28.02.2020 • TeilchenphysikKosmologie

Noch keine Erklärung für den kosmischen Materie-Überschuss

Das elektrische Dipolmoment des Neutrons ist erheblich kleiner als bislang angenommen.

Forscher des Paul-Scherrer-Instituts in der Schweiz haben eine Eigen­schaft des Neutrons so genau wie noch nie vermessen. Dabei fanden sie heraus, dass das Elementar­teilchen ein deutlich kleineres elektrisches Dipol­moment hat als bisher angenommen. Damit ist es auch unwahr­schein­licher geworden, dass dieses Dipol­moment dabei helfen kann, die Herkunft der gesamten, heute im Universum existie­renden Materie zu erklären. Ihr Ergebnis erzielten die Forscher mithilfe der Quelle für ultra­kalte Neutronen des PSI.

Abb.: Blick ins Spektrometer, das das elektrische Dipolmoment der Neutronen...
Abb.: Blick ins Spektrometer, das das elektrische Dipolmoment der Neutronen vermisst. Außen befindet sich ein Magnetschild, dass das Erdmagnetfeld um den Faktor 10.000 abschwächt. (Bild: Z. Chowdhuri, PSI)

Beim Urknall entstanden Teilchen und Anti­teilchen in gleicher Anzahl – so zumindest die gängige Theorie. Da sich diese aller­dings gegen­seitig auslöschen, muss ein Über­schuss an Materie entstanden sein, der bis heute übrig blieb. Die Ursache für diesen Materie-Überschuss ist eines der großen Rätsel der Physik. Einen Hinweis auf das dahinter­liegende Phänomen hoffen Forscher unter anderem mithilfe von Neutronen zu finden. Die Vermutung: Hätte das Neutron ein elektrisches Dipol­moment, kurz: nEDM, mit einem mess­baren Betrag ungleich null, könnte dahinter das gleiche physika­lische Prinzip stecken, das auch den Überhang an Materie nach dem Urknall erklären würde.

Schon lange ist klar, dass das Neutron ein magnetisches Dipol­moment hat. Sollte das Neutron zusätzlich auch ein elektrisches Dipol­moment haben, wäre dessen Wert sehr viel geringer – und daher ungleich schwieriger zu messen. Das haben bereits frühere Messungen anderer Forschungs­gruppen ergeben. Daher mussten die Forscher am PSI bei ihrer jetzigen Messung das lokale Magnet­feld mit hohem Aufwand sehr konstant halten. Jeder Last­wagen, der auf der Land­straße neben dem PSI vorbei­fuhr, störte das Magnet­feld in einer für dieses Experiment relevanten Größen­ordnung und musste daher aus den Versuchs­daten heraus­ge­rechnet werden.

Auch die Anzahl der beobachteten Neutronen musste entsprechend groß sein, um eine Chance zu haben, ihr nEDM zu messen. Am PSI liefen die Messungen daher über einen Zeitraum von zwei Jahren. Alle drei­hundert Sekunden wurde für acht Sekunden ein Bündel mit über 10.000 ultra­kalten Neutronen zum Experiment gelenkt und unter­sucht. Insgesamt vermaßen die Forscher 50.000 solcher Bündel. „Das war selbst für das PSI mit seinen Groß­forschungs­anlagen eine ziemlich umfang­reiche Studie“, sagt Philipp Schmidt-Wellen­burg vom PSI. „Aber genau das ist heut­zutage nötig, wenn wir nach Physik jenseits des Standard­modells suchen.“

„Unser Ergebnis hat einen Wert für nEDM ergeben, der zu klein ist, um ihn mit unseren bisherigen Instru­menten zu messen – der Wert ist zu nahe an Null“, sagt Schmidt-Wellen­burg. „Es ist damit also unwahr­schein­licher geworden, dass das Neutron hilft, den Materie-Über­schuss zu erklären. Aber ganz ausge­schlossen ist es weiterhin nicht. Und in jedem Fall ist die Wissen­schaft am genauen Wert des nEDM interes­siert, um zu erfahren, ob sich hierüber neue Physik entdecken lässt.“ Daher ist die nächste, noch genauere Messung bereits in Planung. Ab 2021 soll die nächste Mess­reihe des nEDM starten und die jetzige wiederum in ihrer Genauig­keit über­treffen.

PSI / RK

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