04.06.2019 • Energie

Photovoltaik wird zum Multi-Terawatt-Markt

Alle Energiesektoren werden maßgeblich durch Solarstrom versorgt werden.

Dramatische Kosten­senkungen und der rasante Ausbau der Produktions­kapazitäten machen die Photovoltaik zu einem Game Changer des globalen Energiesystems. Nicht nur der Stromsektor, sondern auch Verkehr, Wärme, Industrie und Chemie­prozesse werden in Zukunft maßgeblich durch Solarstrom versorgt. Darin liegen Chancen, aber auch Heraus­forderungen – auf der Ebene des Energiesystems ebenso wie für Forschung und Industrie. Die Eckpunkte der zukünftigen Entwick­lungen loteten nun führende internationale Photovoltaik-Forscher rund um die Global Alliance for Solar Energy Research Institutes aus. Die Global Alliance for Solar Energy Research Institutes GA-SERI besteht aus dem Fraunhofer-Institut für Solare Energie­systeme ISE, dem National Institute of Advanced Industrial Science and Tech­nology AIST (Japan) und dem National Renewable Energy Laboratory NREL (USA). 

Abb.: Solche multikristallinen Silizium-Wafer bilden die Grundlage der...
Abb.: Solche multikristallinen Silizium-Wafer bilden die Grundlage der meistgenutzten Solarzellen. (Bild: Fh.-ISE)

Das Wachstum der PV-Branche zu einem Multi-Terawatt-Markt verlaufe schneller als erwartet, so die Experten. Während Ende 2018 500 Gigawatt Photovoltaik­leistung weltweit installiert waren, wird für 2030 mit zehn Terawatt und für 2050 mit dreißig bis siebzig Terawatt gerechnet. „Die Kosten für PV- Module sind in den letzten 40 Jahren um zwei Größen­ordnungen gesunken, Ende 2018 lagen sie unter 25 Dollarcent pro Watt. Dadurch sanken die Strom­gestehungs­kosten für Solarstrom – im Gegensatz zu konven­tionellen Energie­quellen – und in weiten Teilen der Welt ist er absolut wett­bewerbsfähig“, so Andreas Bett, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Solare Energie­systeme ISE.

Der steigende Anteil von PV-Strom am Strommix zieht Änderungen im Strom­erzeugungs- und Übertragungs­system, in den Betriebsführungs­strategien und bei den PV-Systemen selbst nach sich, so die Forscher. „Der fundamentale Wandel in unserem Energie­system stellt uns vor die Heraus­forderung, ergänzende Technologien wie Speicher zu entwickeln und die Sektoren­kopplung voran­zutreiben“, so Bett weiter. Dabei identi­fizierten die Wissenschaftler fünf Handlungs­felder.

Die Harmonisierung von Verbrauch und Erzeugung auch über größere Entfernungen, Speicher sowie verbesserte Solar­prognosen helfen, Schwankungen im Solar­stromangebot auszugleichen. Mit einem wachsenden PV-Strom-Anteil im Stromnetz werden Solaranlagen zunehmend netz­dienliche Leistungen wie Spannungs­regulierung und Frequenz­steuerung übernehmen, wofür eine neue Generation PV-Wechsel­richter entwickelt wurde. Bei einem sehr hohen PV-Anteil werden neue Technologien wie virtuelle Schwingungs­regler zum Einsatz kommen, und die Kopplung mit Batteriesystemen schafft widerstands­fähige, zuverlässige Systeme.

Die Preise für Lithium-Ionen-Batterien sind in den letzten acht Jahren um achtzig Prozent gesunken, und weitere Senkungen sind durch steigende Produktions­kapazitäten und Technologie­entwicklung zu erwarten. Darüber hinaus arbeiten Forschung und Industrie an neuen, kosten­günstigen Materialien mit einer höheren Energiedichte als Alternative zu Lithium-Ionen – Batterien. Eine weitere Möglichkeit sind Pumpspeicher­kraftwerke, für die weltweit ein erhebliches technisches Potenzial besteht.

Die Elektri­fizierung des Transport­sektors, der für 39 Prozent des fossilen Gesamt­energie­verbrauchs zuständig ist, sowie der Gebäudeheizung (17 Prozent der fossilen Energieträger) werden die Nutzung erneuer­barer Energien dramatisch erhöhen. Wärmepumpen als die führende Heizungsform der Zukunft werden die Energie­effizienz von Gebäude deutlich verbessern. Industrien wie die Stahl-, Eisen – und Düngemittel­herstellung können mit kostengünstig solar erzeugtem Wasserstoff und Ammoniak die Treibhausgas­emissionen ihrer Prozesse reduzieren.

Kostengünstiger Wind- und Solarstrom kann zur Erzeugung von Wasserstoff, Methan und anderen Kohlen­wasserstoff­verbindungen genutzt werden, die als synthetische Kraft- und Brennstoffe, Prozess­chemikalien oder als Ausgangsstoffe für die chemische Industrie zum Einsatz kommen. Mit Power-to-Gas oder Power-to-X-Technologien können viele Terawatt Wind- und Solarleistung aufgenommen und über lange Zeiträume chemisch gespeichert werden. Die Forscher sehen hier noch viel Potenzial für Effizienz­steigerung und Kostensenkung. 

Die Lernkurve der Photo­voltaik, die in den letzten vierzig Jahren eine Senkung der Modulkosten von 23 Prozent pro Verdopplung der installierten Kapazität gezeigt hat, wird sich nach Ansicht der Wissen­schaftler fortsetzen. In der Silizium-Photovoltaik, die 95 Prozent des Weltmarktes ausmacht, geht der Trend zu kosten­günstigen Solarzellen mit passivierten Kontakten, die höhere Wirkungs­grade ermöglichen. Techno­logische Fortschritte im Bereich der Dünnschicht- und neuartigen Technologien haben hier die Wirkungsgrade über die 20-Prozent-Marke gehoben, bei Mehrfach­solarzellen auf Basis von Silicium sind es bereits über 35 Prozent. Auch die erhöhten Produktions­volumina bedingen neue Forschungs- und Entwicklungs­aufgaben: Fragen von Material­versorgung vor allem bei seltenen Elementen wie Silber, Nach­haltigkeit und Recycling rücken bei einer Produktion im Terawatt-Bereich stärker in den Mittelpunkt.

Fh.-ISE / JOL

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