Erstmals ein Schwarzes Loch abgebildet

Bahnbrechender Erfolg mit dem Event Horizon Telescope

Das 53 Millionen Lichtjahre entfernte Sternsystem Messier 87 (kurz M87) gehört zu den am besten untersuchten aktiven Galaxien. Der Zentralbereich emittiert intensive Radiostrahlung, und ein Gasstrahl (Jet) schießt mit nahezu Lichtgeschwindigkeit daraus hervor. Astronomen vermuten schon seit Jahrzehnten als treibende Quelle dieser Aktivität ein zentrales, supermassereiches Schwarzes Loch. Doch das blieb bis jetzt unbeobachtbar. Mit dem Event Horizon Telescope gelang nun der historische Durchbruch. An dem Projekt beteiligt sind dreizehn Organisationen aus der ganzen Welt, darunter aus Deutschland die Universität Frankfurt und das MPI für Radioastronomie in Bonn.

Schwarze Löcher bilden einen in sich geschlossenen Raumbereich. Alles, was von außen in sie hineinfällt, bleibt darin verborgen – auch Licht. Deswegen erscheint uns ein Schwarzes Loch wirklich schwarz. Die Grenzfläche nennt man Ereignishorizont, auf Englisch Event Horizon. Sie definiert die Größe des Schwarzen Lochs. Das Schwarze Loch im Zentrum vom M87 zieht aus der Umgebung Gas, Staub und auch ganze Sterne an. Diese Materie sammelt sich in einer rotierenden Scheibe. Dabei erhitzt sie sich und leuchtet sehr hell. Somit besteht die Möglichkeit, das Schwarze Loch vor der leuchtenden Gasscheibe zu beobachten. Astronomen sprechen deswegen vom Schatten des Schwarzen Lochs.   

Aus bisherigen Beobachtungen von M87, beispielsweise der Analyse der Gasdynamik im Zentralbereich, leiteten Forscher eine Masse für das zentrale Schwarze Loch zwischen 3,5 und 7,2 Milliarden Sonnenmassen ab. Damit müsste es etwa die Größenordnung unseres Sonnensystems haben. Kein Einzelteleskop der Welt könnte ein Objekt dieser Größe in der Entfernung von 53 Millionen Lichtjahren räumlich auflösen. Dies gelang jetzt mit der Technik der Very Long Baseline Interferometrie.

Abb. 1 Die aktive, elliptische Galaxie M87, aufgenommen mit dem...
Abb. 1 Die aktive, elliptische Galaxie M87, aufgenommen mit dem Weltraumteleskop Hubble (Copyright: NASA-ESA/Hubble Heritage Team/STScI/AURA).

Hierfür koppelt man mehrere Teleskope in Phase und führt die Beobachtungen in einem Computer zusammen. So erhält man ein virtuelles Teleskop, dessen Auflösungsvermögen durch den Abstand der am weitesten voneinander entfernten Instrumente definiert ist. Diese Form der Interferometrie wenden Radioastronomen bereits seit Jahrzehnten an, allerdings bei Wellenlängen von einigen Zentimetern. Die Verringerung auf 1,3 Millimeter verbesserte nun entscheidend das Auflösungsvermögen bis auf 20 Mikrobogensekunden, erforderte aber auch enorme technische Anstrengungen. Neben der Entwicklung neuer Detektoren mussten die Teleskope mit Atomuhren bis auf eine Nanosekunde synchronisiert werden. "Damit könnten wir theoretisch von Bonn aus eine Zeitung in New York lesen", verdeutlicht Anton Zensus vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn die gewaltige Leistung.

Das Event Horizon Telescope besteht aus acht global verteilten Observatorien, wovon eines, das in den chilenischen Anden errichtete ALMA, wiederum aus 66 Einzelantennen besteht. Auf diese Weise erzielt das Event Horizon Telescope eine Detailschärfe einer Einzelantenne mit etwa 8000 Kilometer Durchmesser.

 

Abb. 2 Die erste Abbildung eines Schwarzen Lochs, das von einer leuchtenden...
Abb. 2 Die erste Abbildung eines Schwarzen Lochs, das von einer leuchtenden Gasscheibe umgeben ist (Copyright: EHT-Kollaboration).

Damit gelang nun die Aufnahme des Schwarzen Lochs im Zentrum von M87. Bei deren Interpretation muss man Effekte der Allgemeinen Relativitätstheorie berücksichtigen. So wird ein Lichtstrahl nahe am Ereignishorizont extrem stark verbogen, sodass Bereiche sichtbar werden, die von der Erde aus gesehen hinter dem Schwarzen Loch liegen. Dass der Ring unten heller ist als oben, liegt wahrscheinlich an der Rotation der Scheibe. Dies führt zum "Doppler-Beaming" des auf uns zukommenden Bereichs. Aus den Beobachtungen leiten die Forscher eine Masse von 6,5 Milliarden Sonnenmassen ab. Damit bestätigen sie die bisherigen Werte. Das Schwarze Loch besitzt einen Radius von knapp 20 Milliarden Kilometern, was etwa der dreifachen Entfernung von der Sonne zum äußersten Planeten unseres Sonnensystems Neptun entspricht.

Die ersten Beobachtungen erfolgten im April 2017. Die Auswertung verzögerte sich zunächst, weil die Datenträger des Südpolteleskops erst im Dezember ausgeflogen werden konnten. Bei einer Datenrate von 350 Terabytes pro Tag ist an eine Übertragung via Internet nicht zu denken. Es folgten weitere Monate der Datenanalyse, bei der zahlreiche Störeinflüsse wie Turbulenzen in der Erdatmosphäre oder Störsignale der eigenen Instrumente berücksichtigt wurden. Eine zweite Beobachtungskampagne im April 2018, bei dem ein weiteres Teleskop in Grönland aufgenommen wurde, verbesserte noch einmal die Aufnahme. Im Herbst 2018 kam zudem eine Anlage namens NOEMA mit zehn 15-Meter-Antennen auf einem Hochplateau in den französischen Alpen hinzu. 

Neben M87 beobachteten die Forscher auch das Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße. Doch obwohl uns dies viel näher ist, als das von M87, gelang die Aufnahme bislang nicht. Ursache sind dichte Wolken aus ionisiertem Gas. Sie führen zu einem Flimmern der Radiostrahlung und unscharfen Bildern. Das Schwarze Loch in M87 ist zwar ungefähr 2000-mal weiter entfernt als das im galaktischen Zentrum, aber es ist etwa 1500-mal massereicher und größer. Deshalb erscheint es uns nur unwesentlich kleiner. Zensus ist zuversichtlich, dass sich mit zukünftigen Beobachtungen der Schleier vor dem Herz der Milchstraße durchdringen lässt.

Die jetzige Entdeckung ist ein Meilenstein der Astrophysik. Zusammen mit den Messungen von Gravitationswellen ermöglicht die neue Technik Einblicke in das Wirken von Schwarzen Löchern und ihren Einfluss auf die Umgebung. Auch neue Tests der Relativitätstheorie werden nun möglich. "Wir waren verblüfft, wie gut der beobachtete dunkle Fleck mit der aus unseren Computersimulationen vorhergesagten Struktur übereinstimmt", erklärt Anton Zensus.

Thomas Bührke

 

Weiterführende Informationen

Event Horizon Telescope

Informationen der Max-Planck-Gesellschaft

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