09.11.2020 • BiophysikMedizinphysik

Kombination von Kohlenstoffionen- und Immuntherapie für den Kampf gegen Krebs

Neuer Behandlungsansatz zeigt vielversprechende Ergebnisse.

Die Kombination von Kohlen­stoff­ionen- und Immun­therapie könnte zu einem effek­tiven Instrument im Kampf gegen Krebs werden. Viel­ver­sprechende Ergebnisse für den möglichen Nutzen dieser Behand­lungs­kombi­nation hat jetzt ein inter­natio­nales Forscher­team unter der Leitung der Abteilung Biophysik des GSI Helmholtz­zentrums für Schwer­ionen­forschung in Darmstadt veröffent­licht. Auch wenn es sich erst um prä­klinische Ergebnisse handelt und der Weg zur klinischen Anwendung noch weit ist, weisen die aktuellen Befunde doch in eine aussichts­reiche Richtung. Denn das Team konnte zeigen, dass Kohlen­stoff­ionen, wie sie in der am GSI entwickelten Krebs­therapie zum Einsatz kommen, sehr effektiv sein können, wenn sie in Kombi­nation mit „Check­point-Blocker“ genannten Molekülen ein­ge­setzt werden, die das Immun­system gegen die Tumor­meta­stasen stimu­lieren.

Abb.: Alexander Helm aus der Abteilung Biophysik des GSI bei der Arbeit mit...
Abb.: Alexander Helm aus der Abteilung Biophysik des GSI bei der Arbeit mit Zell­kulturen. (Bild: A. Rodríguez Rodríguez, GSI)

Ziel der Forschungs­arbeit war es, die Wirk­sam­keit von konven­tio­neller Strahlen­therapie mit hoch­energe­tischer Röntgen­strahlung und Kohlen­stoff­ionen­therapie in Kombi­nation mit einer Immun­therapie zu vergleichen. Das Immun­system spielt eine wichtige Rolle bei der Vermeidung von Krebs. Im Normalfall erkennt es entartete Zellen und kann diese aus­sortieren. Doch zugleich besitzt es hoch­komplexe Kontroll­mechanismen, um Über­reaktionen zu vermeiden. Gerade das können Krebs­zellen für sich nutzen und die Immun­über­wachung herunter­regulieren. Eine Immun­therapie kann das Immun­system im Kampf gegen den Krebs wieder aktivieren. Sie wird inzwischen häufig bei fort­ge­schrittenen Krebs­erkran­kungen ein­ge­setzt, ist aber leider nur bei einigen Tumor­arten wirksam.

In den anderen Fällen kommt die konven­tio­nelle Strahlen­therapie als zweite Komponente hinzu, die unter bestimmten Bedingungen solche Bremsen des Immun­systems wieder lösen kann. Die strahlen­induzierte Auslösung einer Immun­antwort und deren Verstärkung durch eine Immun­therapie kann vor allem bei der Kontrolle von Metastasen zu guten Ergebnissen – etwa zu einer Verlang­samung des Wachstums – führen. Aber nur ein Teil der Patienten spricht auf diese Therapie­kombination an.

Kann die Strahlen­therapie mit Kohlen­stoff­ionen, die mittler­weile in Heidel­berg und Marburg, sowie in neun weiteren Zentren weltweit für bestimmte Tumor­formen in der klinischen Anwendung ist, hier neue Perspek­tiven eröffnen und dabei helfen, die Meta­sta­sierung besser zu kontrol­lieren? Möglicher­weise ist diese Therapie­form immuno­gener, könnte also eine noch stärkere Immun­antwort auslösen als eine konven­tio­nelle Strahlen­therapie und gemeinsam mit einer Immun­therapie dazu führen, dass mehr Patienten auf diese Therapie­kombi­nation ansprechen. Aufgrund solcher Über­legungen hat das Team in dem aktuellen Experiment, das am Beschleuniger in Chiba, Japan, durch­ge­führt wurde, erstmals direkt Kohlen­stoff­ionen mit konven­tio­neller Röntgen­strahlung in einem Maus­modell verglichen.

Bei der Kontrolle des Primär­tumors – hier ein Osteo­sarkom – lieferten Kohlen­stoff­ionen und Röntgen­strahlen, jeweils mit einer Immun­therapie kombiniert, zunächst ähnliche Resultate. Betrachtet man jedoch das Wachstum der Metastasen, zeigte sich, dass die Meta­sta­sierung deutlich reduziert wird, wenn der Primär­tumor mit Kohlen­stoff­ionen bestrahlt wird und dann eine Immun­therapie folgt. Die Forscher konnten demon­strieren, dass Kohlen­stoff­ionen plus Immun­therapie bei der Kontrolle von Lungen­meta­stasen wirksamer sind als beide Therapien für sich allein genommen und auch wirksamer als Röntgen­strahlen plus Immun­therapie.

Um dieses Potenzial besser ermessen zu können, muss noch viel weitere Forschung erfolgen und gemeinsam mit inter­natio­nalen Partnern schließlich auch der Einsatz in klinischen Studien getestet werden. Marco Durante, Leiter der GSI-Forschungs­abteilung Biophysik, erläuterte die zukünftige Forschung: „Bei GSI/FAIR liegt der Fokus unserer Forschung darauf, die zellulären und molekularen Mechanismen, die eine starke Immun­antwort auslösen, zu verstehen. Ziel ist es, die zentrale Frage zu beantworten: Wie soll bestrahlt werden, um die effi­zien­teste, die beste Immun­antwort zu bekommen im Kampf gegen den Krebs?“

Die Möglichkeiten, auf dem GSI/FAIR-Campus und am künftigen Beschleuniger­zentrum FAIR modernste Molekular­biologie und hoch­energe­tische Schwer­ionen­physik zu kombinieren, versprechen einzig­artigen Erkenntnis­gewinn. Paolo Giubellino, wissen­schaft­licher Geschäfts­führer von GSI und FAIR, betont: „Die vor­liegenden Ergebnisse zeigen das große Potenzial der Kohlen­stoff­ionen­therapie, das noch längst nicht ausge­schöpft ist. Gemeinsam mit unseren nationalen und inter­natio­nalen Partnern wird auch in den nächsten Jahren an diesem hoch relevanten Thema weiter geforscht. Bereits die erste Stufe des FAIR-Experi­men­tier­programms, die FAIR-Phase 0, bietet dafür heraus­ragende Möglich­keiten.“

GSI / RK

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