert. Dazu nutzten sie das Quantum Annealing. Bei diesem Verfahren arbeitet man sich durch langsame Änderung der System­parameter von einem bekanntem quanten­mechanischem Grund­zustand des Systems zu einem unbekannten vor.

Abb.: Mit dem Quantenprozessor von D-Wave wurde ein dreidimensionales System aus 8 × 8 × 8 gekoppelten Spins simuliert. Die Farbe der Bonds (golden oder silbern) zwischen benachbarten Spins (rote und blaue Kugeln) gibt an, ob die jeweils zufällig gewählte Kopplung ferro- oder antiferromagnetisch ist. (Bild: R. Harris)

Jetzt haben die Forscher mit einem größeren Quanten­prozessor ein drei­dimensionales kubisches Spin­system aus bis zu 8 × 8 × 8, also 512 Spins simuliert. Die z-Komponenten benachbarter Spins waren in zufälliger Weise miteinander gekoppelt, und zwar mit der Wahrscheinlichkeit p ferro­magnetisch und 1−p anti­ferro­magnetisch, mit der Kopplungs­stärke J. Außerdem wirkte auf die x-Komponenten der Spins ein räumlich konstantes Magnet­feld.

Dieses Spinsystem ist das Ising-Modell im transversalen Magnet­feld, das abhängig von der Temperatur und den anderen Parametern ein äußerst komplexes Verhalten zeigt, welches man nur in Ausnahme­fällen durch exakte Lösungen ermitteln kann. Zumeist ist man auf sehr aufwendige Berechnungen mit herkömmlichen Computern angewiesen, die schnell an ihre Grenzen stoßen. Durch das transversale Magnet­feld wird aus dem „klassischen“ Ising-Modell ein Quanten­system, bei dessen Simulation ein Quanten­prozessor seine Stärken zeigen kann.

Der programmierbare Quantenprozessor bestand aus einer quadratischen Anordnung von 16 × 16 Zellen, deren jede 8 supra­leitende Qubits enthielt, die in gewünschter Weise miteinander gekoppelt werden konnten. Indem die Forscher einen speziellen Schalt­plan realisierten, konnten sie ein kubisches Spin­system aus 4 × 4 ×  × 4, 6 × 6 ×  × 6 oder 8 × 8 × 8 nachbilden und sein Verhalten untersuchen.

Da die Experimente bei einer sehr tiefen Temperatur von 12 Milli­kelvin durch­geführt wurden, konnten thermische Schwankungen für hinreichend starke Kopplung zwischen den Spins keine Phasen­übergänge im Spin­system verursachen. Vielmehr waren die beobachteten plötzlichen Änderungen des jeweiligen Grund­zustands, die bei stetiger Änderung der Parameter für bestimmte Parameter­werte auftraten, Quanten­phasenübergänge.

Zunächst haben die Forscher das Spinsystem ohne transversales Magnet­feld untersucht, wobei sich die Spins nicht quanten­mechanisch, sondern klassisch verhielten. Dieses System zeigt bei einer „kritischen“ Unordnungs­wahrscheinlichkeit pc=0,222 einen Phasen­übergang von einem Anti­ferro­magneten (unterhalb pc) zu einem ungeordneten „Spinglas“. Simulationen mit bis zu 1000 verschiedenen Realisierungen der zufällig gewählten Kopplung zwischen den Nachbar­spins bestätigten diesen Übergang.

Dann simulierten die Forscher, mit eingeschaltetem transversalen Magnet­feld, das Quanten­spin­system. Ein hinreichend starkes Magnet­feld richtete die Spins einheitlich aus und erzeugte dadurch para­magnetische Ordnung. Von dieser para­magnetischen Phase ausgehend, verringerten die Forscher das Magnet­feld und untersuchten durch Quantum Annealing die Übergänge in die anti­ferro­magnetische Phase und in die Spin­glas­phase.

Der Übergang vom Paramagneten zum Anti­ferro­magneten war zweiter Ordnung und zeigte eine sich stetig ändernde Magnetisierung. Die Forscher konnten einen quanten­kritischen Punkt lokalisieren, an dem dieser Quanten­phasen­übergang stattfand, und den dazugehörigen kritischen Exponenten ermitteln. Diese Resultate sind im Einklang mit Ergebnissen anderer Untersuchungen. Hingegen gab es für den Übergang vom Para­magneten zum Spinglas zwar Indizien, doch ein eindeutiger Nachweis mit dem Quanten­prozessor steht noch aus.

Diese Ergebnisse demonstrieren die Möglichkeiten, die der Quanten­prozessor für die Simulation von komplexen Quanten­spin­system eröffnet. Doch es muss betont werden, dass es sich dabei nicht um einen programmierbaren Quanten­computer handelt. Zudem ist unklar, ob und wie lange die supra­leitenden Qubits des Prozessors in verschränkten Quanten­zuständen sein können. Schließlich ist immer noch die Frage offen, ob der Quanten­prozessor tatsächlich schneller ist als ein dem Problem angepasster herkömmlicher Computer. Hier hatten intensive Untersuchungen vor vier Jahren keinen „Quantum Speedup“ gefunden.

Rainer Scharf

DE

Virtuelle Jobbörse

Virtuelle Jobbörse
Eine Kooperation von Wiley-VCH und der DPG

Virtuelle Jobbörse

Innovative Unternehmen präsentieren hier Karriere- und Beschäftigungsmöglichkeiten in ihren Berufsfeldern.

Die Teilnahme ist kostenfrei – erforderlich ist lediglich eine kurze Vorab-Registrierung.

Weiterbildung

Weiterbildungen im Bereich Quantentechnologie
TUM INSTITUTE FOR LIFELONG LEARNING

Weiterbildungen im Bereich Quantentechnologie

Vom eintägigen Überblickskurs bis hin zum Deep Dive in die Technologie: für Fach- & Führungskräfte unterschiedlichster Branchen.

Meist gelesen

Themen