18.03.2014

Fingerabdruck der Inflation gemessen

Antarktischem Mikrowellenteleskop gelingt erstmals Nachweis von Effekten, die von primordialen Gravitationswellen herrühren.

Mit dem Mikrowellenteleskop BICEP2 (Background Imaging of Cosmic Extragalactic Polarization) in der Antarktis ist Astronomen allem Anschein nach eine fundamentale Entdeckung gelungen. In internationaler Kollaboration haben sie in der kosmischen Hintergrundstrahlung ein Signal aufgespürt, das sich der Signatur von primordialen Gravitationswellen zuordnen lässt. Sollte sich dieser Befund durch weitere Beobachtungen bestätigen, wäre dies der erste experimentelle Nachweis der Inflation ganz zu Beginn des Universums.

Abb.: BICEP2 am Südpol (Bild: S. Richter, Harvard Univ.)

Die Idee einer inflationären Phase unmittelbar nach dem Urknall führte der Kosmologe Alan Guth anfang der 1980er als Ergänzung zum kosmologischen Standardmodell ein, unter anderem um das Flachheitsproblem und das Horizontproblem zu lösen. Zwar war diese Theorie bisher mit allen kosmologischen Daten in Einklang. Ein eindeutiger experimenteller Nachweis fehlte jedoch noch.

Diesen zu erbringen, ist deshalb so schwierig, weil die Inflation zu einem Zeitpunkt stattfand, aus der wir keinerlei elektromagnetische Strahlung empfangen können. Erst 380.000 Jahre nach dem Urknall, als die Temperatur auf 3000 Kelvin sank und die Dichte einen kritischen Wert unterschritt, rekombinierten freie Elektronen und Protonen zu neutralen Atomen. Die damals freigesetzte Strahlung sehen wir heute als kosmischen Mikrowellenhintergrund bei einer Temperatur von 2,73 Kelvin.

In noch früheren Epochen konnten sich allein Gravitationswellen im Universum nahezu ungestört ausbreiten. Und in der Tat sagt die Inflationstheorie die Entstehung von Gravitationswellen voraus. „Die aktuell vorgestellten Ergebnisse sind ein völlig neues und unabhängiges Beweisstück dafür, dass das Bild der Inflation in das Standardmodell passt“, äußerte sich Guth, der am Massachusetts Institute of Technology forscht, bei Nature News.

Abb.: B-Modenpolarisation der kosmischen Hintergrundstrahlung, hervorgerufen durch während der Inflation erzeugte Gravitationswellen (links: gemessene Daten, rechts: Simulation; Bild: BICEP2-Kollaboration)

Als sich das Universum in nur einem winzigen Bruchteil einer Sekunde – je nach Annahme zwischen 10-33 bis 10-31 Sekunden nach dem Urknall – sehr schnell beschleunigt ausdehnte, koppelte das quantisierte Gravitationsfeld an die exponentielle Expansion und erzeugte dabei Gravitationswellen, so die Theorie. Ähnlich wie die kosmische Mikrowellenstrahlung sollten die primordialen Schwingungen der Raumzeit ein Hintergrundrauschen mit einer charakteristischen Spektralform erzeugen. Direkt messen lassen sich diese Zeugen der Inflation aber derzeit nicht, da die bestehenden Gravitationswellendetektoren wie etwa LIGO nicht empfindlich genug sind.

Allerdings sollten diese primordialen Gravitationswellen der kosmischen Hintergrundstrahlung ihre Signatur mit einem charakteristischen Muster der Polarisation aufgeprägt haben. In der Phase kurz vor der Rekombination, als die Photonen noch ein letztes Mal an den freien Elektronen streuten, wurde die Strahlung auf Grund der Dichteschwankungen linear polarisiert (E-Modenpolarisation). Zugleich verwirbelten tensorielle Störungen, hervorgerufenen durch die primordialen Gravitationswellen, die Polarisationsrichtung der Photonen nicht-linear; es entstand ein bestimmtes Muster an B-Moden.

Nach genau diesen Verwirbelungen suchen die Wissenschaftler mit einer Serie von Experimenten mit den BICEP/Keck Array Teleskopen am geographischen Südpol seit 2006. Die E-Modenpolarisation aus der Zeit kurz vor der Rekombination hatte bereits 2002 eher zufällig das Vorgängerexperiment DASI (Degree Angular Scale Interferometer) entdeckt. Die sehr viel schwächer ausgeprägten B-Moden fand erstmals das South Pole Telescope im Jahr 2013; diese waren jedoch Gravitationslinseneffekten zuzuordnen.

Für die aktuell vorgestellte Studie haben die Wissenschaftler mit BICEP2 ein effektives Himmelsareal von 380 Quadratgrad bei einer Frequenz von 150 Gigahertz in den Jahren 2010 bis 2012 vermessen. Anhand eines Leistungsspektrums untersuchten sie detailliert die verschiedenen Polarisationsanteile im kosmischen Mikrowellenhintergrund und identifizierten auch jene Beiträge, die für die Strahlung auf ihrem weiteren Weg durch das All hinzukamen.

Nachdem sie alle anderweitig bekannten Quellen aus dem Spektrum eliminiert hatten, blieb ein signifikantes Signal von B-Moden zurück, und zwar in einem Bereich des Leistungsspektrums, in dem auch die Signatur der primordialen Gravitationswellen anzusiedeln wäre. Dennoch geben sich die Forscher der BICEP2-Kollaboration in ihrer Publikation verhalten optimistisch.

Auch wenn das entdeckte Signal wie ein Fingerabdruck der Inflation aussieht, gilt es, die Entdeckungen durch weitere Experimente zunächst zu bestätigen. Nachfolgebeobachtungen mit dem Keck Array am Südpol sind bereits im Gange. Möglicherweise werden aber auch die Planck-Messungen zur Polarisation der kosmischen Hintergrundstrahlung, deren Veröffentlichung im Laufe des Jahres zu erwarten ist, Aufschluss geben. Würde das Ergebnis bestätigt, wäre es tatsächlich eine Sensation.

Felicitas Mokler

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