12.03.2024

Neue Einblicke in die Planetenentstehung

Eine der größten jemals durchgeführten Durchmusterungen von planetenbildenden Scheiben.

Durch eine Reihe von Studien hat ein Team von Astro­nominnen und Astronomen neue Einblicke in den komplexen Prozess der Planeten­bildung gewonnen. Die beein­druckenden Bilder, die mit dem Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile aufgenommen wurden, stellen eine der größten jemals durchgeführten Durch­musterungen von planeten­bildenden Scheiben dar. Die Untersuchung vereint Beobachtungen von mehr als achtzig jungen Sternen, um die sich möglicher­weise Planeten gebildet haben, und liefert der astro­nomischen Fachwelt eine Fülle von Daten und einzigartige Einblicke in die Entstehung von Planeten in verschiedenen Regionen unserer Galaxie.

Abb.: Auswahl von planetenbildenden Scheiben in drei Wolken der Milchstraße.
Abb.: Auswahl von planetenbildenden Scheiben in drei Wolken der Milchstraße.
Quelle: C. Ginski, A. Garufi, P.-G. Valegård et al. / ESO

„Wir erleben hier wirklich einen Wandel in unserem Forschungsgebiet“, sagt Christian Ginski, Dozent an der irischen Universität Galway. „Von der detaillierten Untersuchung einzelner Sternsysteme sind wir zu diesem riesigen Überblick über ganze Sternentstehungs­gebiete übergegangen.“ Bislang wurden mehr als 5000 Planeten entdeckt, die andere Sterne als die Sonne umkreisen, oft in Systemen, die sich deutlich von unserem eigenen Sonnensystem unterscheiden. Um zu verstehen, wo und wie diese Vielfalt entsteht, müssen die Forschenden die staub- und gasreichen Scheiben beobachten, die junge Sterne umhüllen – die eigentlichen Wiegen der Planeten­bildung. Diese sind am besten in riesigen Gaswolken zu finden, in denen die Sterne selbst gerade entstehen.

Ähnlich wie bei entwickelten Planeten­systemen zeigen die neuen Bilder die außergewöhnliche Vielfalt der planetenbildenden Scheiben. „Einige dieser Scheiben zeigen riesige Spiralarme, die vermutlich durch das komplizierte Ballett der sie umkreisenden Planeten angetrieben werden“, sagt Ginski. „Andere zeigen Ringe und große Hohlräume, die von den sich bildenden Planeten geschaffen wurden, während wieder andere inmitten all dieser Betriebsamkeit unscheinbar und fast schlafend erscheinen“, sagt Antonio Garufi vom Astro­physikalischen Observatorium Arcetri des Italienischen Nationalen Instituts für Astrophysik (INAF).

Das Team untersuchte insgesamt 86 Sterne in drei verschiedenen Sternentstehungs­gebieten unserer Galaxie: Taurus und Chamäleon I, beide etwa 600 Lichtjahre von der Erde entfernt, und Orion, eine gasreiche Wolke etwa 1600 Lichtjahre von uns entfernt. Es ist bekannt, dass dort mehrere Sterne entstehen, die massereicher als die Sonne sind. Die Beobachtungen wurden von einem großen inter­nationalen Team, bestehend aus Wissenschaftlern aus mehr als zehn Ländern, durchgeführt. Das Team konnte mehrere wichtige Erkenntnisse aus dem Datensatz gewinnen. So wurde beispielsweise im Orion festgestellt, dass Sterne in Gruppen von zwei oder mehr Sternen mit geringerer Wahrschein­lichkeit große planeten­bildende Scheiben haben. Ein wichtiges Ergebnis, wenn man bedenkt, dass die meisten Sterne in unserer Galaxie, anders als unsere Sonne, Begleiter haben. Weiterhin deutet das ungleich­mäßige Aussehen der Scheiben in dieser Region auf eingebettete, massereiche Planeten hin, die zu einer Verformung und Schieflage der Scheiben führen können.

Zur Beobachtung der Scheiben setzte das Team das hochmoderne Spectro-Polarimetric High-contrast Exoplanet REsearch Instrument (SPHERE) ein, das am VLT montiert ist. Das innovative extreme Adaptive-Optik-System von SPHERE korrigiert die turbulenten Effekte der Erd­atmosphäre und liefert so scharfe Bilder der Scheiben. Dadurch konnte das Team Scheiben um Sterne mit Massen von nur der Hälfte der Sonnenmasse abbilden, die für die meisten anderen heute verfüg­baren Instrumente zu lichtschwach sind. Zusätzliche Daten für die Durch­musterung wurden mit dem X-Shooter-Instrument des VLT gewonnen, mit dem die Forschenden feststellen konnten, wie jung und massereich die Sterne sind. Das Atacama Large Millimeter/submilli­meter Array (ALMA) half dem Team hingegen, mehr über die Staubmenge zu erfahren, die einige der Sterne umgibt.

Im Zuge des techno­logischen Fortschritts hofft das Team, noch tiefer in die Herzen der planeten­bildenden Systeme eindringen zu können. Der große 39-Meter-Spiegel des künftigen Extremely Large Telescope (ELT) wird es dem Team beispielsweise ermöglichen, die innersten Regionen um junge Sterne zu untersuchen, in denen sich möglicherweise Gesteins­planeten wie unser eigener bilden. Bis dahin bieten diese spektakulären Bilder den Forschern eine Fundgrube an Daten, die helfen, die Geheimnisse der Planetenentstehung zu entschlüsseln. „Es ist fast schon poetisch, dass die Prozesse, die den Beginn der Reise zur Ausbildung von Planeten und schließlich von Leben in unserem eigenen Sonnensystem markieren, so schön sein sollen“, folgert Per-Gunnar Valegård von der Universität Amsterdam.

MPIA / ESO / JOL

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