23.02.2022 • Photonik

Gefrorenes Licht in Graphen

Starke Lichtabsorption könnte als Grundlage für extrem empfindliche Infrarot- und Terahertz-Detektoren dienen.

Auf eine ungewöhnlich starke Licht­absorption in Graphen ist ein inter­nationales Forscher­team gestoßen. Der Effekt entsteht durch die Umwandlung gewöhn­licher elektro­magnetischer Wellen in langsame Ober­flächen­wellen. Die Beobachtung ist von grund­legendem Interesse und zeigt auf eindrucks­volle Weise, wie das Zusammen­spiel von Bernstein-Moden, kollektiven Anregungen von Elektronen, die durch ihre Zyklotron­bewegung angetrieben werden, und die Verschmierung elektrischer Felder auf kleinsten Skalen aufgrund von Nicht­lokali­täten die Strahlungs­absorption von Graphen beeinflussen kann. Dieses Verhalten könnte als Grundlage für extrem empfindliche Infrarot- und Terahertz-Detektoren dienen, die viel kleiner sind als herkömmliche Detektoren, aber eine ähnliche Absorptions­leistung aufweisen.

Abb.: Skizze der unter­suchten Probe: Graphen in einem senk­recht...
Abb.: Skizze der unter­suchten Probe: Graphen in einem senk­recht an­ge­legten Magnet­feld B wird mit Tera­hertz-Strah­lung be­leuch­tet. Mehrere Metall­kontakte (gelb) werden zum Aus­lesen des Photo­signals ver­wendet. (Bild: D. A. Bandurin, MIT / Springer Nature)

Die Effizienz der Energie­gewinnung durch Licht ist normaler­weise proportional zur Fläche des absor­bie­renden Objekts. Doch ein Objekt kann auch Strahlung von einer Fläche absorbieren, die größer ist als es selbst, wenn die Frequenz des Lichts mit der Bewegung der Elektronen im Absorber in Resonanz ist. In diesem Fall liegt die Fläche der Strahlungs­absorption in der Größen­ordnung des Quadrats der Licht­wellen­länge, obwohl der Absorber selbst sehr klein sein kann. Ein Wasser­stoff­atom zum Beispiel hat eine Fläche in der Größen­ordnung von einem Angström zum Quadrat. Wird es jedoch von einer Strahlung beleuchtet, deren Frequenz mit dem Übergang zwischen den Elektronen­bahnen synchron ist, kann sich die Absorptions­fläche um einen Faktor von etwa Zwei­hundert­tausend vergrößern.

Um elektromagnetische Wellen - von Radio­frequenzen bis hin zum ultra­violetten Bereich - mit möglichst geringen Verlusten zu empfangen, werden resonante Absorptions­phänomene genutzt. Zwei Klassen von Resonanzen sind für diese Anwendungen besonders viel­ver­sprechend: Die erste und grund­legendste wird Zyklotron­resonanz genannt und tritt auf, wenn die Frequenz der ein­treffenden elektro­magnetischen Welle mit der Frequenz über­einstimmt, mit der sich das Elektron auf einer Kreisbahn in einem angelegten Magnetfeld bewegt. Die zweite Resonanz entsteht durch die synchrone Bewegung der Elektronen und des elektro­magnetischen Felds von einer Proben­grenze zur anderen und wird Plasmonen­resonanz genannt. Beide Resonanzen sind in verschiedenen Systemen erfolgreich experi­mentell untersucht worden. Der beobachtete Effekt der Absorptions­verstärkung war jedoch bei den meisten der bisher unter­suchten Halbleiter gering.

In der jetzt präsentierten Arbeit des Teams wurde die Absorption elektro­magnetischer Wellen unter Bedingungen untersucht, bei denen beide Resonanzen gleich­zeitig auftreten. Zur Unter­suchung dieses Phänomens wurde die Frequenz der elektro­magnetischen Welle im Bereich von wenigen Terahertz gewählt. Für die Experimente, die am Terahertz-Zentrum der Uni Regensburg von Erwin Mönch unter der Leitung von Sergey Ganichev durch­geführt wurden, wurde Graphen ausgewählt. Seine hohe Reinheit ermöglicht nicht nur Plasma­schwingungen in der Struktur, sondern bewahrt sie zusätzlich, da die Elektronen von einer Grenze der Probe zur anderen gelangen können, ohne auf Verun­rei­nigungen zu stoßen.

Wenn man Graphen einem Magnetfeld aussetzt, schafft man die Voraus­setzungen für die Zyklotron­resonanz. Die Strahlung eines Terahertz-Lasers wurde verwendet, um Graphen anzuregen, was zu einem über­raschenden Ergebnis führte: Während das Photosignal bei der herkömmlichen Zyklotronresonanz klein war, beobachteten die Forscher bei der doppelten Frequenz eine enorme Photoantwort. Ein detail­lierter Vergleich des Experiments mit der Theorie zeigte, dass das starke Photosignal auf die Wechsel­wirkung der Zyklotron- und Plasmonen­resonanzen zu Bernstein-Moden zurück­zu­führen ist, also zu Schwingungen der Elektronen­dichte, die durch die Zyklotron­bewegung angetrieben werden.

Die eintreffende Terahertz-Strahlung wird an der Probenoberfläche umgeformt und koppelt an diese Moden. In der Nähe der Frequenz der doppelten Zyklotron­resonanz werden die Plasmonen­wellen stark abgebremst: Ihre Geschwin­digkeit sinkt fast auf null, so dass die Elektronen in eine Art Starre fallen. Licht, das auf Graphen trifft, wird eingefangen und in eine ultra­langsame Oberflächen­welle umgewandelt. Diese Wellen bleiben im Graphen stecken und verbleiben dort, bis sie absorbiert werden. Je mehr Licht Graphen also absorbiert, desto mehr erwärmt es sich und desto mehr ändert sich sein Widerstand, was zu einem größeren Photosignal führt. Daher ist die Änderung des Widerstands von Graphen unter Licht­ein­wirkung ein Maß für sein Absorptions­vermögen.

In diesem Zustand ist Graphen eine Art Super­absorber. Das heißt, es wird nicht nur Licht aus einem Bereich eingefangen, der größer ist als seine geometrische Größe, sondern auch aus einem Bereich, der größer ist als das Quadrat der Wellenlänge. Die anomal niedrige Plasmonen­geschwin­digkeit in Graphen schafft alle Voraus­setzungen dafür.

Im Rahmen dieser Studie erwies sich Graphen als eine sehr geeignete Plattform für die Beobachtung einer anomal starken Terahertz-Absorption. Diese Unter­suchungen werfen ein neues Licht auf die Wechsel­wirkung zwischen Licht und Materie und erweitern die Rolle elektro­magnetischer Felder auf kleinsten Skalen. Die Beobacht­bar­keit des Phänomens ist jedoch nicht auf Graphen allein beschränkt. Viele Materialien und darauf basierende Nano­strukturen unter­stützen ultra­langsame Ober­flächen­wellen. Diese zu entdecken und zu erforschen ist das Ziel des inter­nationalen Forscher­teams.

U. Regensburg / RK

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