15.03.2024

Mikroskop schaut auf ultraschnelle Elektronenprozesse

Verschiebung eines elektronischen Energieniveaus mit atomaren Schwingungen schneller als eine billionstel Sekunde.

Elektronische Energie­niveaus können durch Stöße mit anderen Elektronen oder Atomen verschoben werden. Solche Vorgänge spielen sich meist auf atomaren Maßstäben ab und sind zudem extrem schnell. Einem Team der Universität Regensburg ist es nun mit einem neuartigen ultra­schnellen Mikroskop gelungen, mit atomarer Auflösung auf ultra­schneller Zeitskala direkt zu beobachten, wie die Energie eines einzelnen Elektrons durch die Schwingungen der umgebenden Atome moduliert wird. Mehr noch – sie konnten diesen Vorgang auch gezielt kontrollieren. Solche Entdeckungen könnten entscheidend sein, um superschnelle Quanten­technologien zu entwickeln.

Abb.: Ein diskretes Energieniveau einer Fehlstelle in einer Monolage aus...
Abb.: Ein diskretes Energieniveau einer Fehlstelle in einer Monolage aus Wolframselenid wird durch die atomare Bewegung einer Trommelschwingung verschoben. Die zeitliche Entwicklung des lokalisierten Energieniveaus wird mittels ultraschneller Rastertunnelspektroskopie verfolgt.
Quelle: B. Baxley

Die Physikerinnen und Physiker erforschten an einer atomar dünnen Materiallage, wie sich ein diskretes Energieniveau verändert, wenn sich diese atomare Lage wie eine Trommel­membran auf und ab bewegt. Das beobachteten sie an einer Fehlstelle. Solche atomar dünnen zwei­dimensionalen Kristalle sind besonders interessant für künftige Nanoelektronik. Fehlende Atome in einem Kristall sind heiße Kandidaten für Qubits, die elementaren Informations­träger eines Quantencomputers, da sie genau wie einzelne Atome diskrete elektronische Energieniveaus besitzen. Die Forschenden stellten fest, dass sie ein diskretes Energieniveau der Fehlstelle durch Anstoß einer Trommelschwingung verändern können: die atomare Bewegung der atomar dünnen Materiallage beeinflusst das diskrete Energieniveau und kann somit das Energieniveau kontrollieren. 

Um diese Entdeckung zu machen, mussten die Forschenden einige Hürden überwinden. Für die Beobachtung atomar lokali­sierter Energieniveaus und ihrer Dynamik benötigt man atomare Ortsauflösung von einem Ångström. Außerdem läuft Bewegung extrem schnell ab. „Um aufzuzeichnen, wie sich so ein Energieniveau verschiebt, muss man strobo­skopisch Schnapp­schüsse des Energieniveaus machen, wobei jede Momentaufnahme in weniger als einer billionstel Sekunde entstehen muss, schneller als eine Pikosekunde“, erklärt Carmen Roelcke. All diese Heraus­forderungen meisterte das Team um Carmen Roelcke, Lukas Kastner und Yaroslav Gerasimenko in einer raffinierten Methode, bei der sie die Energie- und Ortsauflösung eines Rastertunnel­mikroskops nutzen. 

Gleichzeitig ermöglichen maßgeschneiderte ultrakurze Laserpulse, sehr schnelle Bewegungen in Zeitlupe aufzunehmen. Dabei schaffte das Wissen der Gruppen von Jascha Repp und Rupert Huber die entscheidende Synergie für das benötigte ultraschnelle Quanten­mikroskop. „Mit unserer neuartigen Methode konnten wir den Zusammenhang zwischen der strukturellen Bewegung der atomaren Trommel­membran und der Verschiebung des lokalisierten Energieniveaus in Zeitlupe entschlüsseln“, sagt Yaroslav Gerasimenko. Quanten­theoretische Rechnungen von Maximilian Graml und Jan Wilhelm erklären schlüssig, warum und wie sich die Atome in der atomar dünnen Lage während der Schwingung bewegen und wie diese Bewegung die diskreten Energie­niveaus beeinflussen kann.

Die Arbeit im Regensburger Team begründet eine neue Ära zur Erforschung von Dynamik atomar lokalisierter Energie­niveaus und ihrer Wechselwirkung mit ihrer Umgebung. Diese Entdeckung ermöglicht es, diskrete Energieniveaus unmittelbar lokal zu kontrollieren. Beispiels­weise könnte durch die Bewegung einzelner Atome die Energiestruktur eines Materials verändert werden und dadurch neue Funktiona­litäten entstehen oder gezielt Eigenschaften Licht emittierender Halbleiter und Moleküle verändert werden. Man erhofft sich, durch die kombinierte extreme Raum-, Zeit- und Energieauflösung zu verstehen, wie Elektronen mit Schwingungen des Kristall­gitters lokal wechselwirken. Dieser Ansatz könnte auch helfen, die Geheimnisse von Schlüssel­prozessen zu lüften, die hinter bisher noch unverstandenen Phasen­übergängen wie der Hochtemperatur-Supraleitung stecken.

U. Regensburg / JOL

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