25.04.2019

Extrem seltener Zerfall gemessen

Halbwertszeit von Xenon-124 ist rund ein Billion mal länger als das Alter des Universums.

Eigentlich soll der XENON1T-Detektor tief im Untergrund Teilchen der dunklen Materie aufspüren. Doch einem internationalen Forscherteam unter führender Beteiligung von Wissenschaftlern der Universität Zürich und der Universität Münster ist es jetzt gelungen, damit erstmals einen anderen äußerst seltenen Vorgang zu beobachten – den Zerfall des Radionuklids Xenon-124, das die enorme Halbwertszeit von 1,8 × 1022 Jahren aufweist.

Abb.: Die Photodetektoren des inneren Detektors von XENON1T (Bild: Xenon...
Abb.: Die Photodetektoren des inneren Detektors von XENON1T (Bild: Xenon Collaboration)

Tief im italienischen Gran Sasso-Gebirge befindet sich das Untergrundlabor LNGS (Laboratori Nazionali del Gran Sasso), in dem Wissenschaftler abgeschirmt von jeglicher Radioaktivität nach Teilchen der dunklen Materie suchen. Hierzu verwenden sie den XENON1T-Detektor, dessen Herzstück ein etwa ein Meter großer zylinderförmiger Tank ist, gefüllt mit 3200 Kilogramm flüssigem Xenon bei einer Temperatur von -95 Grad Celsius. 

Bislang haben die Forscher mit diesem Detektor zwar noch keine dunkle Materie aufgespürt, aber es ist ihnen gelungen, erstmals den Zerfall des Atoms Xenon-124 zu beobachten. Die gemessene Halbwertszeit ist über eine Billion Mal länger als das Alter des Universums. Der beobachtete Prozess ist damit der seltenste jemals in einem Detektor direkt nachgewiesene Vorgang im Universum. „Dass es uns gelungen ist, diesen Vorgang direkt zu beobachten, zeigt eindrucksvoll, welches Potenzial in unserer Messmethode steckt – auch für seltene physikalische Phänomene, die nicht von dunkler Materie herrühren“, sagt die Laura Baudis, Astroteilchenphysikerin an der Universität Zürich, deren Gruppe an dem XENON1T-Experiment maßgeblich beteiligt ist.

Bei dem beobachteten Prozess handelt es sich um einen doppelten Elektroneneinfang: Der Atomkern von Xenon-124 besteht aus 54 Protonen und 70 Neutronen. Beim doppelten Elektroneneinfang fangen zwei Protonen des Kerns zwei Elektronen aus der innersten Schale des Atoms ein, wandeln sich in Neutronen um und senden zwei Neutrinos aus. Da in der Atomhülle nun zwei Elektronen fehlen, sortieren sich die übrigen Elektronen um, wobei Energie in Form von Röntgenstrahlen ausgesendet wird. Dieser Prozess geschieht allerdings extrem selten und wird normalerweise von allgegenwärtigen Spuren anderer Radioaktivität überdeckt – in der abgeschirmten Umgebung des Untergrundlabors war der Nachweis nun allerdings möglich.

Die Röntgenstrahlen aus dem doppelten Elektroneneinfang erzeugten innerhalb des flüssigen Xenons im XENON1T-Detektor ein erstes kurzes Lichtsignal und freie Elektronen. Diese bewegten sich zum oberen Teil des Detektors und erzeugten dort ein zweites Lichtsignal. Aus der Richtung und der Zeitdifferenz zwischen den Signalen konnten die Wissenschaftler die genaue Position des doppelten Elektroneneinfangs sowie die beim Zerfall freigewordene Energie ermitteln. Aus insgesamt 126 solcher in den letzten zwei Jahren beobachteten Vorgängen berechneten die Physiker dann die enorme Halbwertszeit.

„Die neuen Ergebnisse zeigen, wie präzise der XENON1T-Detektor sehr seltene Zerfälle registrieren und Störsignale herausfiltern kann“, sagt Laura Baudis. Da beim beobachteten doppelten Elektroneneinfang zwei Neutrinos ausgesendet werden, könnten die Ergebnisse darüber hinaus in Zukunft auch wichtige Fragen zur Natur der Neutrinos beantworten. Denn die Eigenschaften dieser leichtesten aller Elementarteilchen sind in vielen Aspekten immer noch mysteriös.

U. Zürich / DE
 

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