10.08.2017

Langlebiger Mond-Dynamo

Gesteinsprobe von Apollo 15 liefert neuen Ein­blick in die Ent­wick­lung des lunaren Magnet­felds.

Der Mond besaß in seiner Frühzeit ein globales Magnetfeld mit einer Stärke von 20 bis 110 Mikro­tesla. Das zeigen Unter­suchungen von Gesteins­proben, die im Rahmen der Apollo-Missionen in den Jahren 1969 bis 1972 zur Erde gebracht worden waren. Aller­dings nur bis vor etwa 3,6 Milli­arden Jahren: Messungen an 3,2 Milli­arden Jahren altem Mond­gestein zeigen nur noch Feld­stärken von weniger als vier Mikro­tesla. Hat sich der Mond-Dynamo damals ganz abge­schaltet, oder ist er nur in einen anderen Zustand mit einem schwächeren Magnet­feld über­ge­gangen? Diese Frage konnten die Mond­forscher bislang nicht beant­worten.

Abb.: Die von den Astronauten der Mission Apollo 15 zur Erde gebrachte...
Abb.: Die von den Astronauten der Mission Apollo 15 zur Erde gebrachte Gesteins­probe 15498 liefert Auf­schluss über die Ent­wick­lung des Magnet­felds des Erd­trabanten. (Bild: NASA)

Nach seiner Entstehung vor vier Milliarden Jahren kreiste der Mond zunächst auf einer viel engeren Bahn um die Erde. Die damit verbun­denen starken Gezeiten­kräfte könnten damals den flüs­sigen Kern des Mondes in Bewegung gesetzt und so für einen Dynamo-Effekt und die Ent­stehung des globalen Magnet­felds gesorgt haben. Die Gezeiten­reibung führte jedoch gleich­zeitig auch zu einer Migra­tion des Mondes nach außen. Vor 3,6 Milli­arden Jahren waren dann die Gezeiten­kräfte nicht mehr stark genug, um den Dynamo in dieser Form auf­recht zu erhalten. Zeit­gleich endete auch die Epoche des lunaren Vulka­nismus und damit trat kaum noch Gestein aus dem Inneren des Erd­trabanten an die Ober­fläche.

Und das ist ein Problem für die Mondforscher: Es gibt kaum Gesteins­proben, die jünger als drei Milli­arden Jahre sind. Das Mond­gestein enthält eine Vielzahl winziger Metall­partikel, in denen gewisser­maßen das Magnet­feld zur Zeit der Ent­stehung des Gesteins – also seiner Erstarrung – einge­froren ist. Doch bislang ließ sich so nur die Ent­wick­lung des lunaren Magnet­felds bis vor drei Milli­arden Jahren rekon­stru­ieren. Jetzt jedoch gelang es Forschern um Sonia Tikoo vom Massa­chu­setts Institute of Techno­logy in den USA, die Geschichte des Mond-Dynamos um min­des­tens eine Milliarde Jahre weiter zu verfolgen.

Tikoo und ihre Kollegen analysierten die Probe 15498 der Apollo 15 Mission, in deren Verlauf die Astro­nauten Dave Scott und Jim Irwin 1971 zwei Tage auf dem Mond ver­brachten. Das Gestein stammt vom süd­lichen Rand des Kraters Dune und zeigt sich als Gemisch von Mine­ralien und Gesteins­körnchen, einge­bettet in eine glas­artige Matrix. Das Team bestimmte das Alter der Probe zu 1,0 bis 2,5 Milli­arden Jahren – damit ist sie deut­lich jünger als früher unter­suchte Gesteins­proben. Das Gestein ist offen­bar nicht vulka­nischen Ursprungs, sondern durch einen Aste­ro­iden­ein­schlag auf dem Mond ent­standen. Die Energie des Ein­schlags hat das Gestein geschmolzen und beim Wieder-Erstarren hat es – genau wie bei den vulka­nischen Gesteinen – das damals herr­schende lunare Magnet­feld in seinem Inneren einge­froren.

Tikoo und ihren Kollegen gelang es, mit ausgefeilten Experimenten die Stärke des Magnet­felds zur Ent­stehungs­zeit der Probe 15498 zu etwa fünf Mikro­tesla zu bestimmen. Das ist zwar zehn­mal schwächer als das heutige Magnet­feld der Erde, aber immer noch tausend Mal stärker als das inter­planeta­rische Magnet­feld im Sonnen­system. Zumin­dest bis vor 2,5 Milli­arden Jahren – vielleicht sogar noch erheb­lich länger – besaß der Erd­trabant also noch ein wenn auch schwaches, aber doch signi­fi­kantes globales Magnet­feld. Die Forscher vermuten, dass im Inneren des Mondes heiße Materie aufge­stiegen und kalte Materie abge­sunken ist – ganz ähn­lich wie in einer Lava­lampe. „Wir nehmen heute an, dass so der Dynamo der Erde funktio­niert“, erläutert Tikoos Kollege Benjamin Weiss, „warum soll es also nicht auch beim Mond so gewesen sein.“ Das Team hofft nun, noch jüngere Gesteins­proben zu finden, um zu unter­suchen, wie lange dieser Dynamo­effekt aktiv war. „Denn heute hat der Mond kein Magnet­feld mehr“, stellt Weiss fest, „der Dynamo muss sich also irgend­wann ganz abge­schaltet haben.“

Rainer Kayser

 

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