22.06.2022

Exzitonen mit hybrider Dimensionalität

In geschichtetem Siliziumdiphosphid treten Exzitonen mit ein- und zweidimensionalen Eigenschaften auf.

Forschern an der Nanjing University und der Beihang University in China sowie dem Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie (MPSD) in Hamburg ist es gelungen, durch gezielte Kontrolle der strukturellen Eigenschaften von Silizium­diphosphid (SiP2) neuartige Exzitonen mit hybrider Dimensionalität zu erzeugen. Exzitonen sind gebundene Teilchen, die aus einem negativ geladenen Elektron und einem positiv geladenen Elektronen­loch bestehen. Ihr exotisches Verhalten bietet eine wichtige neue Plattform, um die Physik von Materialien zu untersuchen, die mit anderen Materie­zuständen gekoppelt sind, wie etwa Kristallgitterschwingungen.

 

Abb.: STEM-ADF-Querschnitts­abbildung von Silizium­diphosphid (Bild: X. Zhao...
Abb.: STEM-ADF-Querschnitts­abbildung von Silizium­diphosphid (Bild: X. Zhao / L. Zhou / P. Tang / H. Yuan)

Mit Silizium­diphosphid haben Forscher in China ein neuartiges Material hergestellt, dessen 2D-Schichten durch van der Waals-Kräfte gebunden sind und starke interne kovalente Wechsel­wirkungen aufweisen. Dadurch entstehen spezielle eindimensionale Phosphor­ketten, entlang derer sich elektronische Zustände lokalisieren können. Dem Team gelang es, in diesem geschichteten Material eine neue Art von Exziton mit hybrider Dimensionalität zu erzeugen: Das Elektron hat einen 1D-Charakter und das Loch weist 2D-Eigenschaften auf. Das Phänomen wurde in dieser Studie zum ersten Mal beobachtet. Theoretiker am MPSD bestätigten die Ergebnisse mit fortgeschrittenen Simulationen.

Indem sie das Material mit Laserlicht bestrahlten, konnten die Experimentatoren diese exitonischen Zustände erzeugen und anschließend untersuchen. In den gemessenen Spektren erscheinen sie als Spitzenwerte. Insbesondere das Auftreten eines charakteristischen Nebenpeaks zum Haupt-Exzitonen­peak in den Spektren zeigt eine deutliche Signatur der Exzitonen mit hybrider Dimensionalität: Aufgrund ihrer starken Abhängigkeit von der inneren Struktur des Materials wird erwartet, dass die neu erzeugten Exzitonen stark mit anderen Materialanregungen interagieren, etwa mit Gitterschwingungen, welche die Phosphorketten in Silizium­diphosphid verändern.

Die Theoriegruppe am MPSD bestätigte diese Ergebnisse durch umfangreiche Analysen und mittels modernster Methoden. Ihre Simulationen zeigen, dass das Teilchen aus einem positiv geladenen Loch mit 2D-Charakter und einem negativ geladenen Elektron besteht. Dieses ist entlang der eindimensionalen Phosphor­ketten lokalisiert, wodurch Exzitonen mit gemischter Dimensionalität entstehen.

Die Theoretiker wiesen ebenfalls nach, dass solche Exzitonen stark mit Gitter­schwingungen wechselwirken, wodurch das experimentell gemessene Merkmal des Seitenpeaks entsteht. Ein solches Merkmal wurde bisher nur in niedrig­dimensionalen Materialien wie Graphen-Nano­röhrchen oder Übergangs­metall-Dichalcogenid-Mono­schichten gemessen, nicht aber in einem drei­dimensionalen Festkörper wie Silizium­diphosphid.

Diese internationale Kollaboration hat die Existenz von Exzitonen-Phononen-Seitenbändern in einem 3D-Volumen­kristall sowie von exzitonischen Zuständen mit hybrider Dimensionalität nachgewiesen. In der Suche nach neuen Ansätzen, um die Wechsel­wirkungen zwischen Exzitonen, Phononen und anderen Quasiteilchen in festen Materialien zu verstehen und zu kontrollieren, stellen diese Ergebnisse wichtige Fortschritte dar.

„Unser Ansatz bietet eine faszinierende Plattform, um neue Materie­zustände wie Trionen – also zwei Elektronen und ein Loch oder umgekehrt – und komplexere Teilchen mit hybrider Dimensionalität zu erforschen und zu entwickeln“, sagt Mitautor Peizhe Tang, Professor an der Beihang Universität und Gast­wissenschaftler am MPSD.

Doktorand und Mitautor Lukas Windgätter aus der Theoriegruppe des Instituts fügt hinzu: „Es ist faszinierend, wie die Wechselwirkung von Teilchen innerhalb eines Festkörpers durch die gezielte Synthese seiner Eigenschaften kontrolliert werden kann. Insbesondere die Möglichkeit, zusammen­gesetzte Teilchen mit hybrider Dimensionalität zu erzeugen, eröffnet Wege zur Erforschung neuer physikalischer Phänomene.“

MPSD / DE

 

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