16.04.2020

Helferlein auf der Raumstation

Astronautenassistent CIMON-2 absolviert erste Tests auf der ISS.

Auch CIMON-2, die Weiterentwicklung des in Deutschland entwickelten und gebauten Astronauten­assistenten, hat seine Fähigkeiten an Bord der Internationalen Raumstation ISS in ersten Tests erfolgreich demonstriert. Der ballförmige, freifliegende, mit künstlicher Intelligenz ausgestattete Technologie-Demonstrator stellte seine Funktionalitäten in Interaktion mit dem ESA-Astronauten Luca Parmitano unter Beweis. CIMON-2 war am 5. Dezember 2019 vom Kennedy Space Center in Cape Canaveral, Florida, mit dem Versorgungsflug CRS-19 zur ISS gestartet. Dort soll er bis zu drei Jahre bleiben. Rund zwei Monate nach dem erfolgreichen Ersteinsatz von CIMON-2 liegen dem Projektteam jetzt die Auswertungen vor.
 

Getestet wurden unter anderem die autonomen Flug­fähigkeiten sowie die Sprach-Steuerung der Navigation und die Erteilung von Aufgaben an CIMON-2. Zum ersten Mal wurde der Anflug zu einem spezifischen Punkt innerhalb des europäischen Columbus-Moduls der Inter­nationalen Raumstation (ISS) erfolgreich absolviert. Dank der absoluten Navigation im Raum zeigte CIMON-2 sich in der Lage, durch verbale Befehle zu einem bestimmten Ort zu gelangen, unabhängig davon, wo er sich gerade befunden hat. So forderte Luca Parmitano, Astronaut der Europäischen Weltraum­organisation ESA, CIMON-2 während der Inbetriebnahme der neuen Hard- und Software auf, zum Biological Experiment Laboratory (Biolab) innerhalb des Forschungs-Moduls zu fliegen.

Eine weitere Aufgabe war, auf Kommando Fotos und Videos im Columbus-Modul der Internationalen Raumstation aufzunehmen und diese dem Astronauten anschließend zu zeigen. Mit diesen Fähigkeiten wird CIMON-2 in der Zukunft wissenschaftliche Experimente auf der ISS unterstützen können.

Die aktuelle Version des Technologie-Demonstrators verfügt über sensiblere Mikrofone und einen weiterentwickelten Orientierungs­sinn als sein Vorgänger (CIMON). Auch die KI-Fähigkeiten und die Stabilität der komplexen Software-Anwendungen wurden bei CIMON-2 erheblich verbessert. Zudem konnte die Autonomie des batteriebetriebenen Assistenten um etwa dreißig Prozent erhöht werden. Bei CIMON-2 können Astronauten auf Wunsch eine linguistische Emotionsanalyse aktivieren. Damit kann der KI-Assistent auf seine Gesprächspartner empathisch reagieren.

Ein weiteres Ziel des Projektes ist die Erforschung möglicher Stressreduktion durch einen intelligenten Assistenten wie CIMON. CIMON könnte als Partner und Begleiter Astronauten bei ihrem hohen Pensum an Experimenten, Instandhaltungs- und Reparaturarbeiten unterstützen und dadurch deren Stressexposition reduzieren. Mit CIMON ist eine mögliche Basis für soziale Assistenzsysteme im All gelegt, die bei Lang­zeit­missionen Stress durch Isolation oder auch durch gruppen­dynamische Prozesse verringern könnten – und die möglicherweise dazu beitragen können, solche Probleme auch auf der Erde zu mildern. Das CIMON-Team vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Airbus, IBM sowie von der Ludwig-Maximilians-Universität München als wissenschaftlichem Partner und des ESA User Support Centrums Biotesc in Luzern (Schweiz) zeigte sich sehr zufrieden mit der bisherigen Leistung von CIMON-2, weil die neue, verbesserte Hardware und komplexe Software sehr gut funktionieren. „Dieser erneute Erfolg für das Projekt CIMON ist eine weitere Pionierleistung im Einsatz von KI in der Astronautischen Raumfahrt“, sagt Christian Karrasch, CIMON-Projektleiter im DLR Raumfahrtmanagement in Bonn.

CIMON-2 startete am 5. Dezember 2019 vom Kennedy Space Center in Cape Canaveral, Florida, zur Internationalen Raumstation. Dort soll er bis zu drei Jahre bleiben; weitere Experimente mit ihm werden folgen. Sein Vorgänger, CIMON-1, kehrte nach insgesamt 14 Monaten im August 2019 auf die Erde zurück.

Entwicklung und Bau des interaktiven Astronauten-Assistenten CIMON wurden vom Raumfahrt­management im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit Mitteln des Bundes­ministeriums für Wirtschaft und Energie in Auftrag gegeben und von Airbus in Friedrichshafen und Bremen umgesetzt. Als sprachgesteuerte Künstliche Intelligenz dient die Watson KI-Technologie aus der IBM Cloud. Die menschlichen Aspekte des Assistenzsystems wurden von Wissenschaftlern des Klinikums der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) mitentwickelt und betreut. Das ESA User Support Centrum Biotesc an der Hochschule Luzern in der Schweiz hat sich darum gekümmert, dass CIMON auch im Columbus Modul der ISS einwandfrei funktioniert und begleitet die Zusammenarbeit der Astronauten mit CIMON von der Erde aus. Der Prototyp des Technologie-Experiments war vom 2. Juli 2018 bis zum 27. August 2019 auf der ISS und hatte am 15. November 2018 seine 90-minütige Weltpremiere mit dem deutschen ESA-Astronauten Alexander Gerst. CIMONs Name erinnert nicht zufällig an „Professor Simon Wright“, den robotischen Assistenten – das „fliegende Gehirn“ – aus der japanischen Science-Fiction-Serie „Captain Future“. Nach der erfolgreichen Mission von CIMON-1 wurde der erste europäische autonome Roboter der astronautischen Raumfahrt zum deutschen Kulturgut ernannt und kehrte zur Erde zurück. CIMON-2 wurde in weniger als einem Jahr von etwa zwanzig Mitarbeitern der CIMON-Familie realisiert.

CIMON ist ein in Deutschland entwickeltes und gebautes Technologie-Experiment zur Unterstützung und Effizienz-Steigerung der Arbeit eines Astronauten. CIMON kann Informationen, Anleitungen zu wissenschaftlichen Experimenten und Reparaturen darstellen und erklären. Ein Vorteil ist, dass der Astronaut beide Hände frei hat, weil er mittels Sprachsteuerung auf Dokumente und Medien zugreifen kann. Weitere Anwendungen sind etwa die Nutzung als mobile Kamera zur Einsparung von Astronauten-Arbeitszeit. Vor allem Routineaufgaben könnten durch CIMON erledigt werden, wie etwa die Dokumentierung von Experimenten, Suche nach Objekten und Inventarisierung. CIMON kann auch sehen, hören, verstehen und sprechen. Seine beiden Augen zur Orientierung sind eine Stereo-Kamera, eine hochauflösende Kamera zur Gesichtserkennung und zusätzlich zwei weitere seitliche Kameras für Fotos und Videodokumentation. Ultraschall-Sensoren messen Abstände zur Kollisions-Erkennung. Seine Ohren sind acht Mikrofone zur Richtungserkennung plus ein Richt-Mikrofon für eine gute Spracherkennung. Sein Mund ist ein Lautsprecher, über den er sprechen und Musik abspielen kann. Kernstück der KI für das Verständnis von Sprache ist die IBM Watson KI-Technologie aus der IBM Cloud. Selbstständiges Lernen von CIMON wurde ausgeschlossen, er muss aktiv durch einen Menschen trainiert werden. Die KI zur autonomen Navigation stammt von Airbus und dient der Bewegungsplanung und Objekterkennung. Durch zwölf interne Rotoren kann sich CIMON frei in alle Raumrichtungen bewegen und rotieren. Somit kann er sich dem Astronauten zuwenden, wenn er angesprochen wird, Kopfnicken, Kopfschütteln und räumlich selbstständig oder auf Kommando folgen.

DLR / DE
 

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