20.11.2019 • Photonik

Maßgeschneiderter Lichtstrahl als Pinzette

Optimierung der Wellenform erleichtert Manipulation kleiner Objekte mit Licht.

Optische Pinzetten werden heute dafür verwendet, Moleküle oder kleine biologische Partikel zu mani­pu­lieren. Sogar Viren oder Zellen können damit fest­ge­halten oder gezielt bewegt werden. Allerdings funktionieren die Licht­pinzetten nur, wenn sich das fest­ge­haltene Objekt im leeren Raum befindet. Jede störende Umgebung würde die Licht­wellen ablenken und den Effekt kaputt­machen. Gerade bei biologischen Proben ist das ein Problem, denn sie sind meistens in eine räumlich sehr komplexe Umgebung ein­ge­bettet.

Abb.: Intensitätsverteilung eines elektrischen Wellenfeldes, das ein...
Abb.: Intensitätsverteilung eines elektrischen Wellenfeldes, das ein wohldefiniertes Drehmoment auf das quadratische Target ausübt. (Bild: TU Wien)

An der TU Wien wurde jetzt gezeigt, wie man aus dieser Not eine Tugend machen kann: Forscher entwickelten eine spezielle Rechen­methode, um die optimale Licht­wellen­form zu ermitteln, mit der man kleine Teilchen in Anwesen­heit einer störenden Umgebung mani­pu­lieren kann. So wird es möglich, einzelne biologische Teilchen im Inneren einer Probe fest­zu­halten, sie zu bewegen oder zu drehen – auch wenn man sie nicht direkt berühren kann. Mit Mikro­wellen-Experi­menten wurde bereits demonstriert, dass die Methode funktioniert.

„Laserstrahlen zur Manipulation von Materie ein­zu­setzen, ist längst nichts Unge­wöhn­liches mehr“, erklärt Stefan Rotter von der TU Wien. Doch Licht­wellen sind empfind­lich: In einer ungeordneten, unregel­mäßigen Umgebung können sie auf hoch­komplizierte Weise abgelenkt und in alle Richtungen gestreut werden. Aus einer völlig regel­mäßigen Licht­welle wird dann ein wirres, unge­ordnetes Wellen­muster. Die Wirkung auf ein bestimmtes Partikel, das man mani­pu­lieren möchte, kann sich dadurch völlig verändern.

„Diesen Streueffekt kann man jedoch kompensieren“, erklärt Michael Horodynski von der TU Wien. „Im Speziellen berechnen wir, wie man die Welle anfangs formen muss, damit sie von den Unregel­mäßig­keiten einer unge­ordneten Umgebung genau in die Form gebracht wird, die wir wollen.“ Die Lichtwelle sieht in diesem Fall zunächst also recht ungeordnet und chaotisch aus, wird durch die ungeordnete Umgebung aber zu etwas Geordnetem. Die vielen kleinen Störungen, die normaler­weise das Experiment unmöglich machen, nützt man hier aus, um genau die gewünschte Wellenform zu erzeugen, die dann an einem bestimmten Partikel ihre Wirkung entfaltet.

Damit das gelingt, wird das Partikel samt seiner ungeordneten Umgebung zunächst mit verschiedenen Wellen beleuchtet. Dabei misst man, auf welche Weise die Wellen reflektiert werden. Diese Messung führt man zweimal kurz hinter­ein­ander durch. „Angenommen, in der kurzen Zeit zwischen den beiden Messungen bleibt die ungeordnete Umgebung ziemlich gleich, während sich das Partikel, das wir mani­pu­lieren wollen, ein kleines bisschen verändert“, sagt Rotter. „Denken wir etwa an eine Zelle, die sich bewegt oder einfach nur ein winziges Stück nach unten sinkt. Dann wird die Lichtwelle, die wir hinein­schicken, bei der zweiten Messung ein kleines bisschen anders reflektiert als beim ersten Mal.“ Und genau dieser winzige Unterschied ist entscheidend: Mit der neuen Rechen­methode des Forscher­teams kann man daraus berechnen, welche Welle man verwenden muss, um diese Partikel­bewegung zu verstärken oder abzuschwächen.

„Wenn das Partikel langsam nach unten sinkt, können wir eine Welle berechnen, die dieses Absinken verhindert, oder das Partikel noch schneller absinken lässt“, sagt Rotter. „Wenn sich das Partikel ein kleines bisschen dreht, dann können wir eine Welle berechnen, die den maximalen Drehimpuls überträgt – wir bringen somit das Partikel dann mit einer speziell geformten Lichtwelle zum Rotieren, ohne es direkt zu berühren.“

Gemeinsam mit Projektpartnern an der Uni Nizza konnte das Team die Rechen­methode in der Praxis umsetzen. Dabei verwendeten die Forscher zufällig angeordnete Teflon-Objekte, die sie mit Mikro­wellen bestrahlten – und tatsächlich gelang es auf diese Weise, genau jene Wellen­formen zu erzeugen, die durch die Unordnung des Systems am Ende genau die gewünschte Wirkung zeigten. „Das Mikro­wellen­experiment zeigt, dass unsere Methode funktioniert“, so Rotter. „Aber das eigentliche Ziel ist, sie nicht mit Mikro­wellen sondern mit sicht­barem Licht einzusetzen. Das könnte für optische Pinzetten völlig neue Anwendungs­gebiete erschließen und speziell in der biologischen Forschung erlauben, kleine Partikel auf eine Weise zu kontrollieren, die bisher völlig unmöglich war.“

TU Wien / RK

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