26.08.2021

Neue Kühlmethode für geladene Teilchen

System aus zwei mit elektrischem Schwingkreis verbundenen Penningfallen.

Erstmals ist es Forschenden an der Universität Mainz gelungen, eine neue Methode zur Kühlung von Protonen mithilfe laser­gekühlter Ionen – in diesem Fall Beryllium-Ionen – erfolgreich umzusetzen. Das Besondere: In dem neuen Aufbau befinden sich die beiden Teilchen­sorten in räumlich getrennten Fallen. Die Kühl­leistung kann erstmals über einen elektrischen Schwingkreis und eine Distanz von neun Zentimetern von der einen in die andere Falle übertragen werden. So lässt sich das Proton in einer der Fallen auf deutlich tiefere Tempera­turen kühlen als ohne Beryllium möglich.

Abb.: Mathew Bohmann (li.) und Christian Smorra installieren die neue Falle in...
Abb.: Mathew Bohmann (li.) und Christian Smorra installieren die neue Falle in die Kühl-Apparatur. (Bild: S. F. Sämmer)

Die neue Methode kann auf alle geladenen Teilchen angewendet werden, insbesondere auch auf Antiprotonen, für die es bisher noch keine andere Kühlmethode in diesen Temperatur­bereich gibt. Hiermit lassen sich vor allem Experimente zum Vergleich von Materie und Antimaterie noch genauer realisieren. Maßgeblich an der Entwicklung beteiligt waren neben der Uni Mainz das Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg (MPIK) und das japanische Forschungszentrum Riken, darüber hinaus die Europäische Organisation für Kernforschung Cern, das GSI Helmholtz­zentrum für Schwerionen­forschung in Darmstadt sowie die Leibniz Universität Hannover.

Um präzise Messungen an einzelnen Ionen vornehmen zu können, müssen diese möglichst bewegungsarm in einer Falle einge­schlossen und gespeichert werden. Um diesen Zustand zu erreichen, wird den geladenen Teilchen Energie entzogen, wodurch sich ihre Temperatur vermindert. Mit dem neuen Zweifallen-Aufbau konnte das Forschungs­team die Temperatur im Vergleich zur bisher besten Kühlmethode für Protonen um etwa einen Faktor Zehn absenken und so eine Temperatur nahe dem absoluten Nullpunkt erreichen. „Je geringer die Temperatur des Teilchens, desto genauer können wir den Bereich eingrenzen, in dem sich das Teilchen in der Falle befindet. Je genauer wir das Teilchen lokalisieren können, desto besser sind die Start­bedingungen definiert und desto genauer fällt anschließend die Messung aus“, sagt Christian Smorra, Physiker am Exzellenz­cluster Prisma-Plus.

Die neue Zweifallen-Kühl­methode birgt weitere Vorteile: Sie kann auch auf Anti­materie-Teilchen angewendet werden, denn in einem Einfallen-Kühlsystem würden sich Materie und Antimaterie sofort gegenseitig vernichten. So erlaubt der neue Aufbau einen präzisen Vergleich von Protonen und Antiprotonen. „Wir wollen gezielt nach einem Unterschied zwischen den Eigen­schaften von Protonen und Antiprotonen suchen. Unsere Theorie sagt, dass sich die beiden Teilchen bis auf die umgekehrte Ladung identisch verhalten. Warum unser Universum so viele Protonen – und damit Materie –, aber fast keine Antiprotonen, also Antimaterie, enthält, ist immer noch ungeklärt“, sagt Matthew Bohman vom MPIK. Bohman forschte im Rahmen seiner Promotion seit 2018 in Mainz an der neuen Kühlmethode.

Während früher angewandte Methoden Abstände von einem Zehntel Millimeter oder weniger zwischen den zu kühlenden Teilchen und den Beryllium­ionen erforderten, ist es in der aktuellen Arbeit gelungen, die Kühl­leistung über eine räumliche Trennung und einen Abstand von neun Zentimetern zu übertragen. Das schafft die Voraussetzung für weiterführende Forschungs­vorhaben – und erlaubt beispielsweise eine störungsfreie und präzisere Frequenz­messung, die die Base-Kolla­boration auch bei der Suche nach dunkler Materie mithilfe von Antimaterie vornehmen möchte. Hierzu hatte die Forschungs­gruppe in früheren Experimenten am Cern bereits gefangene Antiprotonen in einer Falle untersucht – allerdings durch Kühlung mit flüssigem Helium und ohne die Hilfe von Beryllium­ionen.

Erstmals vorge­schlagen wurde die Zweifallen­methode im Jahr 1990. Im damaligen Konzept war kein elektrischer Schwingkreis vorgesehen – hier sollten die Ionen durch eine gemeinsame Fallenelektrode verbunden werden. Von Vorteil bei dieser Vorgehensweise: Es gibt keinen Widerstand, wie er durch einen Schwingkreis entsteht. Denn dieser produziert Hitze und schwächt den Kühlvorgang ab. Der große Nachteil besteht aber in der geringen Geschwin­digkeit, mit der die Energie der Ionen ausgetauscht wird. Dadurch fällt die Temperatur des geladenen Teilchens nicht schnell genug ab. „Die jetzige Umsetzung stellt eine praktisch realisier­bare Weiter­entwicklung des Konzepts von 1990 dar. Anstatt innerhalb von zwei Minuten findet der Energie­austausch zwischen den Fallen hier innerhalb von einer Sekunde statt“, sagt Christian Smorra.

JGU Mainz / JOL

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