15.12.2022 • Energie

Neues Verfahren für doppelseitige Dünnschichtsolarzellen

Kühlere Produktion lässt Wirkungsgrade bifazialer CIGS-Solarzellen deutlich steigen.

Bifaziale Dünnschicht­solarzellen auf der Basis von Kupfer-Indium-Gallium-Diselenid (CIGS) fangen Sonnenenergie sowohl auf der Vorder- als auch auf der Rückseite ein – und erzeugen so potenziell mehr Solarstrom als herkömm­lichen Solarzellen. Bislang hat ihre Herstellung jedoch nur relativ tiefe Wirkungsgrade bei der Energie­umwandlung erlaubt. Ein Team der Empa in der Schweiz hat nun einen neuen Tieftemperatur-Produktions­prozess entwickelt, der Rekord-Wirkungsgrade von 19,8 Prozent für die Vorderseite und 10,9 Prozent für die Rückseite ermöglicht. Zudem haben sie die erste bifaziale Perowskit-CIGS-Tandem­solarzelle hergestellt, was weit höhere Energie­erträge ermöglichen könnte.

Abb.: Bifaziale CIGS-Solarzellen bestehen aus extrem dünnen Schichten. Die...
Abb.: Bifaziale CIGS-Solarzellen bestehen aus extrem dünnen Schichten. Die polykristalline CIGS-Schicht wird auf einen transparenten elektrischen Kontakt aufgebracht und absorbiert das Licht sowohl von der Vorder- als auch von der Rückseite. (Bild: Empa)

Mögliche Anwendungen bifazialer Solarzellen sind zum Beispiel gebäude­integrierte Photovoltaik, Agrivoltaik und vertikal installierte Solar­module auf hoch­gelegenen Flächen, etwa im Gebirge. Laut „Inter­national Technology Roadmap of Photovoltaics“ könnten bifaziale Solarzellen bis 2030 einen Marktanteil von siebzig Prozent des gesamten Photovoltaik­marktes erobern. Obwohl bifaziale Solarzellen auf der Basis von Silizium­wafern bereits auf dem Markt sind, hinken Dünnschicht­solarzellen bisher hinterher. Dies ist zumindest teilweise auf den eher geringen Wirkungsgrad bifazialer CIGS-Dünnschicht­solarzellen zurückzuführen, der mit dem Aufbau der Solarzelle zusammenhängt: Damit eine bifaziale Solarzelle das reflektierte Sonnenlicht auf ihrer Rückseite aufnehmen und in Strom umwandeln kann, muss der rückseitige elektrische Kontakt optisch transparent sein. Dies wird durch die Verwendung eines transparenten leitfähigen Oxids erreicht, das den normalerweise licht­undurchlässigen Rückseiten­kontakt in konven­tionellen Solarzellen aus Molybdän ersetzt.

Doch hocheffiziente CIGS-Solar­zellen werden in der Regel in einem Hochtemperatur-Abscheideverfahren hergestellt, also bei Temperaturen über 550 Grad. Bei diesen Temperaturen kommt es jedoch zu einer chemischen Reaktion zwischen dem Gallium und dem Sauerstoff des trans­parenten Rückkontakts. Die daraus resultierende Galliumoxid-Grenzschicht blockiert den Fluss des Solarstroms und verringert somit die Energie­umwandlungs­effizienz der Zelle. Die höchsten bisher in einer einzelnen Zelle erreichten Werte liegen bei neun Prozent für die Vorderseite und 7.1 Prozent für die Rückseite. „Es ist wirklich schwierig, eine gute Energie­umwandlungs­effizienz für Solarzellen mit transparenten leitenden Kontakten sowohl auf der Vorder- wie auch auf der Rückseite zu erreichen“, sagt Ayodhya N. Tiwari, Leiter des Empa-Labors für Dünnschicht und Photo­voltaik.

Deshalb hat der Doktorand Shih-Chi Yang in der Forschungs­gruppe von Romain Carron in Tiwaris Labor einen neuen Nieder­temperatur-Abscheidungs­prozess entwickelt, bei dem deutlich weniger des unerwünschten Galliumoxids entstehen sollte – im Idealfall gar keines. Die Forscher fügten eine winzige Menge Silber hinzu, um den Schmelzpunkt der CIGS-Legierung zu senken und Lichtabsorber­schichten mit guten elektronischen Eigenschaften bei gerade einmal 350 Grad Abscheidungs­temperatur zu erhalten. Und tatsächlich: Als sie die Mehrschichtstruktur mit hochauflösender Transmissions­elektronen­mikroskopie analysierten, konnte das Team keinerlei Galliumoxid an der Grenzfläche detektieren. Dies schlug sich auch in der drastisch verbesserten Energie­umwandlungs­effizienz nieder, die vom Fraunhofer-Institut für Solare Energie­systeme in Freiburg unabhängig bestätigt wurden.

Darüber hinaus gelang es dem Team erstmals, eine bifaziale CIGS-Solarzelle auf einem flexiblen Polymersubstrat herzustellen, die aufgrund ihres geringen Gewichts und ihrer Flexi­bilität das Spektrum möglicher Anwendungen erheblich erweitert. Und schließlich kombinierten die Forscher zwei Photo­voltaik-Technologien – CIGS- und Perowskit-Solarzellen – zu einer bifazialen Tandemzelle. Laut Tiwari hat die bifaziale CIGS-Technologie das Potenzial, Wirkungsgrade von über 33 Prozent zu erzielen, was weitere Möglichkeiten für Dünnschicht­solarzellen in der Zukunft eröffnet. Tiwari gleist derzeit eine Zusammen­arbeit mit wichtigen Labors und Unternehmen in ganz Europa auf, um die Entwicklung der Techno­logie und ihre industrielle Herstellbarkeit in größerem Maßstab voranzutreiben.

Empa / JOL

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