Photonen in der Dose

Eigenschaften von Photonen im Hohlraum könnten sich gezielt beim Design neuartiger Materialien einsetzen lassen.

Die Kristallsymmetrie ist einer der entscheidenden physi­ka­lischen Faktoren, die die Eigen­schaften eines Materials bestimmen. Insbesondere das Verhalten eines Elektrons wird weit­gehend von der Symmetrie des Kristalls beeinflusst, die wiederum das grund­legende Verhalten des Materials bestimmt, etwa seine leitenden oder optischen Eigen­schaften. Durch neue Entwick­lungen von experi­men­tellen Techniken und Fort­schritte bei ultra­schnellen Laser­experi­menten hat sich heraus­ge­stellt, dass neben dem Kristall eine weitere Symmetrie die Elektronen beeinflusst: die Symmetrie des Lichts. Jetzt unter­suchen Forscher des MPI für Struktur und Dynamik der Materie in Hamburg, wie die Kopplung von Symmetrien in Licht und Materie einen neuen Licht-Materie-Zustand erzeugt – einen Zustand, der für die Entwicklung neuer Material­eigen­schaften genutzt werden könnte.

Abb.: Photonen können in Hohl­räumen gezielt so gestaltet werden, dass sie...
Abb.: Photonen können in Hohl­räumen gezielt so gestaltet werden, dass sie bestimmte Symmetrien im Material brechen. Das eröffnet weitere Möglich­keiten für das Design neu­artiger Materialien. (Bild: U. de Giovannini, H. Hübener, MPSD)

Während Licht aus der Perspektive der klassischen und Quanten­physik gut verstanden ist, haben die Effekte, die sich aus seiner Wechsel­wirkung mit Materie ergeben, zu einem weiten Feld der Material­forschung geführt. Dieses ist die Basis für viele techno­logische Anwendungen, bleibt aber auch im Bereich der Grundlagen- und theore­tischen Forschung relevant.

Bislang wurde die Rolle der Symmetrien des Lichts weitgehend als einfache Aufhebung der Symmetrie der Elektronen im Kristall angesehen. Neuere Arbeiten mit sehr starken Lasern haben jedoch die Aufmerk­samkeit wieder auf die gegen­seitige Wechsel­wirkung von Licht­polari­sation und Kristall gelenkt. Eine besonders wichtige Symmetrie ist dabei die Fähig­keit des Lichts, Chiralität zu erreichen, also eine definierte Händig­keit seiner Polari­sation.

Am bemerkenswertesten sind Experimente, bei denen die kontinuier­liche Anregung eines Materials mit einem Laser zu einem kombi­nierten Zustand von Licht und Elektronen führt, einem „bekleideten Zustand“ (engl.: dressed state), der das Verhalten des Materials als Ganzes verändert. Diese Quanten­zustände hängen dann sowohl von der Symmetrie des Kristalls als auch von der Symmetrie des Lichts ab, die gemeinsam die Material­eigen­schaften bestimmen.

Die neue Sichtweise ist, dass Licht als ein konsti­tu­ierender Teil des Zustands und nicht als eine brechende Störung gesehen werden muss. Hannes Hübener und seine Kollegen erörtern die Tragweite dieser sich heraus­bildenden Sicht­weise der Licht-Materie-Wechsel­wirkung und unter­suchen ihre Perspektive für neue Ansätze beim Material­design. Das hat insbesondere Auswirkungen auf Quanten­materialien: Materialien mit Eigen­schaften, die auf makro­skopischer Ebene von Effekten der Quanten­mechanik bestimmt werden. Diese neu entstehenden Eigen­schaften können neuartige Funktio­na­litäten des Materials erzeugen und werden als ein Weg zur Entwicklung von „Material­eigen­schaften nach Bedarf“ betrachtet.

Die beiden Hauptakteure in dem neuen Paradigma des durch Licht gesteuerten Material­designs sind Elektronen und Photonen. Die Forscher zeigen, dass einige Eigen­schaften ihres kombi­nierten Quanten­verhaltens sogar aus ihrer dynamischen Wechsel­wirkung abgeleitet werden können, wenn Licht als ein klassisches Feld betrachtet wird. Ein anschau­liches Beispiel für diesen Gesichts­punkt ist der Effekt von zirkular polari­siertem Licht und die Rolle, die es bei der Veränderung der Zeit­umkehr­symmetrie der elektro­nischen Struktur spielt. Das ist eine der folgen­reichsten Symmetrien für die Eigen­schaften von Materialien. Es ist bekannt, dass Magnet­felder die Zeit­umkehr­symmetrie von Elektronen in Materialien brechen, weil sie sie auf zirkulare Bahnen schicken, die sich je nach Vorzeichen ihres Impulses unter­scheiden.

In ähnlicher Weise wirkt ein zirkular polari­siertes Licht­feld auf Elektronen mit entgegen­gesetzten Impulsen in entgegen­gesetzter Weise. Infolge­dessen können die Dynamik und damit die Eigen­schaften von Materialien grund­legend unter­schiedlich sein, wenn ein solches die zeitliche Umkehrung der Symmetrie brechendes Feld die elektronische Struktur bekleidet. In neueren Experi­menten wurden zirkular polari­sierte Laser recht erfolg­reich einge­setzt, um die Zeit­umkehr­symmetrie in Materialien vorüber­gehend zu brechen.

Der neue Ansatz zum Materialdesign macht sich ein faszinie­rendes Phänomen zunutze: Die Auswirkungen der gleich­wertigen Betrachtung von Licht und Elektronen werden noch auffälliger, wenn das Licht in einem optischen Resonator oder Hohl­raum­resonator einge­schlossen ist. In solchen Systemen, in denen das Licht auf sehr kleinen Längen hin und her reflektiert wird, so dass nur wohl­definierte Moden des Feldes aufrecht­erhalten werden können, macht sich die Quanten­struktur des elektro­magnetischen Feldes bemerkbar und es muss als Photonen beschrieben werden.

Man kann sich diese Anordnungen so vorstellen, dass sie Photonen wie in einer Dose bereit­stellen, also einem geschlossenen Behälter mit einer bestimmten Art von Photonen. Die Eigen­schaften der Photonen im Inneren der Dose werden durch die Größe, Form und Struktur der Wände bestimmt. Solche Hohl­raum­resonatoren werden seit langem zur Kontrolle und Manipu­lation des elektro­magnetischen Feldes verwendet, insbesondere für die Herstellung von Lasern. In der Material­wissen­schaft sind sie jedoch zunehmend von Bedeutung.

Das liegt daran, dass ein Photon, das zusammen mit einem Material in einem Hohlraum gefangen ist, mit seiner elektro­nischen und sogar kristallinen Struktur auf Quanten­ebene wechsel­wirkt. Diese Wechsel­wirkung und die Bildung von Licht-Materie-Hybrid­zuständen kann neuartige Material­eigen­schaften erzeugen.

Das eröffnet die spannende Möglichkeit, dass die Photonen im Hohlraum mit bestimmten Eigen­schaften ausge­stattet werden können, um die resultie­renden Hybrid­zustände zu steuern. Tatsächlich könnten sie gezielt so gestaltet werden, dass sie bestimmte Symmetrien im Material brechen. Somit kann die Manipu­lation der Zeit­umkehr­symmetrie einen besonders starken Einfluss auf die Eigen­schaften von Quanten­materialien haben – ein potentiell wichtiger Faktor für das Design neu­artiger Materialien.

MPSD / RK

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