14.05.2018

Elektronische Nase

Sensorchip kann eine Vielzahl unter­schied­licher Gerüche erlernen und ist viel­seitig ein­setz­bar.

Frisch gemahlener Kaffee, Popcorn, Bioabfall oder Rauch – im Laufe unseres Lebens lernen wir die ver­schie­den­sten Gerüche kennen und können sie dank unserer Nase unter­scheiden auch ohne die Quelle des Geruchs zu sehen. Wissen­schaftler des Karls­ruher Instituts für Techno­logie einen Sensor ent­wickelt, dem man die unter­schied­lich­sten Gerüche bei­bringen kann. Die elekt­ro­nische Nase soll all­tags­taug­lich sein und mög­liche Gefahren wie schwelende Kabel oder ver­dorbene Lebens­mittel früher als ein Mensch er­schnup­pern.

Abb.: Die elektronische Nase ist ein Sensor­chip, auf dem Nano­drähte mit Gerüchen – also kom­plexen Gas­gemischen – rea­gieren. (Bild: M. Sommer, KIT)

Die Nase des Menschen besteht aus etwa zehn Millionen Riech­zellen mit rund vier­hundert unter­schied­lichen Geruchs­rezep­toren. Diese Rezep­toren nehmen die Gerüche wahr und erzeugen ein spezi­fisches Signal­muster. Das Gehirn ordnet das Signal­muster einem bestimmten Geruch zu. „Wir haben uns die bio­lo­gische Nase als Vor­bild genommen“, sagt Martin Sommer, der das Projekt „Smell­dect“ am KIT betreut. „Bei unserer elek­tro­nischen Nase rea­gieren Nano­fasern auf komplexe Gas­ge­mische – also Gerüche – und bilden eben­falls Signal­muster, anhand derer der Sensor diese erkennt.“ Ziel des Projekts ist die Ent­wick­lung eines preis­werten massen- und all­tags­taug­lichen Geruchs­sensors.

Die elektronische Nase ist nur wenige Zentimeter groß. Sie enthält die gesamte Betriebs­elek­tronik, inklu­sive der Techno­logie zur Aus­wer­tung der Gase. Sie besteht aus einem Sensor­chip, auf dem Nano­drähte aus Zinn­dioxid auf vielen ein­zel­nen Sensoren ange­bracht sind. Spezi­fische Signal­muster errechnet der Chip über die Wider­stands­ände­rungen der Einzel­sensoren. Diese hängen von den Mole­külen aus der Umge­bungs­luft ab, sind für ver­schie­dene Gerüche jeweils unter­schied­lich – und damit charak­teris­tisch und wieder­erkenn­bar. Wurde dieses Muster vorher in den Chip ein­ge­lernt, kann es der Geruchs­sensor inner­halb von Sekunden erkennen.

Um das Verfahren in Gang zu bringen, setzen die Forscher auf eine in das Sensor­ge­häuse inte­grierte Leucht­diode, welche die Nano­drähte mit UV-Licht bestrahlt. Dadurch sinkt der ursprüng­lich sehr hohe elek­trische Wider­stand des Zinn­dioxids soweit, dass Ände­rungen von diesem – hervor­ge­rufen durch die für den Geruch ver­ant­wort­lichen und auf der Zinn­dioxid-Ober­fläche ange­lagerten Mole­küle – über­haupt erst ermit­telt werden können. „Nimmt der Sensor einen Geruch wahr, sinkt der Wider­stand noch weiter. Ver­schwin­det der Geruch, dann stellen sich die ursprüng­lichen Ver­hält­nisse mit ent­spre­chend hohem elek­trischen Wider­stand wieder ein, sodass die Nase für weitere Geruchs­mes­sungen bereit ist“, sagt Sommer.

Der Sensorchip kann eine Vielzahl unterschiedlicher Gerüche erlernen und ist damit viel­seitig ein­setz­bar. Ob im Haus­alt zur Kon­trolle der Raum­luft oder als Brand­melder, beim Ein­kaufen, um zu erkennen, wie frisch Fisch oder Fleisch ist, in der Quali­täts­end­kon­trolle beispiels­weise von Honig oder als Nase für einen Roboter. „Die Schwie­rig­keit ist, dass Geruch nicht gleich Geruch ist. Eine Rose beispiels­weise riecht bei Sonnen­schein anders als bei Regen“, so der Forscher. „Deshalb trai­nieren wir die elek­tro­nische Nase momen­tan für spezi­fische Einsatz­zwecke, die aber uni­ver­sell wähl­bar sind.“ Die Wissen­schaftler des KIT wollen einen mög­lichst preis­werten Sensor ent­wickeln, um ihn massen­taug­lich zu machen. „So könnte man die elek­tro­nische Nase in Zukunft beispiels­weise in alle Elektro­geräte einbauen, um Kabel­bränden vor­zu­beugen. Oder wir statten Smart­phones damit aus. Jeder hätte dann beim Ein­kaufen seine eigene, hoch­sen­sible elek­tro­nische Nase dabei“, sagt Sommer.

Bei der industriellen Herstellung und dem Vertrieb unter­stützen die Projekt­partner JVI-Elek­tronik und FireEater das KIT. Beide haben bereits 2015 zusammen mit dem KIT im EU-Projekt „SmokeSense“ einen intelli­genten Brand­melder auf Basis einer elek­tro­nischen Nase ent­wickelten. Er spürt Schwel- und Brand­gase auf und bietet eine zuver­lässige Analyse, um welches bren­nende Material es sich handelt.

KIT / RK

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