04.05.2021

Neues 2D-Material aus der Hochdruckpresse

Neu entdecktes Beryllonitren weist interessante elektronische Gitterstruktur auf.

Einem internationalen Team mit Forschern der Universität Bayreuth ist es erstmals gelungen, durch den Einsatz moderner Hochdruck-Technologien ein bisher unbekanntes zweidimensionales Material zu entdecken. Das neue Material, Beryllonitren, besteht aus regelmäßig angeordneten Stickstoff- und Beryllium-Atomen. Es besitzt eine ungewöhnliche, für Anwendungen in der Quanten­technologie hoch­attraktive elektronische Gitterstruktur. Für die Synthese war ein Kompressions­druck erforderlich, der rund eine Million Mal höher ist als der Druck der Erdatmosphäre.

 

Abb.: Das elektronische Gitter (grün) des Beryllonitrens beruht auf seiner...
Abb.: Das elektronische Gitter (grün) des Beryllonitrens beruht auf seiner Kristall­struktur und sieht wie eine leicht verzerrte Bienen­wabe aus. Daraus ergeben sich interessante elektronische Eigenschaften für quanten­technologische Anwendungen. (Bild: M. Bykov)

Seit der Entdeckung des aus Kohlenstoff-Atomen aufgebauten Graphens ist das Interesse an zweidimensionalen Materialien in Forschung und Industrie ständig gewachsen. Unter extrem hohen Drücken von bis zu 100 Gigapascal haben die Bayreuther Forscher jetzt gemeinsam mit internationalen Partnern neuartige Verbindungen hergestellt. Es handelt sich um Beryllium-Polynitride, von denen einige dem monoklinen, andere dem triklinen Kristallsystem angehören. Die triklinen Beryllium-Polynitride legen, wenn der Druck sinkt, ein ungewöhnliches Verhalten an den Tag: Sie nehmen eine aus Schichten aufgebaute Kristallstruktur an. Jede Schicht enthält zickzackförmige Stickstoff­ketten, die durch Beryllium-Atome verbunden sind. Sie kann deshalb als eine flächige Struktur beschrieben werden, die aus BeN4-Fünfecken und Be2N4-Sechsecken besteht. Somit stellt jede Schicht ein zweidimensionales Material dar, Beryllonitren.

Beryllonitren ist ein qualitativ neues 2D-Material. Im Unterschied zum Graphen ergibt sich aus der zweidimensonalen Kristall­struktur des Beryllonitrens ein elektronisches Gitter, das leicht verzerrt ist. Wegen der daraus resultierenden elektronischen Eigenschaften wäre Beryllonitren, falls es sich eines Tages im Industrie­maßstab herstellen ließe, hervorragend für Anwendungen in der Quanten­technologie geeignet. In diesem noch jungen Gebiet von Forschung und Entwicklung geht es darum, quantenmechanische Eigenschaften und Strukturen von Materie für technische Innovationen zu nutzen – beispielsweise für den Bau von Hochleistungs­computern oder für neuartige Verschlüsselungs­techniken mit dem Ziel einer sicheren Kommunikation.

„Erstmals ist es jetzt der Hochdruck-Forschung gelungen, in enger internationaler Zusammenarbeit eine chemische Verbindung herzustellen, die zuvor völlig unbekannt war. Diese Verbindung kann als Präkursor für ein 2D-Material mit einzigartigen elektronischen Eigenschaften dienen. Dieser faszinierende Erfolg war nur mit Hilfe eines im Labor erzeugten Kompressions­drucks möglich, der nahezu eine Million Mal höher ist als der Druck der Erdatmosphäre. Unsere Studie beweist damit erneut das außerordentliche Potenzial der materialwissenschaftlichen Hochdruck-Forschung“, sagt Natalia Dubrovinskaia vom Labor für Kristallo­graphie der Universität Bayreuth.

„Ein Verfahren für die Herstellung von Beryllonitren im Industriemaßstab wird es nicht geben können, solange dafür extrem hohe Drücke erforderlich sind, die sich nur im Forschungslabor erzeugen lassen. Es ist jedoch sehr wichtig, dass die neue Verbindung bei der Dekompression entstanden ist und unter Umgebungs­bedingungen existieren kann. Grundsätzlich können wir nicht ausschließen, dass es eines Tages möglich sein wird, Beryllonitren oder ein ähnliches 2D-Material mit technisch weniger aufwändigen Verfahren nachzubauen und industriell zu nutzen. Mit unserer Studie haben wir der Hochdruck-Forschung eine neue Perspektive für die Entwicklung technologisch attraktiver 2D-Materialien eröffnet, die das Graphen möglicherweise übertreffen werden“, sagt Leonid Dubrovinsky vom Bayerischen Geoinstitut der Universität Bayreuth, korrespondierender Autor der Studie.

Die nun publizierten Forschungsergebnisse sind aus einer weltweiten Kooperation von Universitäten und Forschungs­einrichtungen hervorgegangen. An dieser Zusammenarbeit haben mitgewirkt: die Universität Bayreuth und das Deutsche Elektronen-Synchrotron in Hamburg (Deutschland); die Universität Linköping (Schweden); die Radboud Universität in Nimwegen (Niederlande); die European Synchrotron Radiation Facility in Grenoble (Frankreich); die National University of Science and Technology in Moskau sowie die Ural Federal University in Jekaterinburg (Russland); die Wuhan University (China); die Carnegie Institution for Science in Washington, die Howard University in Washington, das Center for Advanced Radiation Sources an der University of Chicago und das Argonne National Laboratory (USA). Die Forschungsarbeiten an der Universität Bayreuth wurden von der Deutschen Forschungs­gemeinschaft (DFG), dem Bundes­ministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und der Alexander von Humboldt-Stiftung gefördert.

U. Bayreuth  / DE

 

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