26.09.2013

Photonen bilden Moleküle

Rydberg-Atome sorgen für die nötige Anziehungskraft.

Normalerweise sind Photonen masselose Teilchen, die nicht miteinander wechselwirken. Doch jetzt haben Forscher in den USA ein nichtlineares Medium aus kalten Atomen in Rydberg-Zuständen hergestellt, in dem die Photonen eine effektive Masse haben und einander anziehen. Die Lichtteilchen schließen sich dabei paarweise zu „Molekülen“ zusammen.

Abb.: (a) Durch die Wirkung von Rydberg-Zuständen in einer atomaren Wolke (orange) ziehen sich zwei schwache aufeinanderfolgende Lichtpulse an, die im Extremfall jeweils nur aus einem Photon bestehen können. Mit Polarisationsstrahlteilern (PBS), Viertel- und Halbwellenplatten (QWP bzw. HWP) sowie Photodetektoren weisen die polarisationsabhängige Anziehung nach. (b) Der rechtszirkular polarisierte Teststrahl bringt die Atome aus dem Grundzustand in die Nähe des angeregten Zustandes. Anschließend regt sie ein Kontrollstrahl in einen Rydberg-Zustand an. (Bild: O. Firstenberg et al., NPG)

Vor einem Jahr hatte das Forscherteam um Mikhail Lukin in Harvard und Vladan Vuleti vom Massachusetts Institute of Technology (MIT ) einen Einzelphotonenfilter hergestellt, der nur solche Photonen durchließ, die einen gewissen Mindestabstand voneinander hatte. Die wie Perlen auf einer Schnur aufgereihten Photonen zeigten somit „Anti-Bunching“. Der Filter, der aus einer ultrakalten Gaswolke von Rubidiumatomen bestand, beruhte auf dem Zusammenspiel der elektromagnetisch induzierten Transparenz (EIT) und der Rydberg-Blockade.

Bei der EIT wird ein Medium, das zunächst für einen Teststrahl undurchlässig ist, mit einem Kontrollstrahl kohärent angeregt, woraufhin es für den Teststrahl transparent wird. Bei der Rydberg-Blockade verhindert ein Rydberg-Atom mit großer Hauptquantenzahl n aufgrund seines großen Dipolmoments, dass andere Atome in seiner näheren Umgebung ebenfalls in einen Rydberg-Zustand angeregt werden. Der Einzelphotonenfilter zwang, mit Hilfe der EIT, dadurch den Abstand zwischen den Rydberg-Atomen auch den Photonen auf.

Nun haben Lukin und seine Kollegen ihr Experiment so abgewandelt, dass die Photonen in der Gaswolke aufgrund ihrer Wechselwirkung mit den Rydberg-Atomen eine anziehende Kraft aufeinander ausübten. Die Photonen wurden dadurch paarweise aneinander gebunden und bildeten gewissermaßen Moleküle. Dazu bestrahlten die Forscher eine ultrakalte Wolke aus Rubidiumatomen mit einem schwachen, linear polarisierten Laserstrahl. Dieser Teststrahl bestand zu gleichen Teilen aus rechts- und linkszirkular polarisierten Photonen. Die Wellenlänge des Teststrahls betrug 780 Nanometer und lag damit nahe dem Übergang der Atome vom Grundzustand 5S1/2 in den angeregten Zustand 5P3/2. Ein Kontrollstahl bei 479 Nanometern Wellenlänge hob die Atome vom angeregten Zustand in den Rydberg-Zustand 100S1/2.

Ein Magnetfeld sorgte durch den Zeeman-Effekt dafür, dass nur die rechtszirkular polarisierten Photonen des Teststrahls die Atome anregen und ihren Übergang in den Rydberg-Zustand initiieren konnten. Nur diese Photonen zogen sich dank ihrer Wechselwirkung mit den Rydberg-Atomen gegenseitig an, wohingegen sich die linkszirkular polarisierten Photonen „normal“ verhielten. Schließlich wurden die Photonen, nach ihren Polarisationen getrennt, von Photodetektoren zeitaufgelöst nachgewiesen. So ließ sich die Wahrscheinlichkeit ermitteln, dass zwei aufeinanderfolgende Photonen einen bestimmten Zeitabstand hatten.

Für den Photonenfilter hatten die Forscher im vergangenen Jahr den Teststrahl genau auf die atomare Anregungsenergie abgestimmt. Die auftretende Rydberg-Blockade hielt die Photonen auf Distanz. Die Photodetektoren zeigten „Anti-Bunching“. Bei ihrem neuen Experiment verstimmten Lukin und seine Kollegen den Teststrahl um einige Megahertz. Auch in diesem Fall trat eine Rydberg-Blockade auf, die jedoch die Photonen nicht auf Abstand hielt sondern dazu führte, dass der Brechungsindex der Atomwolke vom Photonenabstand abhing. Dies wiederum hatte zur Folge, dass die (rechtszirkularen) Photonen eine Anziehungskraft spürten, die allerdings so schwach war, dass nur zwei Photonen in einem gebundenen Zustand sein konnten. Wie die Photodetektoren zeigten, hatten rechtszirkuläre Photonen für einen gegen Null gehenden Zeitabstand eine maximale Nachweiswahrscheinlichkeit. Sie zeigten ein „Bunching“. Hingegen bewegten sich linkszirkulare Photonen unabhängig voneinander und trafen auch unkorreliert bei den Detektoren ein.

Wie die Messungen der Forscher zeigten, hatten die Teststrahl-Photonen in der Atomwolke eine stark verringerte Gruppengeschwindigkeit von nur etwa 400 Metern pro Sekunde, verursacht durch die von ihnen hervorgerufene Anregung der Atome. Die effektive Masse der Photonen betrug etwa 1000 hf/c2, mit der Lichtfrequenz f und der Planck-Konstante h. Die paarweise gebundenen Photonen kamen schneller voran und waren besser gegen Dekohärenz geschützt als einzelne Photonen. Zudem hatte die Atomwolke eine „verschränkende“ Wirkung auf die Photonen. Flogen Photonen mit unabhängigen Polarisationen in die Wolke hinein, so wiesen sie beim Verlassen der Wolke paarweise verschränkte Polarisationen auf, wenn die Photonen hinreichend dicht aufeinander folgten.

Die Forscher sind zuversichtlich, die Anziehungskraft zwischen den Photonen stärker machen zu können. Dann ließen sich auch viele Photonen in einen gebunden Zustand bringen und auf diese Weise Quantensolitonen oder kristalline photonische Zustände erzeugen. Schließlich wäre auch ein Einzelphotonentransistor möglich, bei dem einzelne Mikrowellenphotonen den Zustand von Rydberg-Atomen schalten, die dadurch die Ausbreitung oder den Quantenzustand von Vielphotonenpulsen steuern könnten.

Rainer Scharf

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