16.11.2022

Innerer Aufbau von Neutronensternen enthüllt

Neue Modellrechnungen liefern Erkenntnisse über die extrem dichte innere Struktur von Neutronensternen.

Bislang ist wenig über das Innere von Neutronen­sternen bekannt, jene extrem kompakten Objekte, die nach dem Tod eines Sterns entstehen können. Trotz jahrzehnte­langer theoretischer und experimenteller Bemühungen seit ihrer Entdeckung vor mehr als sechzig Jahren ist der innere Aufbau von Neutronen­sternen noch zum größten Teil unbekannt. Die größte Herausforderung dabei ist es, die extremen Bedingungen im Inneren dieser Sterne zu simulieren, weil diese nicht unter Laborbedingungen auf der Erde nachgestellt werden können. Deshalb existieren zurzeit viele unter­schiedliche mathematische Modelle, die versuchen, die Struktur von Neutronen­sternen – von der Oberfläche bis hin zum inneren Kern – mit Hilfe von Zustands­gleichungen zu beschreiben. Physikern der Goethe-Universität Frankfurt ist es nun gelungen, dem Puzzle um das Innere dieser Sterne einen wichtigen Teil hinzu­zufügen.

Abb.: Die Untersuchung der Schall­geschwin­digkeit hat ergeben, dass schwere...
Abb.: Die Untersuchung der Schall­geschwin­digkeit hat ergeben, dass schwere Neutronen­sterne eine harte Hülle und einen weichen Kern haben, während leichte Neutronen­sterne eine weiche Hülle und einen harten Kern haben. (Bild: P. Kiefer & L. Rezzolla)

Im Arbeitskreis von Luciano Rezzolla am Institut für Theoretische Physik haben Forscher nun mehr als eine Million dieser Zustands­gleichungen konstruiert, von denen jede einzelne mit allen astro­physikalischen Messungen von Neutronen­sternen und bekannten Ergebnissen aus der Kernphysik über­einstimmen. Bei der Analyse dieser riesigen Anzahl von Zustands­gleichungen machten die Wissenschaftler eine erstaunliche Entdeckung: „Leichte” Neutronen­sterne mit einer Masse kleiner als die 1.7-fache Sonnenmasse haben einen weiche äußere Hülle und einen harten Kern, wohingegen „schwere” Sterne mit einer Masse größer als die 1.7-fache Sonnen­masse eine harte Hülle, aber einen weichen Kern besitzen.

„Das ist ein außer­ordentlich interessantes Ergebnis, weil es darüber Aufschluss gibt, wie kompri­mierbar der Kern eines Neutronensterns sein kann”, sagt Luciano Rezzolla, „Neutronen­sterne verhalten sich scheinbar ähnlich wie Schoko­pralinen: Leichte Sterne ähneln dabei Pralinen mit einer harten Nuss umhüllt von weicher Schokolade,“ führt er weiter aus, „Schwere Sterne sind hingegen eher wie Pralinen mit einer harten Hülle aus Schokolade und einer cremig weichen Füllung.“ Eine wichtige Rolle in ihrer Analyse spielte dabei die Schall­geschwindigkeit in dichter Materie, welche der Bachelor­student Sinan Altiparmak in seiner Abschlussarbeit ausführlich erforscht hat. Diese Größe beschreibt, wie schnell sich Schallwellen in Materie ausbreiten. Ihr Wert hängt davon ab, wie hart oder weich das Medium ist. 

Den Physikern ist es außerdem gelungen weitere, bis dato unbekannte Eigenschaften von Neutronen­sternen zu enthüllen. Sie konnten zum Beispiel zeigen, dass Neutronen­sterne mit hoher Wahrschein­lichkeit und unabhängig von ihrer Masse einen Radius von nur zwölf Kilometern besitzen, was in etwa dem Durchmesser von Frankfurt am Main entspricht. Christian Ecker erklärt: „Unsere allum­fassende numerische Studie hat uns nicht nur ermöglicht, präzise Vorhersagen für die Radien und die maximale Masse von Neutronensternen zu machen, sondern auch neue Grenzwerte für deren Verformbarkeit durch Gezeitenkräfte in Binär­systemen zu berechnen. Diese Erkenntnisse werden eine besonders wichtige Rolle dabei spielen, die zurzeit unbekannte Zustands­gleichung mit zukünftigen Gravitations­wellenmessungen von Neutronenstern­kollisionen genauer zu bestimmen.”

U. Frankfurt / JOL

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