07.06.2017

Fehlersuche mit digitaler Holografie

Neues System erkennt sehr schnell raue Objekte bis auf Mikrometer genau.

Bei Bauteilen für die Auto­mobil- oder Luftfahrt­industrie zählt jeder tausendstel Millimeter. Um heraus­zufinden, ob das einzelne Bauteil auch fehlerfrei und maßhaltig ist, eignet sich grund­sätzlich die digitale Holo­grafie. Aller­dings war diese Methode bisher erschütterungs­empfindlich und langsam. Für Produktions­umgebungen war sie daher nicht geeignet und es konnten bislang nur Stich­proben untersucht werden. Drei Forscher des Fraun­hofer IPM, Markus Fratz, Alexander Bertz und Tobias Beckmann, haben das Verfahren der digitalen Holog­rafie nun aus dem Labor in die Produktion geholt.

Abb.: Mit digitaler Holografie lassen sich zentimetergroße raue Objekte in Sekundenbruchteilen mikrometergenau erfassen. (Bild: FhG)

„Wir konnten alle Nachteile beseitigen und haben damit erstmals ein System entwickelt, das eine Hundert­prozent-Kontrolle in der Produktion erlaubt“, freut sich Beckmann, der das Projekt gemeinsam mit Fratz leitet. „Unser System kann zentimeter­große raue Objekte in Sekunden­­bruch­­teilen mikrometer­genau erfassen und kompen­siert dabei Stör­einflüsse wie Erschüt­terungen.“ Es ermöglicht somit erstmalig Messungen während der laufenden Produktion. Statt also wie bisher nur Stichproben zu nehmen, lässt sich nun jedes einzelne Teil auf Maßhaltig­keit und gleich­zeitig auf winzigste Fehler über­prüfen.

Die Aufgabe, die die drei Forscher dabei lösten, war alles andere als einfach. „Die Fehler­suche ist in etwa so, als wolle man aus 300 Metern Höhe die 3D-Form eines 25 Meter hohen Fußball­stadions so genau vermessen, dass man den Fuß­abdruck eines Babys im Rasen findet – und das in Sekun­den­bruch­teilen und auch dann, wenn das Stadion durch ein leichtes Erdbeben erschüttert wird“, verdeut­licht Fratz. Statt den Gegen­stand mit Laser­licht nur einer einzigen Wellen­länge inter­ferometrisch zu vermessen, beleuchten sie ihn nacheinander mit Laser­strahlen unter­schiedlicher Wellen­länge und verrechnen die ent­stehenden Bilder mit­einander.

Ein weiterer Clou liegt in den Algo­rithmen zur Aus­wertung. Die Forscher haben die Rechen­schritte so paralleli­siert, dass sie die komplette Leistung einer High-End-Grafik­karte ausnutzen. Dadurch ist das System so schnell, dass es innerhalb von Se­kunden­bruch­­teilen Gegen­stände auf den Mikro­meter genau vermessen kann. „Für hochgenaue drei­dimensionale Messungen ist unser System das weltweit schnellste, das am Markt verfügbar ist“, sagt Bertz, Gruppen­leiter am Fraunhofer IPM. Diese Schnellig­keit wiederum macht das System robust und vergleichs­weise un­empfindlich gegen Stör­einflüsse wie Erschüt­terungen. Das ist ähnlich wie beim Foto­grafieren: Je kürzer die Belichtungsz­eit, desto weniger verwackelt das Bild.

Für die Werner Gießler GmbH – einen Mittel­ständler, der Kompo­nenten für Diesel­einspritzanlagen herstellt – war das Verfahren eine Art Rettung. Das Unter­nehmen bekam von seinem Kunden Bosch den Auftrag, statt 6,5 Millionen Bau­teilen pro Jahr künftig zehn Millionen zu liefern, und zwar ohne ein einziges Fehlteil. Mit der bis­herigen Sicht­prüfung war das ein Ding der Unmög­lichkeit. Doch mithilfe der digi­talen Holo­grafie konnte der Mittel­ständler den Auftrag annehmen. „Ich bin nicht risiko­freudig genug, um auf diese Techno­logie zu verzichten“, fasst der Geschäfts­führer Thomas Gießler zusammen. „Denn Firmen, die nicht gelernt haben, die Qualität ihrer Teile zu prüfen, gibt es bald nicht mehr.“ Das System ist bereits in die Pro­duktion inte­griert.

Für die Ent­wicklung der produktions­tauglichen digitalen Holo­grafie erhalten Markus Fratz, Alexander Bertz und Tobias Beckmann den diesjährigen Joseph-von-Fraun­hofer-Preis. Die Jury begründet die Preis­vergabe unter anderem mit „der heraus­ragenden wissen­schaftlichen Arbeit und der erst­maligen Darstellung der Industrie­tauglichkeit des Verfahrens“.

FhG / JOL

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