21.10.2020

Integrierter Nano-Schaltkreis aus reinen Magnonen

Meilenstein auf der Suche nach kleineren und energieeffizienteren Bauteilen für die computergestützte Datenverarbeitung.

Ein Forscherteam aus Kaisers­lautern und Wien hat einen integrierten Schalt­kreis aus magnetischem Material und Magnonen entwickelt. Damit lassen sich binäre Daten über­tragen, auf denen die Grund­sprache der heutigen Computer und Smart­phones basiert. Der neue Schalt­kreis ist extrem klein und weist ein strom­linien­förmiges 2D-Design auf, welches etwa zehnmal weniger Energie benötigt als moderne Computer­chips, die CMOS-Techno­logie verwenden. Der aktuelle Magnon-Prototyp ist zwar nicht so schnell wie das CMOS-System. Jedoch eröffnet die erfolg­reiche Demon­stration die Chance, den magnonischen Halbaddierer im Hinblick auf Anwendungen im Quanten- oder neuro­morphen Computing weiter zu erforschen.

Abb.: Die Haupt­funk­tio­nalität des nano­sko­pischen Richt­kopplers...
Abb.: Die Haupt­funk­tio­nalität des nano­sko­pischen Richt­kopplers besteht darin, dass er eine Spin­welle in Ab­hängig­keit von ihrer Frequenz, ihrer Inten­sität oder vom an­ge­legten Magnet­feld in ver­schiedene Aus­gänge leiten kann. (Bild: Q. Wang, U. Wien)

„Wir sind glücklich, dass uns das Vorhaben, welches bereits vor einigen Jahren geplant war, jetzt gelungen ist. Und das Ergebnis ist sogar besser als erwartet“, sagt Andrii Chumak von der Uni Wien. Der erste Entwurf für den Magnonen-Schaltkreis sei noch sehr komplex gewesen. Sein Dank gelte insbesondere Qi Wang von der Uni Kaisers­lautern, der das Design im Projekt­verlauf „mindestens hundert­mal besser“ gemacht habe. „Wir sehen jetzt, dass magnonen­basierte Schaltungen genauso gut sein können wie CMOS. Das reicht jedoch leider noch nicht aus, um die Industrie zu begeistern. Dafür müsste unser Schalt­kreis wahr­scheinlich noch mindestens hundert­mal kleiner sein und hundert­mal schneller arbeiten", so Chumak. „Nichts­desto­weniger eröffnet unser Bauteil fantastische Möglich­keiten jenseits binärer Daten, zum Beispiel für quanten­magnonisches Rechnen bei sehr niedrigen Temperaturen.“ Außerdem sind die Forscher daran interessiert, den Schalt­kreis für neuro­morphe magnonische Computer anzupassen, die sich an der Arbeits­weise des Gehirns orientieren.

Die Komponenten des Nano­schalt­kreises messen weniger als ein Mikro­meter. Der Schalt­kreis setzt sich aus drei Nano­drähten zusammen, die aus einem magnetischem Yttrium-Eisen-Granat bestehen. Die Drähte werden eng aneinander liegend positioniert, um zwei Richtungs­koppler zu bilden, die die Magnonen durch die Drähte führen. Magnonen sind Quanten von Spinwellen. Das Team hat viel Arbeit investiert, um die optimale Nano­draht­länge und den besten Abstand der Drähte zuein­ander heraus­zu­finden.

Beim ersten Koppler, bei dem zwei Drähte sehr nahe anein­ander liegen, wird die Spinwelle in zwei Hälften geteilt. Eine Hälfte geht zum zweiten Koppler, wo sie zwischen den Drähten hin- und herspringt. Abhängig von der Amplitude tritt die Welle entweder am oberen oder am unteren Draht aus, was einer binären „1“ oder „0“ entspricht. Da die Schaltung zwei Richt­koppler enthält, die zwei Informations­ströme addieren, bildet sie einen Halb­addierer, eine der univer­sellsten Kompo­nenten von Computer­chips. Millionen dieser Schalt­kreise können kombiniert werden, um immer komplexere Berechnungen und Funktionen durch­zu­führen.

„Was in normalen Computern typischer­weise Hunderte von Kompo­nenten und 14 Transis­toren erfordert, benötigt hier nur drei Nanodrähte, eine Spinwelle und nicht­lineare Physik“, bringt es Philipp Pirro von der Uni Kaisers­lautern auf den Punkt. Pirro, der an der TU Kaisers­lautern das Fachgebiet des Spintronic-Computing leitet, wird jetzt den Einsatz des Magnon-Schalt­kreises für das neuro­morphe Rechnen erforschen. Hierbei geht es nicht um Daten­ver­arbeitung nach dem binären Prinzip, sondern vielmehr darum, sich der Funktions­weise des mensch­lichen Gehirns anzunähern. Denn Spinwellen sind für ein komplexeres und rausch­tolerantes Design wesentlich besser geeignet. Sie haben auch das Potenzial, deutlich mehr Informa­tionen zu trans­portieren, weil sie zwei Parameter bieten – die Amplitude und die Phase. Beim aktuellen Ansatz hatte das Team die Phase noch nicht als Variable verwendet, um ihn für die binäre Daten­ver­arbeitung möglichst einfach zu halten.

„Wenn dieses Gerät bereits mit CMOS konkur­rieren kann, auch wenn es nicht die volle Leistung des wellen­basierten Ansatzes nutzt, können wir ziemlich sicher sein, dass ein Konzept, welches das volle Leistungs­spektrum der Spinwelle nutzt, in speziellen Bereichen effi­zienter sein kann als CMOS“, sagt Pirro. „Denn das ulti­mative Ziel ist natürlich die Kombi­nation der Stärken der CMOS- und der Magnonik-Techno­logie.“

TU Kaiserslautern / RK

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