24.11.2020

Nanodiamanten unter optischer Kontrolle

Quantenemitter lassen sich vollständig in nanophotonischen Schaltkreisen integrieren.

Mikroskopisch kleine Strukturen erreichen mittlerweile Maße unterhalb der Wellenlänge des Lichts. Auf diese Weise wird es möglich, die bisherigen Grenzen der Optik zu überwinden und die Quanten­eigenschaften des Lichts nutzbar zu machen. So lassen sich Quantenemitter unter anderem in Nano­diamanten einbetten. Wissenschaftlern der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster ist es jetzt erstmals gelungen, Nanodiamanten vollständig in nano­photonischen Schaltkreisen zu integrieren und gleichzeitig optisch zu adressieren. Dabei wird grünes Laserlicht gezielt zu Farbzentren in den Nanodiamanten geführt und die dort erzeugten roten einzelnen Photonen in ein Netzwerk von optischen Bauelementen gesendet. Dadurch können die Wissen­schaftler Quantensysteme vollständig integriert kontrollieren. 

Abb.: Illustration der nano­photonische Inte­gration zur gleichzeitigen...
Abb.: Illustration der nano­photonische Inte­gration zur gleichzeitigen Kontrolle vieler quanten­mechanischer Spins in Nano­diamanten. (Bild: P. Schrinner, AG Schuck)

Bislang waren aufwendige Mikroskop-Aufbauten nötig, um diamanten­basierte Quantensysteme zu kontrollieren. Mit Fabrikations­techniken, die der Chip-Herstellung von Computer­prozessoren ähneln, kann eine vergleichbare Lichtführung mit Wellenleitern auf einem Silizium-Chip realisiert werden. Diese Nanometer großen Lichtwellenleiter wurden mit dem Elektronenstrahl-Lithografen und der reaktiven Ionenätz-Anlage der Münster Nano­fabrication Facility (MNF) hergestellt. „Bei uns ist der Versuchsaufbau auf ein paar hundert Quadratmikrometer zusammengeschrumpft. Das bringt nicht nur Platzvorteile in Hinsicht auf zukünftige Anwendungen mit Quanten­systemen in großen Stückzahlen, sondern erlaubt erstmals die Kontrolle mehrerer solcher Quantensysteme gleichzeitig“, erläutert Carsten Schuck, der die Arbeiten mit Doris Reiter leitete.

In Vorarbeiten haben die Wissenschaftler geeignete Schnittstellen zwischen den Nanodiamanten und nano­photonischen Schaltungen entwickelt. Diese Schnitt­stellen wurden in den neuen Experimenten angewendet und setzen die Kopplung von Quantenemittern an Wellenleitern besonders effektiv um. Bei den Experimenten machten sich die Physiker den Purcell-Effekt zunutze, der dafür sorgt, dass der Nanodiamant die einzelnen Photonen anstatt in eine zufällige Richtung mit einer erhöhten Wahrschein­lichkeit in den Wellenleiter abstrahlt. Den Wissen­schaftlern gelang es darüber hinaus, zwei Magnetfeld-Sensoren, die auf den integrierten Nanodiamanten basieren, parallel auf einem Chip zu betreiben, was bisher nur einzeln beziehungs­weise nacheinander möglich war.

Um das zu ermöglichen, haben die Forscher die inte­grierten Nanodiamanten mit Mikrowellen bestrahlt und somit gezielt den Spin der Farbzentren verändert. Die Ausrichtung des Spins beeinflusst die Helligkeit des Nanodiamanten, welche anschließend mit Hilfe der optischen Zugänge ausgelesen wurde. Die Frequenz der Mikrowellen­strahlung, bei der Helligkeits­unterschiede zu beobachten sind, hängt von dem Magnetfeld am Ort des Nanodiamanten ab. „Die hohe Empfind­lichkeit zu einem lokalen Magnetfeld erlaubt es Sensoren zu bauen, mit denen man einzelne Bakterien und sogar einzelne Atome detektieren kann“, erklärt Philip Schrinner.

Als erstes berechneten die Wissenschaftler die nano­photonischen Schnitt­stellen-Designs mit 3-D-Simulationen und ermittelten somit die optimalen Geometrien. Anschließend fügten sie diese Bauelemente in eine photonische Schaltung zusammen. Nachdem die Nanodiamanten mit einer angepassten Technik integriert und charak­terisiert worden waren, führte das Team die quantenmechanischen Messungen mit einem eigens dafür konstruierten Aufbau durch. „Das Arbeiten mit diamanten­basierten Quantensystemen in nano­photonischen Schaltkreisen erlaubt einen neuen Zugang, da man nicht mehr durch die Mikroskop-Aufbauten limitiert ist. Durch unser Verfahren wird man zukünftig in der Lage sein, eine große Anzahl dieser Quantensysteme auf einem Chip gleichzeitig zu kontrollieren und auszulesen“, sagt Doris Reiter.

Die Arbeit ermöglicht weitere Studien im Bereich der Quantenoptik, bei denen die Nanophotonik eingesetzt werden kann, um die photo­physikalischen Eigenschaften der Diamantemitter zu verändern. Darüber hinaus ergeben sich neue Anwendungs­möglichkeiten in der Quantensensorik und Quanten­informations­verarbeitung. Die nächsten Schritte umfassen die Realisierung von Quantensensoren im Bereich der Magnetfeld-Messtechnik, wie sie etwa bei Material­untersuchungen von Halbleiter­bauelementen oder Hirnscans eingesetzt werden. „Dazu wollen wir eine große Anzahl von Sensoren auf einem Chip integrieren, die dann alle gleichzeitig ausgelesen werden und so nicht nur das Magnetfeld an einem Ort erfassen, sondern direkt Magnet­feld-Verläufe im Raum sichtbar machen können“, kündigt Carsten Schuck an.

WWU Münster / JOL

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