02.07.2020 • Energie

Lithium aus dem Erdwärmekraftwerk

Neues Verfahren kann Lithium aus den Tiefengewässern des Oberrheingrabens gewinnen.

Ob Netzspeicher, Elektromobilität oder tragbare Elektronik – Lithium­ionen-Akkus sind aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Für die Produktion werden jedes Jahr Millionen Tonnen Lithium gefördert – bislang allerdings fernab von Deutschland. Eine Erfindung aus dem Karlsruher Institut für Tech­nologie KIT könnte nun aber auch hierzulande einen wirt­schaftlichen Abbau ermöglichen. Lithium soll dabei minimal­invasiv in Geothermie­anlagen aus den Tiefen­gewässern des Oberrhein­grabens gefördert werden.

Abb.: Mit einem minimal­invasiven Verfahren könnten jedes Jahr tausende...
Abb.: Mit einem minimal­invasiven Verfahren könnten jedes Jahr tausende Tonnen Lithium aus dem deutschen und fran­zösischen Ober­rheingraben gefördert werden. (Bild: A. Bramsiepe, KIT)

Gelöst in salzigen Thermalwasser­reservoiren des Oberrhein­grabens befinden sich beträchtliche Mengen des Elements Lithium. „Nach unseren Kenntnissen können es bis zu 200 Milligramm pro Liter sein“, sagt Geowissen­schaftler Jens Grimmer vom KIT-Institut für Angewandte Geowissen­schaften: „Wenn wir dieses Potenzial konsequent nutzen, dann könnten wir in Deutschland einen erheblichen Teil unseres Bedarfs decken.“ Aktuell ist Deutschland ein Netto­importeur des begehrten Rohstoffs, der vor allem für die Produktion von Batteriezellen für Elektro­fahrzeuge benötigt wird und somit für das Klimaschutz­programm der Bundesregierung von großer Bedeutung ist. Importiert wird aus den typischen Förderländern Chile, Argentinien und Australien, die mehr als achtzig Prozent der weltweiten Produktion auf sich vereinen.

Was eine Nutzung der heimischen Reserven bislang verhinderte, war das Fehlen eines geeigneten Verfahrens, um diese Ressource kosten­günstig, umweltschonend und nachhaltig zu erschließen. Gemeinsam mit seiner Kollegin Florencia Saravia von der Forschungs­stelle des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW) am Engler-Bunte-Institut (EBI) hat Grimmer ein solches Verfahren entwickelt und dieses wurde nun zum Patent angemeldet. „Dabei werden in einem ersten Schritt die Lithiumionen aus dem Thermal­wasser heraus­gefiltert und in einem zweiten Schritt weiter konzentriert, bis Lithium als Salz ausgefällt werden kann“, so Grimmer. 

Gegenüber den tradi­tionellen Methoden der Lithium­produktion aus den südameri­kanischen Salzseen und den australischen Fest­gesteinen bietet das Grimmer-Saravia-Verfahren einige entscheidende Vorteile: Genutzt wird die bestehende Infrastruktur von Geothermie-Anlagen, durch die pro Jahr bis zu zwei Milliarden Liter Thermal­wasser strömen. Im Gegensatz zum klassischen Bergbau fällt deshalb kaum Abraum an und der Flächen­verbrauch ist minimal. Weil das Thermalwasser nach Gebrauch wieder in den Untergrund zurückgeleitet wird, werden keine schädlichen Stoffe freigesetzt und auch die geothermische Strom- und Wärme­produktion wird nicht gestört. Lithium kann im Thermalwasserzyklus der Geothermieanlage kontinuierlich innerhalb von Stunden extrahiert werden, wohingegen die Anreicherung in den südameri­kanischen Salzseen mehrere Monate dauert und stark wetter­abhängig ist. Ein stärkerer Regen kann die dortige Produktion um Wochen oder gar Monate zurückwerfen. Darüber hinaus bietet das Verfahren die Möglichkeit, weitere seltene und werthaltige Elemente wie Rubidium oder Cäsium aus dem Thermal­wasser zu extrahieren, die beispielsweise in der Laser- und Vakuum­technologie benötigt werden.

Da die technisch-ener­getischen Möglich­keiten einer Geothermie-Anlage genutzt werden, hebt sich dieses Verfahren auch in der CO2-Bilanz sehr positiv von den tradierten Verfahren ab. „Wir exportieren viele Umweltprobleme in Drittländer, um unseren Lebensstandard aufrecht­zuerhalten und zu verbessern. Mit diesem Verfahren können wir unserer Verantwortung gerecht werden und wichtige Rohstoffe für moderne Technologien umweltverträglich vor der eigenen Haustür gewinnen“, sagt Saravia. „Darüber hinaus können wir regionale Wertschöpfungs­ketten aufbauen, Arbeits­plätze schaffen und gleichzeitig geopolitische Abhängig­keiten reduzieren.“

Gemeinsam mit Partnern aus der Industrie sind die beiden Wissenschaftler nun dabei eine Testanlage zur Lithium-Gewinnung zu entwickeln. In diesem ersten Prototypen, der in einer Geothermie­anlage im Oberrhein­graben aufgebaut werden soll, werden zunächst einige Kilogramm Lithium­karbonat bzw. Lithiumhydroxid gewonnen. Wenn die Versuche erfolgreich sind, ist der Bau einer Großanlage geplant. Möglich wäre dann eine Produktion von mehreren hundert Tonnen Lithium­hydroxid pro Jahr pro Geothermie-Anlage. Nach aktueller Datenlage belaufen sich die Potenziale im Oberrhein­graben auf deutscher und französischer Seite auf mehrere tausend Tonnen an förderbarem Lithium pro Jahr.

KIT / JOL

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