28.01.2021

Flüssigkristalle unter Stress

Gezielte Erzeugung und Vernichtung topologischer Defekte im smektischen Zustand.

Manche Flüssigkristalle bilden unter geeigneten Bedingungen eine besondere Schichten­phase aus, die man „smektisch“ – abgeleitet vom griechischen Wort für „Seife“ – nennt, weil sie oft in Seifen vorkommt. In ihr ordnen sich die Makro­moleküle in einer Richtung schichten­weise kristallin an. Innerhalb einer Schicht können sie sich aber wie in einer Flüssig­keit bewegen. Hartmut Löwen und René Wittmann von der Uni Düsseldorf haben zusammen mit experi­mentell arbeitenden Physiko­chemikern der Oxford University erforscht, was passiert, wenn smektischen Schichten einer extremen ring­förmigen geometrischen Einschränkung ausgesetzt werden, sich also nicht frei verteilen können, sondern einer erzwungenen äußeren Form anpassen müssen. Abhängig von der genauen Geometrie der vorgegebenen Form krümmen sich die Schichten und platzen schließlich auf, oder aber sie ordnen sich senkrecht zueinander an. Am Ende einer solchen Schicht entsteht dann jeweils ein topo­logischer Defekt, der charakte­ristisch für die vorgegebene Geometrie ist.

Abb.: Die experi­men­telle Moment­auf­nahme (links) für harte Stäbe in...
Abb.: Die experi­men­telle Moment­auf­nahme (links) für harte Stäbe in ge­krümm­ten Geo­me­trien stimmt genau mit dem theo­re­tischen Dichte­profil (rechts) über­ein. (Bild: L. B. G. Cortes, U. Oxford / R. Witt­mann, HHU)

„Spannend daran ist, dass wir so gezielt topo­logische Defekte im smektischen Zustand erzeugen und vernichten können“, sagt Löwen. „Das kann fein­auf­gelöst auf der Teilchen­ebene mithilfe mikro­meter­großer Stäbchen unter­sucht und modelliert werden.“ Bei ihren Unter­suchungen klassi­fi­zierten die Forscher nicht nur die verschiedenen Topo­logien von smektischen Defekten, sondern entwickelten dazu auch eine mikro­skopische Theorie für die extrem verspannte smektische Phase.

Die theoretischen Ergebnisse und Modell­rechnungen bestätigten die Experimente. Die Forscher beobachteten per Mikroskop winzige Kolloid­stäbchen, die sich auf dem Boden eines Gefäßes mit mikro­meter­großen Ausstanzung befanden. Wie sich diese Stäbchen ausrichteten, wenn man sie in bestimmte geometrische Formen zwang, nahmen die Forscher auf.

„Mit unserer Dichte­funktional­theorie konnten wir nicht nur alle experi­men­tellen Beobachtungen reproduzieren, sondern auch bestimmen, welche dieser Strukturen den Wettbewerb um die höchste Stabilität gewinnt, also in einem Experiment am wahr­schein­lichsten beobachtet wird“, so Wittmann. Diese Ergebnisse sind nicht nur grund­lagen­wissen­schaftlich relevant, sondern haben eine konkrete Anwendungs­perspektive: Mit ihnen können möglicher­weise neue empfindliche Schalter gebaut werden, die durch topo­logische Defekte gesteuert werden. In nach­folgenden Projekten soll die Stress­belastung von solchen Stäbchen­paketen nochmals deutlich erhöht werden, um die System­antwort auf diese extrem hohen Strapa­zie­rungen heraus­zu­finden.

HHU / RK

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