29.06.2020 • Energie

Mehr Solarstrom durch Lockdown

Sauberere Luft steigert die Stromausbeute signifikant.

Ein bemerkens­werter Nebeneffekt des Corona-Lockdowns war der Rückgang der menschen­gemachten Luftverschmutzung. Dies lässt sich unter anderem an der Leistung von Solaranlagen ablesen. Die saubere Luft führte dazu, dass mehr Sonnenlicht zu Photovoltaik­anlagen durchdrang und diese mehr Strom produzierten, wie Wissenschaftler des Helmholtz-Institut Erlangen Nürnberg gemeinsam mit ihren Partnern nachweisen konnten. Die Forscher konzentrierten sich in ihrer Studie auf die Metropole Delhi in Indien. Dort lag der Ertrag der Solaranlagen im späten März um 8,3 Prozent über den Werten der vergangenen drei Jahre um dieselbe Zeit.

Abb.: Dank der saubereren Luft während des Corona-Lockdowns produzieren...
Abb.: Dank der saubereren Luft während des Corona-Lockdowns produzieren Solar­kraftwerke mehr Strom. (Bild: J. O. Löfken)

„Delhi ist weltweit eine der Metropolen mit der stärksten Luft­verschmutzung“, sagt Ian Marius Peters zur Ortswahl der aktuellen Studie. Er ist Wissenschaftler am Helmholtz-Institut Erlangen Nürnberg für Erneuerbare Energien, das das Forschungs­zentrum Jülich als Außenstelle in enger Kooperation mit der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg und dem Helmholtz-Zentrum Berlin betreibt. „Hinzu kam, dass Indien einen drastischen und plötzlichen Lockdown verordnete, als die Covid-19-Pandemie in Indien ankam. Das heißt, der Rückgang der Luftver­schmutzung begann sehr plötzlich. Das machte es einfacher, ihn in Messdaten zu erkennen“, erläutert Peters. Gemeinsam mit seinen Kollegen hatte er bereits vor der Corona-Pandemie in verschiedenen Städten, unter anderem in Delhi, Daten erhoben, anhand derer sie die aktuellen Abweichungen berechnen konnten. Dabei hatten sie das Verhältnis von Feinstaub­konzentrationen und solarer Einstrahlung untersucht, also wie viel Sonnenlicht durch Dunst und Luftverschmutzung an den Solarpanels tatsächlich ankam und wie sich das auf den Ertrag der Anlagen auswirkte.

Für die neuer­lichen Messungen während des Lockdowns in Delhi und danach nutzten sie dieselbe Photovoltaik-Anlage und Messtechnik wie zuvor – eine Anlage, die in Paschim Vihar installiert ist, das ist ein Wohngebiet, welches etwa zehn Kilometer vom Zentrum Delhis entfernt liegt. Diese ist mit einem Pyranometer ausgestattet, das die Sonnen­einstrahlung misst. Die Daten der Feinstaub­konzentration stammen aus einer Messreihe an der US-Botschaft in Delhi, die stündlich Werte erfasste. Das Team fand heraus, dass die Sonneneinstrahlung Ende März – also nach Beginn des Lockdowns am 24. März – mittags bei 950 Watt pro Quadratmeter lag. Zu den gleichen Zeitpunkten in den Jahren zuvor – 2017 bis 2019 – hatte sie bei 880 Watt pro Quadrat­meter gelegen. Das ist eine Erhöhung um 8,3 Prozent. Die vorliegenden Informationen zu Luftqualität und Feinstaub ließen den Schluss zu, dass die sauberere Luft die haupt­sächliche Ursache für die größere Sonnen­einstrahlung darstellte – und damit für den höheren Ertrag der Solaranlage. „Die Veränderung durch die sauberere Luft in Delhi ist vergleichbar mit dem, was man als Ertragsunterschied zwischen einer Photo­voltaikanlage im eher regnerischen England und einer iden­tischen Anlage im eher sonnigen Nürnberger Raum hat“, sagt Peters. „Ich hatte schon eine Differenz erwartet, jedoch hat es mich überrascht, wie deutlich der Effekt zutage trat.“

Denselben Effekt erwarten die Forscher in anderen, vergleich­baren Metropolen, die normaler­weise unter hoher Luftverschmutzung leiden und im Zuge der Covid-19-Pandemie in einen Lockdown gingen. Sie weisen darauf hin, dass in weniger luft­verschmutzten Gebieten und Städten der in Delhi beobachtete Effekt hingegen kleiner ausfiele. In einer ländlichen Region im Norden Italiens zum Beispiel, dem ersten europäischen Land, das starke Ein­schränkungen wegen Covid-19 verordnete, stellten sie keinen statistisch signi­fikanten Unterschied in der Luftver­schmutzung fest. Die Erkenntnisse bilden nach Ansicht der Wissenschaftler eine solide Basis, um die Auswirkungen von Luftverschmutzung auf die Nutzung von Sonnenenergie weiter zu erforschen. 

„Die Pandemie ist in vielerlei Hinsicht ein dramatisches Ereignis. Die Welt wird verändert daraus hervorgehen“, sagt Peters. „Wir haben einen kleinen Eindruck bekommen, wie eine Welt mit saubererer Luft aussieht. Sonnen­kollektoren können eine wichtige Rolle spielen, um die Klima-Kurve abzuflachen. Mehr Solaranlagen einzusetzen könnte einen positiven Verstärkungs­prozess vorantreiben, der zu klarerer und saubererer Luft führt.“

FZJ / JOL

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