21.01.2022 • Materialwissenschaften

Mit Physik mehr Bier im Glas

Superamphiphobe Oberflächen können bei der Vermeidung von Schaum helfen.

Schaumbildung und eine lange Haltbarkeit des Schaums ist bei Bier in einem Glas gewünscht – bei der Bier­ab­füllung sollte Schaum jedoch vermieden werden, um den Abfüll­prozess zu beschleunigen. Auch in anderen industriellen Prozessen ist Schaumbildung oft unerwünscht, insbesondere, wenn es zu Verschüttungen oder zu Belastungen der Umwelt kommt.

Abb.: Eine super­amphi­phobe Ober­flächen­be­schich­tung auf einem Glas...
Abb.: Eine super­amphi­phobe Ober­flächen­be­schich­tung auf einem Glas kann Schaum­bildung ohne Ein­satz von Addi­tiven redu­zieren oder gar ver­hindern – wichtig bei­spiels­weise bei indus­tri­ellen Ab­füll­pro­zessen. (Bild: MPI-P)

In Schäumen sind benachbarte Luftblasen durch einen dünnen Flüssigkeitsfilm vonein­ander getrennt. Stabilisiert wird der Flüssig­keits­film durch oberflächen­aktive Stoffe wie Tenside, Lipide oder Proteine, die sich an der Wasser-Luft-Grenzfläche anlagern. Viele Flüssig­keiten, wie Bier, enthalten solche grenz­flächen­aktive Moleküle. Zur Vermeidung von Schaum müssen deshalb zusätzliche Chemikalien zugesetzt werden, wie beispiels­weise Öle, Wachse oder Mikropartikel. Sie unterstützen, dass benachbarte Luftblasen miteinander verschmelzen und somit Schaum schnell zerfällt.

Ein Team um Doris Vollmer am MPI für Polymer­forschung hat jetzt die Wirkung von super­amphi­phoben Oberflächen auf Schaum näher untersucht. Diese Oberflächen besitzen eine mikroskopische Rauigkeit und verhindern so, dass Flüssig­keiten an ihnen haften: Die Flüssigkeit sitzt auf kleinen, nur wenige Mikrometer großen Säulen und einer kontinuier­lichen Luftschicht. Bekannt ist dieser Effekt beispiels­weise vom Lotusblatt.

„Wir haben uns die Frage gestellt, ob wir mit solchen Oberflächen die Bildung von Schaum verhindern können oder auch bereits existierenden Schaum auflösen können“, so William Wong vom MPI für Polymer­forschung. Die Idee dahinter ist, dass die feinen Säulen bei Kontakt die Blasen des Schaums destabi­li­sieren und zum Platzen bringen, ähnlich wie wenn mit einer Nadel in einen Luftballon gestochen wird. Die Luft im Schaum wird dann freigesetzt, und kann durch die kontinuier­liche Luftschicht in der super­amphi­phoben Schicht entweichen. Das Resultat: Der Schaum löst sich auf, ohne dass chemische Zusätze oder mechanisches, energie­auf­wändiges Rühren erforderlich sind.

Zum experimentellen Nachweis ihrer Idee haben die Forscher Gläser innen mit einer dünnen, super­amphi­phoben Schicht beschichtet und danach mit Bier und Seifen­wasser befüllt. Um die Schaumbildung und den Zerfall des Schaums genau zu untersuchen, kamen verschiedenste wissen­schaftliche Methoden zum Einsatz, wie Highspeed-Fotografie und digitale Holographie. „Unserer Meinung nach wurden die Eigen­schaften solcher Oberflächen im Zusammenhang mit Schaum lange unterschätzt“, so Vollmer. „Wir konnten zeigen, dass super­amphi­phobe Ober­flächen bereits existierenden Schaum effizient zerstören, wie auch Schaum­bildung von vornherein verhindern können.“ Daher könnten die beschichteten Glasflächen in Zukunft helfen, Abfüll­prozesse zu beschleunigen, ohne zusätzliche Stoffe hinzufügen zu müssen.

MPI-P / RK

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