30.08.2019

Langstrecken-Quantennetzwerk in Reichweite

Mit Materie verschränktes Lichtteilchen erstmals über fünfzig Kilometer langes Glasfaserkabel übertragen.

Das Quanteninternet verspricht absolut abhörsichere Kommunikation und leistungsstarke verteilte Sensornetzwerke für Forschung und Technologie. Weil Quanteninformation nicht kopiert werden kann, ist eine Informationsübertrag über ein klassisches Netzwerk aber nicht möglich. Die Quanteninformation muss mittels Quantenteilchen übertragen werden – und dafür braucht es spezielle Schnittstellen.

 

Abb.: In einem nicht­linearen Kristall wird die Wellen­länge des Photons so...
Abb.: In einem nicht­linearen Kristall wird die Wellen­länge des Photons so verändert, dass es über herkömmliche Glas­faser­leitungen gesendet werden kann. (Bild: IQOQI Innsbruck / H. Ritsch)

An diesen wichtigen Knotenpunkten eines zukünftigen Quanten­internets forscht der Innsbrucker Experimental­physiker Ben Lanyon, der für seine Forschungen 2015 mit dem österreichischen START-Preis ausgezeichnet wurde. Nun ist seinem Team am Institut für Experimental­physik der Universität Innsbruck und am Institut für Quantenoptik und Quanten­information der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ein Rekord für die Übertragung von Quanten­verschränkung zwischen Materie und Licht gelungen. Erstmals konnte über Glasfaser­kabel eine Distanz von fünfzig Kilometern überwunden werden. „Das ist um zwei Größen­ordnungen weiter, als es bisher möglich war, und eine praktikable Distanz für den Bau von regionalen Quanten­netzwerken“, freut sich Ben Lanyon. Lanyons Team ist Teil der Quantum Internet Alliance, einem internationalen Projekt im Rahmen des Quantum Flagship der Europäischen Union.

Lanyons Team nutzte ein in einer Ionenfalle gefangenes Kalziumatom als Ausgangspunkt für das Experiment. Mit Laserstrahlen schreiben die Forscher einen Quanten­zustand in das Ion ein und regen es gleichzeitig zur Aussendung eines Photons an, in dessen Polarisation Quanten­information gespeichert ist. Die Quanten­zustände des Atoms und des Lichtteilchens werden dabei verschränkt. Die Herausforderung besteht nun darin, das Photon durch Glas­faserkabel zu übertragen. „Denn das vom Kalziumion emittierte Photon besitzt eine Wellenlänge von 854 Nanometern und wird vom Glasfaserkabel sehr rasch absorbiert“, erklärt Ben Lanyon. Sein Team schickt deshalb das Licht­teilchen zunächst durch einen nichtlinearen Kristall, der mit einem starken Laser angestrahlt wird. Dabei wird die Wellenlänge des Photons auf den optimalen Wert für lange Strecken umgewandelt: die aktuelle Standard­wellenlänge des Tele­kommunikations­netzes von 1550 Nanometern. So schicken die Innsbrucker Forscher das Photon durch eine fünfzig Kilometer lange Glasfaser­leitung. Messungen zeigen, dass Atom und Lichtteilchen auch nach der Wellenlängen­änderung und der langen Reise noch verschränkt sind.

Als nächsten Schritt zeigen Ben Lanyon und sein Team, dass ihre Methode dazu geeignet ist, Ionen über eine Distanz von hundert und mehr Kilometern zu verschränken. Zwei Knoten senden ein verschränktes Photon über eine Distanz von fünfzig Kilometern zu einer Zwischenstation, wo die Licht­teilchen so vermessen werden, dass sie ihre Verschränkung mit den Ionen verlieren, wodurch diese wiederum miteinander verschränkt würden. Da nun ein hundert Kilometer langer Abstand zwischen den Schnittstellen möglich ist, wäre es vorstellbar in den kommenden Jahren das weltweit erste Intercity-Licht-Materie-Quantennetzwerk zu bauen: Nur eine Handvoll Ionen­fallen­systeme würden benötigt, um beispielsweise ein Quanteninternet zwischen Innsbruck und Wien aufzubauen.

U. Innsbruck / DE

 

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