15.01.2021

Interaktionen zwischen atomar dünnen Schichten

Moiré-Metrologie kombiniert Experiment und Theorie zur Erforschung atomar dünner Strukturen.

Wenn zwei atomar dünne Schichten eines Materials aufeinander­gestapelt und leicht verdreht werden, können sie radikal unter­schiedliche Eigenschaften entwickeln. Manche werden supraleitend, wie bei verdrehtem zwei­schichtigem Graphen, andere nehmen sogar magnetische oder elektronische Eigen­schaften durch die Wechsel­wirkung der beiden Schichten an. Die Heraus­forderung für Wissenschaftler besteht darin, herauszufinden, was genau in diesen ultradünnen Doppel­schichten geschieht und wie sich diese Veränderungen induzieren und einstellen lassen. Ein Forschungsteam aus den USA und Deutschland hat nun mit der Moiré-Metrologie eine bahn­brechende Methode entwickelt, um die Wechsel­wirkung zwischen solchen Schichten abzubilden.

Abb.: Moiré-Metrologie: Die Atome der beiden Schichten bewegen sich auf der...
Abb.: Moiré-Metrologie: Die Atome der beiden Schichten bewegen sich auf der Suche nach einer stabilen Konfi­guration und bilden dabei Domänen (r.). Bei dieser Art der Analyse zeigt die Moiré-Metrologie eine große Über­einstimmung zwischen Experiment (l. o.) und Model­lierung (l. u.). (Bild: D. Halbertal)

Die zwei Schichten eines gestapelten und verdrehten Materials bilden eine großflächige periodische Struktur, eine Moiré-Inter­ferenz. Die Forscher der Columbia und Harvard Universities sowie dem MPSD und der RWTH Aachen untersuchten die atomare Landschaft und die subtilen Eigen­schaften solcher Moiré-Inter­ferenzen, um so das Verständnis dieser Systeme zu vertiefen. Die Moiré-Metro­logie kombiniert dabei experi­mentelle und theoretische Ansätze zur Erforschung solcher atomar dünnen Strukturen.

Das Team wendete die Methode auf drei reprä­sentative verdrehte Systeme an: Zwei­schichtiges Graphen, doppeltes zweischichtiges Graphen und H-gestapeltes MoSe2/WSe2. Mithilfe von diversen bildgebenden Verfahren und detaillierten Model­lierungen ent­schlüsselten die Forscher die im Moiré-Interferenz eingeprägte Material­information und gewannen Informationen über die Wechselwirkung zwischen den Schichten, die mit anderen Mitteln bislang nicht zu erreichen waren. Die Moiré-Metrologie ist jedoch nicht auf ein bestimmtes Material­system beschränkt, sondern kann im gesamten Bereich der verdrehten Doppelschicht­strukturen eingesetzt werden.

Das Herzstück der Moiré-Metrologie ist der Begriff der Relaxation. Wenn zwei atomare Schichten übereinander­gelegt werden, bleiben sie nicht starr liegen. Vielmehr verhalten sie sich wie verformbare Membranen. Sie dehnen und stauchen sich auf der Suche nach stabilen Konfi­gurationen, basierend auf der Wechsel­wirkung zwischen den Schichten. Die Forscher demonstrieren, dass die Infor­mation über die Wechselwirkung in den feinen räumlichen Mustern eingeprägt ist, die nach der atomaren Relaxation entstehen. Sie zeigen, wie diese Information für die untersuchten Fälle extrahiert werden kann und beschreiben die Ein­schränkungen, die die zukünftige Modellierung dieser Systeme beeinflussen werden.

Die Moiré-Metrologie eröffnet den Zugang zu einer bisher uner­reichten Präzision, um die geo­metrischen Interferenz­musters der Gitter der beiden Schichten verstehen. Diese Idee ähnelt der Interferenz von Licht, bei der winzige Veränderungen zwischen zwei Pfaden durch die Untersuchung des Interferenz­musters aufgelöst werden – wie es zum Beispiel beim LIGO-Experiment in bemerkens­werter Weise gelang. Bei der Moiré-Metrologie werden subatomare Verschiebungen der atomaren Position auf ein messbares, großräumiges Muster projiziert.

Zusätzlich zu den theo­retischen Impli­kationen entwickelte das Team auch Relaxations­simulations­werkzeuge als Grundlage für die Modellierung und das Design von ungleichmäßigen Dehnungs­feldern in realistischen Systemen. Sie zeigen eine bemerkens­werte Übereinstimmung mit den experi­mentellen Ergebnissen. 

MPSD / JOL

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